In Donald Trumps Verhandlungen mit Kiew und Moskau fällt ein gravierender Unterschied auf: Während der amerikanische Präsident gegenüber Wolodymyr Selenskyj längst ohne zu zögern sein schärfstes Druckmittel, die Militärhilfe, eingesetzt hat, um Demutsgesten zu erzwingen, hat er mögliche Hebel, die den Kreml beeinflussen könnten, bisher nur vage umrissen. Er könne „finanziell“ Dinge tun, die „sehr schlecht“ wären für Russland, hat Trump gesagt, hat mit Zöllen und „groß angelegten Sanktionen“ gedroht, bis ein Waffenstillstand erreicht sei. Welche Sanktionen das sein sollen, erläuterte er nicht.
Bisher sieht es ohnehin nicht so aus, als wollte Trump wirklich Druck auf Wladimir Putin ausüben. Andererseits gibt es keine umfassenden, neuen Wirtschaftsmaßnahmen mehr, die Washington gegenüber Moskau ergreifen könnte. Auch von Trumps Idee, Russland mit einem niedrigen Ölpreis in die Knie zu zwingen, ist schon länger keine Rede mehr. Denn ein solcher könnte für die amerikanischen Produzenten schneller zum Problem werden als für die russischen: Trumps geplante Steigerung der heimischen Förderung gilt nur bei einem Ölpreis von rund 70 Dollar je Barrel als umsetzbar. In Russland aber würde die Produktion erst langsam abnehmen, wenn für ein Fass monatelang weniger als 40 Dollar gezahlt werden müsste.
Im Prinzip ist der Impuls richtig, noch einmal beim Öl nachzuhaken, wenn man Russlands Wirtschaft treffen will. Anders als das Gas, dessen Export stark zurückgegangen ist und das auch zuvor weniger lukrativ war, bringt der Öl-Export dem Land noch immer genug Geld ein, um Putins Krieg weiterzuführen.
Jenseits des Öls ist ebenfalls noch Spielraum
Es gäbe durchaus Mittel, diese Einnahmen zu schmälern, ohne den Weltmarkt ins Chaos zu stürzen. Allen voran könnte der Ölpreisdeckel durch schärfere Kontrollen besser durchgesetzt werden. Weitere Tanker der russischen Schattenflotte könnten sanktioniert werden; denkbar sind auch Sekundärmaßnahmen gegen indische und chinesische Häfen, die den Preisdeckel umgehen.
Jenseits des Öls ist ebenfalls noch Spielraum. Der Westen könnte den Kapitalabfluss aus Russland verstärken, indem Schranken für russisches Geld aufgehoben würden und Oligarchen die Möglichkeit bekämen, durch eine Distanzierung vom Kreml Sanktionen loszuwerden. Würden russische Kriegsflüchtlinge angeworben, könnte das Russlands „brain drain“ und Arbeitskräftemangel verschärfen.
Doch alle diese Maßnahmen sind Verfeinerungen bestehender Sanktionen, keine großen Würfe, die Trump in seinem Netzwerk „Truth Social“ in Versalien als Wendepunkt verkaufen könnte. Auch Zölle hätten kaum Wirkung, da der Handel zwischen Amerika und Russland auf unbedeutende 3,5 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr geschrumpft ist.
Daraus den Schluss zu ziehen, dass die Sanktionen zurückgenommen werden sollten, um Putin ein Zuckerbrot hinzuhalten, wäre falsch. Gerade erst beginnt sich die über drei Jahre aufgebaute Wirkung der Maßnahmen zu zeigen. Sie sind ein Grund von mehreren, die heute die russische Wirtschaft an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit bringen – etwa indem sie die Inflation befeuern.
Unter den hohen Leitzinsen leiden vor allem zivile Branchen. Weil zudem überall Arbeitskräfte fehlen, gerät sogar im Rüstungssektor das Wachstum ins Stocken; die Wirtschaft steuert auf eine Stagflation zu. Ein Anziehen der Sanktionsschrauben könnte diese Tendenz verstärken.
Kein „Wandel durch Handel“
Doch es ist ein langsam wirkendes Gift. Ob es bei Putin Wirkung erzielt, ist fraglich. Zumindest in diesem Jahr hat er genügend finanziellen Spielraum, um weiterzumachen wie bisher. Dank Repression und Propaganda sind Proteste wegen teurer Butter und Medikamente nicht in Sicht. Ein Aufweichen der Sanktionen wäre daher aus Putins Sicht wirtschaftlich nicht unbedingt notwendig, politisch aber ein Riesenerfolg.
So versucht er, darauf hinzuarbeiten, indem er Trump etwa mit der Aussicht auf gemeinsame Wirtschaftsprojekte umgarnt. Doch welches Unternehmen sollte Milliarden in die Förderung Seltener Erden in Russland investieren mit dem Risiko, das nach Trump auch die Sanktionen zurückkommen könnten? Ähnliches gilt für die laut Moskau angeblich bevorstehende Rückkehr westlicher Konzerne.
Dass der Ansatz „Wandel durch Handel“ mit Putin nicht funktioniert, hat er selbst eindrücklich belegt. Will Trump nicht zu dem effektivsten Hebel gegenüber Moskau greifen – einer Ausweitung der Militärhilfe an die Ukraine –, bleiben ihm nur die Sanktionen. Für kurzfristige Erfolge sind sie nicht das richtige Mittel. Aber unterschätzen sollte man sie deshalb nicht.