Es ist nicht bekannt, ob Friedrich Merz mit dem Ausdruck „Bang for the buck“ vertraut ist. Die Redewendung könnte für den voraussichtlich nächsten Kanzler aber noch eine gewisse Bedeutung erlangen. Der angelsächsische Spruch bedeutet frei übersetzt in etwa „Wie viel Mehrwert gibt es fürs Geld?“.
Das könnten sich viele Deutsche in gar nicht allzu langer Zeit fragen, wenn klarer zu sehen sein wird, wie viel die ungeheuren Schuldenprogramme dem Land tatsächlich gebracht haben, die CDU und CSU im Verein mit ihrem wahrscheinlichen Koalitionspartner SPD und den Grünen in den vergangenen Tagen auf den Weg gebracht haben. 500 Milliarden Euro für Rüstung und 500 Milliarden Euro für Infrastruktur sollen das Land in den kommenden zehn Jahren wehrhaft machen und ihm seine Funktionsfähigkeit zurückgeben. Die sehen viele als erschüttert an angesichts maroder Brücken, Straßen und Schienen.
Ob das wirklich gelingt, muss die Zeit zeigen. Obwohl die Grundgesetzänderung gerade erst beschlossen und noch kein einziger Euro an zusätzlichen Schulden aufgenommen wurde, zeigt sich eine Nebenwirkung aber schon jetzt: Die Preise steigen, zumindest manche.
Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, sagt es deutlich: „Eine massive Ausweitung der Verschuldung wirkt üblicherweise preis- und zinstreibend.“ Und auch manch geplante Maßnahmen der künftigen Koalition, die eigentlich entlastend für die Bürger sein sollten, könnten am Ende das Leben überraschenderweise teurer machen. Die F.A.S. hat sich die wichtigsten Punkte angesehen.
Hausbau
Dass allein die Pläne der potentiellen Regierungspartner schon Auswirkungen auf die Preise haben, lässt sich am unmittelbarsten am Preis des Geldes festmachen – den Zinsen. Schaut man auf die Rendite deutscher Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit, ließ sich nämlich gleich nach der Ankündigung des Schuldenprogramms ein erstaunlicher Effekt beobachten: Die Rendite der Anleihen stieg unmittelbar danach von 2,4 Prozent auf 2,8 Prozent. Der Anstieg erreicht damit bei Weitem nicht die Dimension, auf die er beispielsweise zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1989/90 kam – damals erhöhten sich die Zinsen in der Spitze um zwei Prozentpunkte. Auch wenn die aktuelle Erhöhung um rund 0,4 Prozentpunkte im Vergleich dazu nach wenig klingt, ist dies in der Welt der Anleihen dennoch eine veritable Veränderung.
Was Anleger, die jetzt in Bundesanleihen investieren wollen, freuen dürfte, ist eine schlechte Nachricht für alle, die nun ein Haus bauen wollen. Denn ein Anstieg der Anleihezinsen mit längerer Laufzeit schlägt direkt durch auf die Zinsen, die Immobilienkäufer nun für einen Hauskredit zahlen müssen (siehe dazu auch den Kommentar auf der folgenden Seite): Bauzinsen orientieren sich üblicherweise nämlich an der Entwicklung von Bundesanleihen. Sprich der Hauskredit wird jetzt deutlich teurer.
Was das konkret bedeutet, hat das Finanzportal biallo.de für die F.A.S. ausgerechnet. Gab es einen Hauskredit in Höhe von 300.000 Euro bei zehnjähriger Zinsbindung und einem Beleihungswert von 60 Prozent zu Anfang des Jahres noch zu einem durchschnittlichen Zinssatz von 3,3 Prozent, so ist der Satz jetzt auf 3,7 Prozent gestiegen. Das macht einen deutlichen Unterschied: Zu den Konditionen vom Jahresanfang mussten Hausbauer bis zum Ende der Laufzeit ihres Kredites rund 90.000 Euro an Zinsen zahlen, unter den neuen Bedingungen sind es rund 11.000 Euro mehr.
Restaurantbesuch
Auf die schlechte Nachricht für Hauskäufer folgt eine vermeintlich gute für Restaurantbesucher: Union und SPD wollen die Mehrwertsteuer für Speisen im Restaurant dauerhaft von 19 Prozent auf sieben Prozent senken. In der Corona-Pandemie war das schon einmal der Fall gewesen, seit dem 1. Januar 2024 gilt aber wieder der höhere Satz. Eine Ausnahme besteht derzeit nur für Speisen zum Mitnehmen.
Wer sich nun auf günstigere Restaurantbesuche freut, sei gewarnt. Verschiedene Untersuchungen ähnlicher Maßnahmen im Ausland zeigen, dass nur eine Minderheit der Gastronomen die gesunkenen Steuersätze ihren Kunden zugutekommen ließ. Viele änderten ihre Preise einfach überhaupt nicht, behielten den Steuervorteil also für sich. Im Geldbeutel der allermeisten Restaurantbesucher wird die Steuersenkung also vermutlich kaum spürbare Effekte hinterlassen. Ohnehin trifft der Plan auf erbitterten Widerstand von Ökonomen. So sagt beispielsweise Holger Schmieding, Chefvolkswirt des Bankhauses Berenberg: „Das ist eine willkürliche Maßnahme, die einseitig den Gastwirten hilft – und im besten Fall noch ein paar Wohlhabenden. Denn nur diese Gruppe kann sich regelmäßige Restaurantbesuche leisten.“
Strom
So gut wie alle Deutschen profitieren dagegen von einer weiteren Entlastung, die die mögliche schwarz-rote Koalition in ihren Sondierungen vereinbart hat: Man will die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß von 0,1 Cent je Kilowattstunde senken und die Übertragungsnetzentgelte halbieren.
