Juan Benet: Eine Fabel
Und Gott versuchte Abraham und sprach zu ihm: „Abraham.“ Er antwortete: „Hier bin ich.“ Gott sprach: „Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Morija und bring ihn dort auf einem der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar.“ Frühmorgens stand Abraham auf, sattelte seinen Esel, holte seine beiden Jungknechte und seinen Sohn Isaak, spaltete Holz zum Opfer und machte sich auf den Weg zu dem Ort, den ihm Gott genannt hatte. Als Abraham am dritten Tag aufblickte, sah er den Ort von Weitem. Da sagte Abraham zu seinen Jungknechten: „Bleibt mit dem Esel hier! Ich will mit dem Knaben hingehen und anbeten; dann kommen wir zu euch zurück.“
Abraham nahm das Holz für das Brandopfer und lud es seinem Sohn Isaak auf. Er selbst nahm das Feuer und das Messer in die Hand. So gingen beide miteinander.
Nach einer Weile sagte Isaak zu seinem Vater Abraham: „Vater!“ Er antwortete: „Ja, mein Sohn!“ Dann sagte Isaak: „Hier ist Feuer und Holz. Wo aber ist das Lamm für das Brandopfer?“ Abraham entgegnete: „Gott wird sich das Opferlamm aussuchen, mein Sohn.“
Und beide gingen miteinander weiter.
Als sie an den Ort kamen, den ihm Gott genannt hatte, baute Abraham den Altar, schichtete das Holz auf, fesselte seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz.
Schon streckte Abraham seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten.
Und mit der ausgestreckten Hand, die das Messer gut umfasst hielt, schaute Abraham aus dem Augenwinkel, um zu sehen, ob der Engel des Herrn kam und sein Ruf vom Himmel erscholl. Denn Abraham kannte seine eigene Geschichte sehr gut, die das auserwählte Volk von Generation zu Generation wiederholt hatte, und er wusste genau, dass der Engel des Herrn kommen und sein Ruf am Himmel erschallen musste. Und mit der ausgestreckten Hand und dem Messer in der Luft schaute Abraham aus dem Augenwinkel, und er sah den Engel des Herrn nicht, und sein Ruf erscholl nicht am Himmel.
Dann erhob Abraham erneut seine Hand und nahm das Messer und schlachtete einen Widder, den er zuvor in einem Dornbusch verborgen hatte, im Gestrüpp mit seinen Hörnern verfangen. Und Abraham ging hin und band seinen Sohn los, und er nahm den Widder und opferte ihn als Brandopfer an seines Sohnes statt.
Dann sprach Isaak zu Abraham, seinem Vater, und sagte: „Mein Vater.“ Und Abraham antwortete: „Hier bin ich, mein Sohn.“ Und Isaak sprach und sagte: „Der Engel des Herrn ist also nicht mit am Himmel erschallendem Ruf gekommen, um den Widder zu bringen. Wirst du nun das tun, was der Herr nicht getan hat? Hast du vor, den Herrn zu täuschen und an seine Stelle zu treten, wenn er nicht erfüllt, was geschrieben steht?“
Und Abraham sprach: „Und muss ich denn wohl Erklärungen dafür geben, dass wir, du und ich, ein Stück Widderfleisch essen como Dios manda?“