Wie mit Trumps Gesandtem Putins Spiel aufgeht

3

Steve Witkoff war noch bis vor Kurzem kaum einem Amerikaner bekannt. Nun ist er als amerikanischer Sondergesandter Donald Trumps wichtigster Diplomat. Erst handelte er die zwischenzeitliche Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas aus. Dann vereinbarte er einen Gefangenenaustausch zwischen Moskau und Washington. Wenig wusste man bisher darüber, wie der langjährige Freund Trumps aus gemeinsamen Tagen in der New Yorker Immobilienszene politisch denkt. Jetzt hat er über seine mehrstündigen Gespräche mit Wladimir Putin im Kreml berichtet. Kritiker sehen sich in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

Schon vor dem ersten Telefonat Trumps mit dem russischen Machthaber hatte John Bolton, der frühere Nationale Sicherheitsberater des Republikaners, davor gewarnt, dass Putin ganz in KGB-Manier Trump schmeicheln und ihn manipulieren werde. Witkoff hat dies nun unfreiwillig bestätigt. Nach einem Podcast-Gespräch mit dem einstigen Fox-News-Moderator und Putin-Verehrer Tucker Carlson stellt sich die Frage: Geht er Putin auf den Leim? Oder hat er andere Gründe, dessen Narrativ zu folgen? In die Materie des Ukraine-Konfliktes vertieft hat Witkoff sich eindeutig nicht. Er war noch nicht einmal in der Lage, die besetzten Gebiete in der Ostukraine zu benennen.

Kein Wort zu den manipulierten Abstimmungen

Das größte Thema in den Gesprächen mit Moskau und Kiew seien „diese sogenannten vier Regionen“, sagte Witkoff in dem Podcast. Er versuchte, sie aufzuzählen: der Donbass, die Krim. Witkoff kam dann aber nicht weiter und wandte sich an Carlson: „Sie kennen die Namen“. Carlson half aus: Luhansk. „Ja, Luhansk“, sagte Witkoff und fügte hinzu: „Und es gibt noch zwei andere.“ Neben den Oblasten Donezk und Luhansk, beide im Donbass gelegen, hat Russland auch die Oblaste Cherson und Saporischschja sowie die Halbinsel Krim annektiert. Mit Ausnahme von Luhansk und der Krim kontrolliert Russland die Gebiete jedoch nicht vollständig.

Witkoff fuhr fort: Die Gebiete seien russischsprachig. „Und es gab Referenden, in denen eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung geäußert hat, dass sie unter russischer Herrschaft sein wolle.“ Zu der illegalen Annexion und zu den manipulierten Abstimmungen verlor er kein Wort.

Der Territorialkonflikt in den vier Regionen müsse zunächst gelöst werden, sagte er dann. Dieser sei der Elefant im Raum. Es gebe Verfassungsfragen für die Ukraine mit Blick auf die Abtretung von Gebieten, über die Russland die faktische Kontrolle habe. Die Frage sei auch, ob die Staatengemeinschaft Gebietsabtretungen anerkennen werde. Und: Wird Selenskyj es politisch überleben? Das sei der zentrale Konflikt.

Dann sei da noch die Frage einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine: Er, Witkoff, glaube, Selenskyj habe weitgehend eingestanden, dass sein Land nicht Mitglied der Allianz werde. Diskutiert werde noch darüber, ob Kiew eine Art Artikel-5-Schutz ohne Mitgliedschaft erhalte. Was Witkoff meint, sind Sicherheitsgarantien der Vereinigten Staaten oder europäischer Länder. Über etwaige Zugeständnisse Moskaus sprach er nicht.

Witkoff zeigte sich von Putin beeindruckt

Der 68 Jahre alte Immobilieninvestor, der bislang über keinerlei Erfahrung in der internationalen Politik verfügte, zeigte sich sichtlich beeindruckt von seinen beiden Begegnungen mit Putin, die jeweils etwa dreieinhalb Stunden dauerten. Er habe ihn sympathisch gefunden, sagte Witkoff, auch wenn er für die Bemerkung an den Pranger gestellt werde. Gegen Putin liegt schließlich ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen vor. Er habe den Eindruck gehabt, dass Putin aufrichtig mit ihm gewesen sei. Und überhaupt: Wie sonst könne man einen Konflikt lösen mit dem Staatschef einer Atommacht, ohne dass man Vertrauen herstelle? Putin habe ihm gesagt: „Steve, wissen Sie, dass ich dreieinhalb Jahre nicht mit Joe Biden gesprochen habe?“

Witkoff sagte, Trump habe ihn beauftragt, Putin zu signalisieren, der US-Präsident wolle wieder an die guten Beziehungen zu ihm anknüpfen, die es in seiner ersten Amtszeit gegeben habe. Er, Putin, wisse, dass es für Trump gegenwärtig schwierig sei, nach Russland zu reisen. Aber er, Witkoff, glaube, in den kommenden Monaten würden sich beide Präsidenten treffen.

