So muss ein Kapitän auftreten. Joshua Kimmich ist gegen Italien an allen fünf deutschen Toren beteiligt. Dafür bekommt er von allen Seiten Lob.
Fünf Scorerpunkte im Nations-League-Viertelfinale gegen Italien und fast schon eine Omnipräsenz auf dem Spielfeld – Kapitän Joshua Kimmich war in der Länderspielpause einer der herausragenden DFB-Akteure und gehört zu den Hoffnungsträgern für einen WM-Titel in Amerika im Sommer 2026.
Nachdem Kimmich in den Vorjahren nicht immer seine besten Leistungen abrufen konnte und zugleich die ständigen Gerüchte um einen möglichen Abgang vom FC Bayern endlich vom Tisch sind, trumpft der 30-Jährige nun wieder auf und hebt seine Mannschaften damit auf ein anderes Niveau.
Womöglich hat seine neuerliche Leistungsexplosion etwas damit zu tun, dass Kimmich kürzlich seinen Vertrag beim deutschen Rekordmeister bis 2029 verlängert hat und seine sportliche Zukunft endlich geklärt ist. Aber zugleich scheint Kimmich gerade im DFB-Trikot vom taktischen System zu profitieren und in diesem so richtig aufzublühen. Bundestrainer Julian Nagelsmann wählte besonders im Rückspiel gegen Italien am Sonntagabend eine außerordentlich offensive, wenngleich für ihn alles andere als untypische Ausrichtung.
Über Kimmichs Seite stürmte regelmäßig Antonio Rüdiger nach vorn, während Kimmich als nomineller Rechtsverteidiger auch mal in den Halbraum einrückte. Generell hat er gezeigt, dass er sowohl rechts als auch im Mittelfeldzentrum spielen kann. Es geht ohnehin weniger um die Position auf dem Papier als vielmehr um die Ausgestaltung seiner Rolle auf dem Feld. Ist er vornehmlich als offensiver Antreiber und Ballverteiler gefragt, kann er brillieren. Ein Defensivspezialist, zu dem er gefühlt eine Weile gemacht werden sollte, ist Kimmich an sich nicht.
Das zeigen auch seine Statistiken aus den vergangenen zwölf Monaten im Bayern-Trikot. Die Defensivwerte sind okay, die offensiven Zahlen jedoch teils herausragend. So spielt er auf 90 Minuten gesehen im Schnitt etwas mehr als zehn lange Vorwärtspässe ab dem Mittelkreis und gehört damit laut Datenportal FBref.com zum obersten Perzentil unter den Mittelfeldspielern der europäischen Top-5-Ligen und internationalen Klubwettbewerbe.
Mit fast fünf Schussbeteiligungen pro 90 Minuten zählt er auch zu den besten zwei Prozent der Mittelfeldgestalter in Europa. Präzise Flanken von der Rechtsverteidigerposition oder lange Bälle in Richtung beziehungsweise hinter die gegnerische Verteidigungslinie sind Kimmichs Spezialität.
Neben dem Sportlichen spielen in seinem Fall auch Führungsqualitäten eine Rolle. Natürlich kann Kimmichs immenser Ehrgeiz so manches Mal in Verbissenheit übergehen und in Zeiten von Misserfolg fast schon beschwerend wirken. Aber andererseits geht er, wenn er persönlich in Form ist und gute Leistungen abruft, mit größter Entschlossenheit voran – und schießt auch mal einen wichtigen Elfmeter wie gegen Italien am Sonntag. Bei den Bayern braucht er das nicht zu tun, weil der deutsche Rekordmeister einen der Elfmeterexperten schlechthin, nämlich Harry Kane, im Kader hat. Umso beeindruckender, dass Kimmich ohne viel Übung den Strafstoß souverän einnetzen konnte.
In dieser Ära nach Toni Kroos, İlkay Gündoğan, Thomas Müller und Manuel Neuer braucht die DFB-Elf ein, zwei gestandene und unumstrittene Führungskräfte. Rüdiger ist sicherlich prädestiniert, der “Aggressive Leader” zu sein. Um den Rest kümmert sich dem Anschein nach Kimmich. Die hochveranlagten Jamal Musiala und Florian Wirtz sind bei aller fußballerischen Qualität für diese Rollen (noch) nicht geeignet. Kimmich hingegen schon. Erst recht, wenn er Top-Leistungen abruft und somit auch unantastbar wirkt.