Chinesische Drohnen für Russland: Händler liefern trotz Exportkontrollen

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Im Ukraine-Krieg setzen beide Seiten vermehrt auf günstige Hobbydrohnen aus China, die mit Sprengsätzen zu Kamikaze-Waffen werden. Sie gelangen oft auf verschlungenen Wegen an die Front.

Russland zerstörte im November diesen ukrainischen Kleinbus nahe der Stadt Bachmut mit einer Drohne.

Russland zerstörte im November diesen ukrainischen Kleinbus nahe der Stadt Bachmut mit einer Drohne.

Shandyba Mykyta / AP

Der chinesische Drohnenhersteller Harwar zeigte im November an der High-Tech-Messe CHTF in Shenzhen seine «Weltpremiere». Die Kampfdrohne H16-V12, ein massives Gerät mit zwölf Rotoren, soll so viele Funktionen vereinen wie keine andere. Sie fliegt weitgehend automatisch, erkennt Hindernisse auf bis zu 200 Meter und kann zwei Granatwerfer sowie ein Geschoss tragen. Neben den Navigationssystemen Beidou und GPS nutze sie auch das russische Glonass, hiess es im Produktblatt.

Ein Vertriebsmitarbeiter sagte auf Nachfrage, trotz dem Ukraine-Krieg könnten auch Russen solche Drohnen kaufen. Um die Drohnen durch den chinesischen Zoll zu bekommen, müssten sie in Einzelteile zerlegt und in mehreren Sendungen verschifft werden. Ausgenommen seien militärische Teile, ihr Export sei verboten. Im Zielland müsse der Kunde die Drohne selbst wieder zusammenbauen.

DJI-Drohnen dienen als Kamikaze-Waffen

China und insbesondere Shenzhen, wo Harwar seinen Sitz hat, sind weltweit führend bei der Entwicklung und Produktion von Drohnen. Der Shenzhener Hersteller DJI dominiert den Markt für zivile Drohnen. DJI-Drohnen werden seit Beginn von Russlands Angriff auf die Ukraine auf beiden Seiten eingesetzt – zur Luftaufklärung, aber auch als modifizierte Kamikaze-Drohnen, die sich mit einem montierten Sprengsatz auf ihr Ziel stürzen.

DJI beendete nach Vorwürfen der ukrainischen Regierung, die Firma unterstütze Russland, seine Geschäfte in beiden Ländern offiziell im April 2022. Trotzdem gelangen DJI- und andere chinesische Drohnen weiterhin massenweise nach Russland und in die Ukraine.

Und es könnten noch mehr werden: Weil Russland nach ukrainischen Angaben mittlerweile sehr viel mehr Drohnen im Krieg einsetzt als die Ukraine, kündigte Kiew kurz vor Weihnachten an, 2024 eine Million Drohnen zu produzieren. Die Teile für solche lokale Produktion kommen laut Medienberichten häufig auf verschlungenen Wegen aus China.

Der Shenzhener Drohnenhersteller Harwar beteuert bei einem Firmenbesuch, er verkaufe bis anhin nur in China, etwa an das Militär und Sicherheitsbehörden. Im Februar wolle die Firma ein Team für den Export aufbauen, sagt der Chef Wang Jie. «Es klopfen viele Kunden aus Russland an unsere Tür.» Wang schliesst nicht aus, künftig an sie zu verkaufen. Aber er fürchtet, dann nicht in den Westen exportieren zu können.

Im September erliess China temporäre Exportkontrollen für zivile Drohnen, die auch militärisch genutzt werden können. Exporteure benötigen seitdem eine Lizenz. Das wurde weithin als Antwort auf die Kritik der USA gesehen, Peking unterstütze seinen «strategischen Partner» Moskau mit dem Export von Technologiegütern, die Russland wegen westlicher Sanktionen sonst verwehrt bleiben.

China beliefert kaum die Ukraine – Russland schon

Tatsächlich hat China seit dem Beginn des Krieges laut Zolldaten des Uno-Portals Comtrade viel mehr Drohnen nach Russland geliefert als in die Ukraine. Im Jahr 2022, als der Krieg begann, erhielt Russland offiziell Drohnen im Wert von knapp 23 Millionen US-Dollar. Die Ukraine bekam nur Drohnen im Wert von weniger als einer Million US-Dollar – und die Lieferungen endeten im Februar, als Russlands Überfall begann.

Auch 2023 erhielt Russland allein im Januar Drohnen im Wert von gut 7 Millionen US-Dollar. Seitdem ist das Volumen offiziell stetig gefallen, auf nur noch 80 000 US-Dollar im September, als die Exportkontrollen begannen. Neuere Zahlen gibt es noch nicht.

Diese internationalen Zolldaten sind aber offensichtlich nur die Spitze des Eisberges. Tatsächlich kaufte Russland allein in der ersten Jahreshälfte chinesische Drohnen im Wert von rund 100 Millionen US-Dollar, wie das amerikanische Portal «Politico» recherchierte. Dieser Wert ergibt sich aus offiziellen Produktdeklarationen in einer russischen Datenbank für Importeure.

Auch die Ukraine erhielt in diesem Zeitraum über Zwischenhändler chinesische Drohnen und Drohnenteile im Wert von mehreren Millionen US-Dollar, wie die «New York Times» im September berichtete.

Im Dezember erweiterte China mit sofortiger Wirkung seine Exportkontrollen. Es setzte Drohnentechnologien wie Flugkontrollsysteme und Sensoren auf eine Liste von Gütern, die nur eingeschränkt exportiert werden dürfen.

Die Erweiterung der Liste umfasst auch andere Technologien etwa aus den Bereichen Agrar und Genetik, deren Export teilweise komplett verboten ist. Die Regierung begründete die Restriktionen unter anderem mit der nationalen Sicherheit, dem Schutz der menschlichen Gesundheit sowie mit Verpflichtungen durch internationale Verträge.

Drohnenteile werden falsch deklariert oder versteckt

Es wird sich zeigen, wie restriktiv China den Export von Drohnentechnologie nach Russland tatsächlich handhaben wird – und ob findige Händler weiterhin kreative Umwege finden werden. Denn nach NZZ-Informationen aus der Industrie sind trotz den Exportkontrollen vom September weiterhin massenhaft chinesische Drohnen nach Russland gelangt.

Kleinere Lieferungen liessen sich in Lastwagen unter unverdächtiger Ware wie Spielzeug verstecken, heisst es. Grössere Lieferungen in Schiffscontainern würden falsch deklariert. Zum Beispiel würden Drohnenmotoren als Turbinenmotoren ausgewiesen.

Die Geschäfte scheinen weiterhin sehr gut zu laufen. Ein chinesischer Hersteller von Hobbydrohnen soll kürzlich über eine Drittfirma eine grosse Bestellung aus Russland erhalten haben: Hunderttausende Drohnen, zu liefern in den nächsten eineinhalb Jahren. Sie sollen offenbar als Kamikaze-Drohnen gegen die Ukraine eingesetzt werden.