Bei seiner zweiten Begegnung mit Putin vor zwei Wochen sei es dann persönlich geworden, so Witkoff. Der russische Präsident habe bei einem führenden russischen Künstler ein schönes Porträt von Trump in Auftrag gegeben und ihn, Witkoff, gebeten, es Trump zu überreichen. Das sei ein herzlicher Moment gewesen. Auch habe Putin ihm erzählt, dass er nach dem Attentat auf Trump im vergangenen Sommer in Butler in Pennsylvania für den Republikaner gebetet habe. Nicht etwa, weil er wieder für das Weiße Haus kandidierte, sondern wegen der Freundschaft zu ihm. „Er hat für seinen Freund gebetet“, sagte Witkoff.

Eine Mischung aus Blauäugigkeit und Apologetik

Als er später Trump das Bild überreicht und ihm von der Begegnung mit Putin berichtet habe, sei der US-Präsident gerührt gewesen. Seine Gespräche im Kreml hätten die Verbindung zwischen Trump und Putin wiederhergestellt, erklärte Witkoff. Einfach durch Unterhaltungen, über die viele Leute sagten, er hätte sie nicht führen sollen, da Putin ein Schurke sei. Er halte ihn aber nicht für einen Schurken. „Das ist eine komplizierte Situation, dieser Krieg, und all die Zutaten, die dazu geführt haben. Wissen Sie, es geht nie nur um eine Person, richtig?“ Das sollte heißen: Putin trage nicht die alleinige Verantwortung.

Witkoff wurde am Wochenende im Sender Fox News auf seine Äußerungen in dem Podcast angesprochen. Er wiederholte, er glaube, Putin wolle Frieden. Warum er denke, dass der russische Machthaber nicht weitergehe, wenn er jetzt für seine Invasion eine Art Belohnung erhalte, wurde Witkoff gefragt. Er entgegnete: Putin gehe es um die Ostukraine. Er, Witkoff, sehe nicht, dass Putin ganz Europa einnehmen wolle. Und: „Ich nehme ihn beim Wort.“

Witkoffs Äußerungen, die eine Mischung aus Blauäugigkeit und Apologetik offenbaren, nähren Berichte über Friktionen zwischen dem Sondergesandten, der im Nationalen Sicherheitsrat im Weißen Haus angesiedelt ist, und Außenminister Marco Rubio. Berichte, die beide freilich dementieren. Rubio war kürzlich gefragt worden, ob er Putin vertraue. Er erwiderte, das sei irrelevant. Es gehe nicht um Vertrauen, sondern um Handeln. Man könne nicht einfach sagen, man wolle Frieden – man müsse auch so handeln. Hier gehe es nicht um Persönlichkeit, es handle sich nicht um eine Reality-Show. In der Außenpolitik gehe es um Taten.

Der Sender CNN berichtete kürzlich, Rubio sei frustriert darüber, dass Witkoff ihm die Rolle als Chefdiplomat streitig mache. Zwar habe Rubio gewusst, dass es nicht leicht sein werde, für Trump das State Department zu leiten. Witkoff habe er aber nicht auf der Rechnung gehabt. Auch westliche Diplomaten, die ihre Hoffnung in Rubio gesetzt hatten, beobachten seit Wochen, dass dessen Spielraum sehr begrenzt ist.

Witkoff scheint strategisches Denken fremd zu sein. Er betreibt Diplomatie als „Dealmaker“ – von Mann zu Mann. Putin kann sein Glück wohl kaum fassen, weil Witkoff es ihm ermöglicht, Trump zu manipulieren. Putin spiele mit Trump wie mit einer Geige, sagte ein demokratischer Abgeordneter am Montag dazu.

Rubio wies den CNN-Bericht als „Anti-Trump-Tratsch“ zurück. Witkoff sei einer der Leute, mit denen er am engsten zusammenarbeite. Auch Witkoff selbst sah sich genötigt, die Angelegenheit zu kommentieren: Was berichtet wurde, sei nicht wahr. Ein wenig gönnerhaft fügte er hinzu: Die Wahrheit sei, dass Marco Rubio ein hervorragender Außenminister sei. Man arbeitete in vollständiger Abstimmung zusammen.