OGH mindert Ex-Finanzminister Grassers Haftstrafe

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Der frühere österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser muss eine Haftstrafe von vier Jahren abbüßen. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien am Dienstag festgestellt. Die Höchstrichter halbieren damit die Gefängnisstrafe in dem bisher größten Korruptionsverfahren in Österreichs Nachkriegsgeschichte, welche Grasser im erstinstanzlichen Urteil im Dezember 2020 im Zusammenhang mit der Privatisierung der Bundeswohnbaugesellschaft Buwog auferlegt bekam aufgrund der “exorbitant und unangemessenen Verfahrensdauer. Im erstinstanzlichen Prozess wurde Grasser im Dezember 2020 im Zusammenhang mit der Privatisierung der Bundeswohnbaugesellschaft Buwog zu acht Jahren Haft verurteilt.  Bestätigt wurde aber das erstinstanzliche Urteil über Untreue- und Geschenkannahme. Zusätzlich mildernd gewirkt habe die teilweise mediale Vorverurteilung und die öffentliche Verhöhnung der Angeklagten.  Die Verhängung “gravierend geringerer Strafen” solle aber keinesfalls die Taten bagatellisieren, betonte die Vorsitzende des fünfköpfigen Senats, das Gegenteil sei der Fall. Es handle sich bei den Handlungen der Angeklagten um schwere Korruptionsvergehen mit einer Schadenssumme von fast zehn Millionen Euro. Vor allem mit Grasser ging die Senatsvorsitzende hart ins Gericht. Dass sich ein Finanzminister derart persönlich bereichert habe, sei in Österreich “beispiellos”. Dies hätte man in Österreich nicht verortet und sei dazu geneigt, das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik zu erschüttern.  Bestätigt wurde aber das erstinstanzliche Urteil über Untreue- und Geschenkannahme.

Ursprung für das Verfahren war die Privatisierung von Bundeswohnungen vor gut zwei Jahrzehnten. Vorausgegangen war ein langwieriges Bieterverfahren, an dessen Ende sich das „Österreich-Konsortium“ bestehend aus Immofinanz, Raiffeisen Landesbank Oberösterreich und Wiener Städtischer durchsetzte. Die bis dahin meistbietende CA Immo wurde überraschend um lediglich 1,19 Millionen Euro überboten. Im Zuge dessen leistete die überlegene Immofinanz eine Provisionszahlung von 9,61 Millionen Euro (ein Prozent vom Kaufpreis) an ihren Berater, den Lobbyisten Peter Hochegger.

„Ich war dumm und gierig“

Grasser wurde damals von seinem einstigen Kabinettschef Heinrich Traumüller angelastet, Insiderinformationen über das Vergabeverfahren, insbesondere die Höhe des Konkurrenzangebots der CA Immo, über Hochegger und dessen Geschäftspartner Meischberger an den damaligen Generaldirektor der Immofinanz, Karl Petrikovics, weitergegeben zu haben.

Über Umwege soll die Provision auf verschiedene Konten geflossen und ein Teil davon auch bei Grasser gelandet sein: Etwa 7,7 Millionen Euro soll Hochegger an Meischberger – Grassers Trauzeugen – weitergeleitet haben, der soll wiederum einen Teil davon über ein komplexes Geflecht aus Briefkastenfirmen und Konten im Ausland an den damaligen Minister verschoben haben. Von einem dieser Nutznießer stammt die inzwischen zur Kabarettreife mutierte Frage im Zusammenhang mit einem anderen Honorar „Was war meine Leistung?“.

Während Meischberger im Buwog-Prozess behauptete, er habe den entscheidenden Hinweis für die Immofinanz bezüglich der gebotenen Summe in Eigenregie ermittelt, sagte Hochegger, Grasser habe die nötige Information weitergegeben. „Ich war dumm und gierig“, ließ der einst sehr erfolgreiche PR-Mann über die Motive seiner Verwicklung wissen.

Acht Schuld- und sechs Freisprüche

Hochegger räumte damals ein, er sei von einer strafmildernden Wirkung des Geständnisses ausgegangen – was die Richterin ihm allerdings nicht zugestand. Bereut hat er es eigenen Angaben zufolge aber nicht: „Mir war wichtig, dass ich den Mut hatte, mir einzugestehen, dass ich in dieser Truppe mitgemischt habe. Man kann sich nicht bis an sein Lebensende selbst belügen.“

Der Hauptangeklagte Grasser nannte die erstinstanzliche Verurteilung durch den Schöffensenat ein „politisches Urteil“: „Sie sehen mich traurig und schockiert. Dieses Urteil sprengt alles, was ich mir vorstellen konnte.“ Mehr als ein Jahr nach der Urteilsverkündung durch Richterin Marion Hohenecker erging das schriftliche Urteil. Die Rechtsanwälte bekamen ihrerseits ein Jahr Zeit zum Einbringen ihrer Rechtsmittel. Die Angeklagten – abgesehen von Hochegger – haben die Vorwürfe stets bestritten. Insgesamt umfasste das erstinstanzliche Urteil acht Schuld- und sechs Freisprüche.

Angeklagte sprechen von Befangenheit

Der ehemalige Schatzmeister sieht sich zu Unrecht verfolgt von Medien und der Justiz. Er habe „nichts Unrechtes getan“, „habe ein reines Gewissen“ und könne sich „in den Spiegel schauen“, sagte Grasser am Freitagnachmittag. „Dieses Verfahren ist für mich zur Höchststrafe geworden“, führte der einstige Liebling des Mitte-Rechts-Koalition aus Konservativen und Freiheitlichen vor dem fünfköpfigen Richtersenat des OGH weiter aus. Erstrichterin Marion Hohenecker sei befangen gewesen und habe ein Fehlurteil gefällt. Das hat der OGH zurückgewiesen. Gleichwohl hat er den Ehemann der Richterin – ebenfalls ein Richter  gerügt, der seine Meinung über Twitter kundgetan hat.

Eine entscheidende Rolle in dem Verfahren nahm die Generalprokuratur ein. Sie berät den OGH – ihrer Rechtsansicht haben die Höchstrichter im Falle des Untreuevorwurfs gefolgt.

Auch Grassers Mitangeklagter, der Lobbyist und auch Grassers Trauzeuge Walter Meischberger, beteuerte seine Unschuld. Er habe nie das Gefühl gehabt, „irgendetwas verbrochen“ zu haben. Dieses Verfahren sei immer „politisch motiviert“ gewesen. Er habe dadurch „alles verloren“. Die Haftstrafen müssen zeitnah angetreten werden, eine von Grasser angekündigte Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat keine aufschiebende Wirkung.