Sie nennen es „das älteste Gesicht Westeuropas“: Ein internationales Team, zu dem Forscher des Frankfurter Senckenberg-Instituts gehören, hat in Spanien entdeckte Gesichtsknochen auf ein Alter von bis zu 1,4 Millionen Jahren datiert. Die Fossilien stammen von der Fundstätte Sima del Elefante in der Sierra de Atapuerca, einem Gebirgszug in der Provinz Burgos. Die Stelle gehört zu den ältesten von Menschen besiedelten Orten Europas. 2007 wurde dort bereits ein etwa 1,2 Millionen Jahre alter Unterkiefer gefunden; laut Senckenberg galt er lange als ältester Beleg für die Existenz früher Menschen in Europa.
Noch primitiver als Homo antecessor
Demnach haben die Knochen des Fossils, dem die Wissenschaftler den Namen „Pink“ gaben, ein Alter zwischen 1,1 und 1,4 Millionen Jahren. „Die detaillierte Analyse hat ergeben, dass ‚Pink‘ nicht zur Frühmenschenart Homo antecessor gehört, die an der benachbarten Fundstätte Gran Dolina identifiziert wurde, sondern zu einem primitiveren Homininen“, erläutert Studienleiterin Rosa Huguet. Homo antecessor weise Merkmale eines moderneren Gesichts auf, ähnlich wie Homo sapiens, mit einer ausgeprägten Nase. „Im Gegensatz dazu sind die Gesichtszüge von ‚Pink‘ primitiver und erinnern an Homo erectus, insbesondere durch die flache und wenig entwickelte Nasenstruktur.“
Aktuell, so Huguet, reichten die Beweise noch nicht aus, um den Fund endgültig zu klassifizieren, deshalb sei er vorläufig Homo affinis erectus genannt worden. „Diese Bezeichnung zeigt die Nähe zu Homo erectus, hält aber offen, ob es sich um eine eigene Art handeln könnte.“ Der nun entdeckte Frühmensch könnte Europa während einer früheren Migrationswelle erreicht haben, lange vor Homo antecessor, dessen Fossilien auf ein Alter von rund 860.000 Jahren datiert werden.
In der Erdschicht, in der „Pink“ entdeckt wurde, finden sich viele Hinweise auf die Anwesenheit von Frühmenschen, etwa Steinwerkzeuge und Tierknochen mit Schnittspuren. Den Forschern zufolge sind die Quarz- und Feuersteinwerkzeuge zwar einfach, deuten aber darauf hin, dass die Homininen sich effizient ernährten und die Ressourcen ihrer Umgebung optimal zu nutzen wussten.