Alles geht den Bach herunter. Das sich verbreitende Narrativ hieße im Falle von Ditzingen wohl: das Bächle hinunter, konkret die Glems. Das Städtle, das Diminutiv ist dem Schwaben heilig, liegt im Stuttgarter Umland, hat 23.000 Einwohner und ein Problem. Die Gewerbesteuereinnahmen sinken, fast 50 Prozent beträgt der Rückgang innerhalb von zwei Jahren, für den laufenden Haushalt rechnet der Kämmerer nur noch mit 40 Millionen Euro. Der Ortsfremde merkt davon auf Anhieb nichts, er parkt sein Auto in der Tiefgarage am Rathaus und wundert sich, dass er an der Einfahrt kein Ticket lösen muss, drei Stunden Aufenthalt sind kostenlos. In der Innenstadt fröhliche Unbekümmertheit, eine italienische Bar verströmt Kaffeegeruch und Lebenslust. Der sichtbare Wohlstand hat vor allem einen Namen, Trumpf, ein auf Lasertechnik spezialisiertes Familienunternehmen, ein halbes Dutzend weitere Industriebetriebe tragen bei. Bislang.
In den Eingeweiden der Laserfabrik treffen wir auf einen Mechatroniker, er montiert eine Maschine aus 450.000 Einzelteilen. Der Apparat schießt 50.000-mal in der Sekunde auf ein winziges Tröpfchen Zinn und erzeugt damit jenes Licht, mit dem die leistungsfähigsten Computerchips der Welt hergestellt werden. Konkurrenz aus China oder dem Tal des Silikons? Gibt es nicht, dafür aber gut bezahlte Arbeit in Ditzingen. Bislang.
Wir können alles, außer Hochdeutsch. Den Spruch hat Baden-Württemberg mittlerweile ausgemustert, doch der Geist ist lebendig noch, nicht nur in Ditzingen, sondern fast überall, wo schwäbische Tüftler ihrem Werk nachgehen. Dass es so kam, ist die Folge einer großen Hungersnot, hervorgerufen durch einen Vulkanausbruch Anfang des 19. Jahrhunderts am anderen Ende der Welt. Auf die Krise reagierte die weise Königin Katharina von Württemberg mit der Gründung einer landwirtschaftlichen Schule in Hohenheim, diese trieb die Mechanisierung auf den Feldern voran und legte so den Grundstein für den schwäbischen Maschinenbau. Förderung von Sprunginnovationen hieße so etwas heute.
Ein Eigentümerunternehmer aus dem Westfälischen plaudert am Ende eines langen Messetages über seine Branche. Wie denn die Politik ihm gegen die Billigkonkurrenz aus China beistehen könne, lautet unsere Frage. Kurze Stille, dann der Satz: „Am besten tut sie nichts und lässt uns machen.“ Dann wäre auch die Sache mit dem Bach kein Problem mehr, deutsche Ingenieure könnten das Wasser bergan pumpen. Schwaben ist überall.