Israel weitet seine Angriffe auf Ziele der islamistischen Hamas im Gazastreifen aus. Bei einer Attacke auf eine Klinik im Süden des abgeriegelten Küstengebiets wurden palästinensischen Angaben zufolge fünf Menschen getötet, darunter ein Mitglied des Hamas-Politbüros. Mitarbeiter des Nasser-Krankenhauses in der Stadt Chan Junis teilten mit, das israelische Militär habe in der zweiten Etage der Klinik angegriffen. Israels Armee sagte, Ziel sei ein wichtiges Hamas-Mitglied gewesen, das dort aktiv gewesen sei.
Bei dem Hamas-Mitglied handelte es sich laut Hamas um Ismail Barhum. Verteidigungsminister Israel Katz lobte die Armee für die Tötung. Israelischen Medien zufolge war Barhum als Politbüro-Mitglied für die Verteilung von Geldern innerhalb der Terrororganisation zuständig. Die Hamas nannte ihn „eine tragende Säule“ der Islamistenorganisation.
Israels Armee warf der Hamas vor, das Krankenhaus als Unterschlupf zu missbrauchen. Nach Darstellung der Hamas wurde Barhum in der Nasser-Klinik behandelt. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen.
Bereits zuvor war am Sonntag bei einem israelischen Luftangriff im südlichen Gazastreifen ein ranghoher Hamas-Funktionär getötet worden. Salah al-Bardawil habe die strategische und militärische Planung der Hamasgeleitet, teilte die Armee mit. Die Hamas bestätigte in ihrem Telegram-Kanal den Tod al-Bardawils, der ebenfalls Mitglied des Politbüros war.
Kallas fordert Rückkehr zur Waffenruhe
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas verurteilte bei einem Besuch in der Region die neuen Angriffe im Gazastreifen und forderte die Wiederaufnahme der humanitären Hilfe. In einer gemeinsam mit dem Arabisch-Islamischen Ministerkomitee veröffentlichten Stellungnahme forderte sie eine sofortige Rückkehr zur vollständigen Umsetzung des am 19. Januar in Kraft getretenen Abkommens über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln und Häftlingen.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu plant laut „Wall Street Journal“ eine neue großangelegte Bodenoffensive. Der Ministerpräsident und sein Sicherheitskabinett seien davon überzeugt, dass die Einnahme größerer Gebiete es Israel erlauben würde, die Hamas endgültig zu besiegen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf informierte Kreise.
Israel will Behörde für Ausreise von Palästinensern schaffen
Israel richtet zudem eine neue Behörde für eine „freiwillige“ Ausreise von Palästinensern aus dem Gazastreifen ein. Diese soll dem Verteidigungsministerium unterstellt werden und „die freiwillige Ausreise von Bewohnern des Gazastreifens in Drittländer auf sicherem und kontrolliertem Wege vorbereiten“, zitierten israelische Medien aus einer Erklärung des Büros von Verteidigungsminister Katz.
Ausreisewilligen Menschen solle das Verlassen des abgeriegelten Küstenstreifens „unter Einhaltung des israelischen und internationalen Rechts und in Übereinstimmung mit der Vision von US-Präsident Donald Trump“ ermöglicht werden, hieß es demnach in der Erklärung weiter. Zuvor hatte das israelische Sicherheitskabinett den Berichten zufolge einen entsprechenden Vorschlag von Katz gebilligt. Um welche Drittländer es sich handeln soll, wurde nicht erwähnt.
Friedensbewegung: Menschen gehen nicht „freiwillig“
Die israelische Friedensbewegung Peace Now verurteilte die Schaffung der neuen Ausreisebehörde auf der Plattform X als „unauslöschlichen Schandfleck“ für Israel. „Wenn das Leben an einem bestimmten Ort durch Bombardierung und Belagerung unmöglich gemacht wird, ist es nicht „freiwillig“, wenn Menschen gehen“, hieß es weiter.
Vorschlag geht auf US-Präsident Trump zurück
Katz hatte die Armee bereits Anfang Februar angewiesen, einen entsprechenden Plan auszuarbeiten, nachdem US-Präsident Donald Trump vorgeschlagen hatte, zwei Millionen Palästinenser aus dem Küstenstreifen umzusiedeln. Der US-Präsident hatte im Beisein von Netanjahu verkündet, die USA würden den Gazastreifen „übernehmen“ und in eine wirtschaftlich florierende „Riviera des Nahen Ostens“ verwandeln. Nach Trumps Willen sollen die Einwohner des Gebiets in anderen arabischen Staaten der Region unterkommen.
Ägyptischen Medien zufolge hatte die Regierung in Kairo jüngst Berichte zurückgewiesen, wonach sie zur vorübergehenden Aufnahme von einer halben Million Menschen aus dem Gazastreifen bereit sein soll.
Israel erkennt 13 unabhängige Siedlungen im Westjordanland an
Das israelische Sicherheitskabinett beschloss zudem, 13 jüdische Wohngebiete im besetzten Westjordanland in unabhängige Siedlungen umzuwandeln. Der Schritt sei von dem rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotrich vorangetrieben worden, berichteten israelische Medien. Die betreffenden Wohngebiete seien demnach teils über Jahrzehnte hinweg illegal, ohne formelle Genehmigung des Kabinetts, als Außenposten von Siedlungen gebaut worden.
Das Außenministerium der Palästinensischen Autonomiebehörde verurteilte Medienberichten zufolge die Anerkennung der Siedlungen. Peace Now kritisierte den Schritt als Gefährdung für eine Zwei-Staaten-Lösung in Israel.
Hamas-Behörde: Mehr als 50.000 Gaza-Tote seit Kriegsbeginn
Die Zahl der seit Beginn des Gaza-Krieges vor eineinhalb Jahren im Gazastreifen getöteten Palästinenser stieg nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf mehr als 50.000. Zahlreiche Menschen gelten noch als vermisst. Die Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Internationale Organisationen wie die UN betrachten sie als weitgehend glaubwürdig.
Auslöser des Gaza-Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.