Seit Sonntag ist Papst Franziskus zurück im Vatikan, nach gut fünf Wochen stationärer Behandlung in der Gemelli-Klinik. Aber das ist keine Rückkehr zur Normalität. Denn das 88 Jahre alte Kirchenoberhaupt ist nicht gesund und auch nicht bei Kräften, wie sein kurzer öffentlicher Auftritt auf dem Balkon der Klinik am Sonntagmittag zeigte. Er sitzt im Rollstuhl, ist kurzatmig und geschwächt und kann nur mit großer Mühe einige Worte sprechen.
Die Entscheidung der Ärzte und des Patienten, die Therapie in dessen Wohnung Nummer 201 im vatikanischen Santa-Marta-Gästehaus statt in der „Papstabteilung“ der Klinik im Nordwesten Roms fortzusetzen, sei einmütig gefallen, hießt es. Franziskus habe es „nach Hause“ gedrängt, nachdem die akute Lebensgefahr als Folge einer beidseitigen Lungenentzündung und einer polymikrobiellen Infektion der Atemwege überstanden war. Und die Ärzte fürchteten eine neuerliche Infektion des Patienten mit einem multiresistenten Krankenhauskeim. Die Ärzte verordneten Franziskus zwei weitere Monate Ruhe und die Fortsetzung der Atemwegs- und Bewegungstherapie.
Auch die Versorgung mit Sauerstoff über einen Nasenschlauch wird fortgesetzt. Auf die bis vergangene Woche angewandte nicht-invasive mechanische Beatmung mit einer Maske auf Nase und Mund während der Nachtruhe kann inzwischen verzichtet werden. Künstlich beatmet – etwa mittels Intubation – wurde der Papst nach Angaben der Ärzte aber auch während der Phase der akuten Lebensgefahr nicht. Die Wohnung des Papstes wurde für mögliche Rückfälle des Patienten technisch und personell entsprechend ausgestattet.
Schon im Krankenzimmer der Gemelli-Klinik führte der Papst seine „Amtsgeschäfte“ fort, so gut es ging. Er nahm Ernennungen von Bischöfen und Nuntien vor, nahm Rücktritte (aus Altersgründen) an, verfasste Grußworte, Homilien und Gebetstexte, zuletzt für das Angelusgebet am Sonntag auf dem Petersplatz. Franziskus verfügte von der Klinik aus die Verlängerung der 2021 von ihm angestoßenen Weltsynode um weitere drei Jahre, doch es ist nicht sicher, ob er den Prozess weiter prägen kann und dessen Ende erleben wird.
Doch die persönliche Interaktion mit Menschen – mit ranghohen Gästen aus aller Welt, mit seinen engsten Mitarbeitern im Vatikan und vor allem mit seiner „Herde“ – bleibt für den Oberhirten stark eingeschränkt. Franziskus hat während seines Aufenthalts in der Klinik außer der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni keine politischen Führungspersönlichkeiten empfangen. Aus der Kurie haben nur Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Kardinal Edgar Peña Parra, der Substitut im Staatssekretariat, einige Male mit dem Papst in der Klinik gesprochen.
Auch für die kommenden Wochen werden die Ärzte darauf beharren, dass Franziskus außer dem Pflegepersonal kaum jemanden zu Gesicht bekommt, weil der Patient weiter Ruhe braucht und das Risiko einer Infektion minimiert werden muss.
Einen Stellvertreter gibt es nicht
Eine Teilnahme an den zahlreichen Veranstaltungen im Rahmen des Heiligen Jahres, an der Generalaudienz jeden Mittwoch sowie an Messen im Vatikan bleibt vorerst ausgeschlossen. Ob und in welcher Form Franziskus König Charles III. und Königin Camilla bei deren Besuch im Vatikan am 8. April empfangen wird, ist ungewiss. Auch eine Teilnahme des Papstes an den Gottesdiensten zur Karwoche und an Ostern scheint ausgeschlossen. Die geplante Papstreise in die Türkei Ende Mai – zur Feier von 1700 Jahren Konzil von Nizäa gemeinsam mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. – hat der Vatikan offiziell nie bestätigt, sie dürfte nicht in der Form stattfinden können, wie es Franziskus gewünscht hatte.
Gerüchte über einen möglichen Rücktritt des Papstes haben Parolin und andere enge Vertraute von Franziskus in den vergangenen Tagen immer wieder entschieden zurückgewiesen. Aber wie soll ein Papst weiter sein Amt ausüben, der sich seit rund vier Jahren fast nur noch im Rollstuhl bewegen kann und jetzt auch noch die Stimme verloren hat?
Die Funktion eines Stellvertreters des Papstes oder eines stellvertretenden Gremiums kennt das Kirchenrecht nicht. Und wer garantiert, dass informelle Sprecher des (vorübergehend?) verstummten Papstes wie die Kardinäle Parolin oder Peña Parra auch wirklich dessen Stimme und Willen übermitteln? Könnte der von Franziskus kurz nach Beginn seines Pontifikats vor zwölf Jahren einberufene neunköpfige Kardinalsrat, der den Papst zu notwendigen Reformen in der Kirche beraten sollte, zu einer Art ständigem Krisenkabinett werden? Oder füllen stattdessen das Staatssekretariat und zumal enge Vertraute des Papstes das „Machtvakuum“ im Vatikan – wie es etwa in der langen Dämmerung des Pontifikats von Johannes Paul II. der Fall war?
Ungeachtet seiner Ankündigung, der Weltkirche mit ihren 1,4 Milliarden Gläubigen eine synodale Struktur mit mehr Mitsprache „von unten“ zu geben statt weiterhin hierarchisch „von oben“ durchzuregieren, hat Franziskus Entscheidungen nach einschlägigen Synoden als Alleinherrscher getroffen beziehungsweise verschoben, statt auf das jeweilige „Mehrheitsbild“ bei den Versammlungen von Bischöfen und Laien zu hören.
Auch die von Franziskus angestoßene Finanzreform hat noch nicht zum erhofften Erfolg geführt: Der Vatikan ist klammer denn je, die Pensionszahlungen für die Angestellten des Heiligen Stuhls sind gefährdet. Franziskus mag zwar zurück sein im Vatikan, aber Entscheidungen zu besonders strittigen Fragen – etwa die Öffnung des Weiheamts für Frauen oder die „Lockerung“ des Zölibats“ – dürfte dieser Papst nicht mehr treffen. Und andere im Vatikan können diese Entscheidungen auch nicht fällen. Mit der Rückkehr des alten Papstes in den Vatikan hat die Zeit des Wartens auf den neuen begonnen: eine Art Interregnum.