Klingt kompliziert, lässt sich aber elegant in einer Zahl ausdrücken: Das Vergleichsportal Verivox hat ausgerechnet, dass ein Haushalt dadurch rund zehn Prozent an Stromkosten sparen kann. Konkret heißt das: Ein Dreipersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden würde jährlich um rund 145 Euro entlastet, ein Single mit einem Jahresverbrauch von 1500 Kilowattstunden würde 54 Euro im Jahr sparen.
Auf den einzelnen bezogen, handelt es sich dabei um keine großen Beträge, aber willkommen dürften sie trotzdem sein. Chefvolkswirt Schmieding kritisiert dennoch: „Staatliche Subventionen dieser Art können natürlich die Inflation dämpfen.“ Aber sie kosteten Geld, das an anderer Stelle fehlen könnte.
Einkommensteuer
Dies gilt umso mehr für einen noch größeren Bereich, in dem sich Union und SPD ebenfalls auf eine Entlastung einigen wollen. Die Rede ist von der Einkommensteuer. Auch wenn hier vieles noch in den Koalitionsgesprächen zu klären sein wird, sei eine Folge ziemlich ausgemacht, sagt Berenberg-Ökonom Schmieding: „Eine Steuersenkung stimuliert die Nachfrage der Verbraucher und wirkt inflationstreibend.“
So gut es sich also anfühlen mag, weniger Steuern zu zahlen – ohne Nebenwirkungen ist auch diese Entlastung nicht zu bekommen. Zumal ohnehin noch unklar ist, wie die künftigen Koalitionäre das Vorhaben überhaupt finanzieren wollen. Sinnvoller als eine Reform der Einkommensteuer wäre ohnehin eine Unternehmensteuerreform, weil niedrigere Kosten die Firmen wettbewerbsfähiger machen und sie zu Investitionen in den Standort anregen. CDU/CSU hatten zwar im Wahlkampf solche Pläne erwogen, in den Sondierungsgesprächen mit den Sozialdemokraten war davon bislang aber nur wenig zu hören.
Alles andere
All diese Maßnahmen verblassen aber angesichts der schieren Höhe der geplanten Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur. Auch wenn sich diese ja über einen Zeitraum von zehn Jahren strecken sollen, lassen die Summen das erwarten, was Wirtschaftswissenschaftler einen „positiven Nachfrageschock“ nennen. Soll heißen: Auf einmal fragt der Staat in großem Stil Rüstungsgüter und die Dienste von Baufirmen nach, die Schienen, Straßen und Brücken wieder in Ordnung bringen sollen.
Das ist erst einmal positiv in einem Moment, in dem die deutsche Wirtschaft eher Schwäche zeigt und einen Impuls für die Konjunktur gut gebrauchen kann. Selbst die für solche Maßnahmen eher skeptisch gestimmten Fachleute der Commerzbank erwarten einen klaren Effekt für das Wirtschaftswachstum. Sie rechnen für das Jahr 2026 mit einem Wachstum von 1,5 Prozent. Vor dem Bekanntwerden der schwarz-grünen Schuldenpläne hatten sie nur eine Rate von einem Prozent prognostiziert.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Doch was gut fürs Wachstum ist, erzeugt tendenziell auch Inflation – und zwar in diesem Fall voraussichtlich auf breiterer Front, als man zunächst vermuten würde. Zwar sind es vor allem Rüstungs- und Bauunternehmen, die von den Schuldenprogrammen der Regierung profitieren. Beide Bereiche sind aber – im Gegensatz zu den geschwächten Autoherstellern beispielsweise – bereits jetzt stark ausgelastet. In der Rüstungsindustrie, aber auch im Tiefbau (dem Teil des Bauwesens, der sich um Straßen und Tunnel kümmert) fehlen zudem Arbeitskräfte. Der Mangel im Tiefbau ist nach einer Untersuchung des Ifo-Instituts so hoch wie nur selten in den vergangenen 30 Jahren. Ein Drittel der Unternehmen klagt darüber. Die Folge ist aus Sicht der Commerzbank-Fachleute offensichtlich: „Fragen Rüstungs- und Bauunternehmen in dieser Situation massiv mehr Arbeitskräfte nach, wird Arbeit noch knapper, steigen Löhne und Preise und zieht die Inflation an.“ Ein beträchtlicher Teil der Mehrausgaben werde also „in höheren Preisen verpuffen“.
Vor einem massiven Anstieg der Teuerung könnte das Land ironischerweise durch ein Problem geschützt sein, das ansonsten häufig beklagt wird: die lähmende Bürokratie. Genehmigungs- und Prüfverfahren sind abzuwarten, bis die Politik die Milliarden tatsächlich ausgeben kann. Das federt den Preisschub etwas ab. Trotzdem erwarten beispielsweise die Landesbank Baden-Württemberg und die Berenberg Bank einen Anstieg der deutschen Inflationsrate um 0,2 Prozentpunkte im kommenden Jahren. Die Commerzbank-Experten prognostizieren, dass sich die Inflationsrate im Euroraum in Zukunft bei mehr als zwei Prozent einpendeln wird.
Das klingt alles verkraftbar angesichts der Inflationserfahrungen, die die Deutschen in den vergangenen Jahren machen mussten. Aber es zeigt auch, dass die Zeit der Preissteigerungen noch immer nicht vorbei ist. Die Deutschen werden damit leben müssen, wohl oder übel.