Koalitionsverhandlungen: Habecks Industriepolitik bleibt

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Während die Arbeitsgruppen von CDU/CSU und SPD zu den Themen Migration und Finanzen etliche strittige Punkte an die Chefs überwiesen haben, ist man sich zur Ausrichtung der Wirtschaftspolitik bereits in vielem einig. Das gilt allen voran für den „Deutschlandsfonds“, der im Wahlprogramm der SPD stand. Zehn Milliarden Euro soll der Bund laut dem Abschlusspapier mindestens bereitstellen, um Finanzierungslücken von Start-ups und Mittelständlern zu schließen. Zusammen mit privatem Kapital wollen Union und Sozialdemokraten den Fonds auf ein Volumen von 100 Milliarden Euro „hebeln“. Man verbinde „die Kraft der privaten Finanzmärkte mit dem langfristig strategischen Vorgehen des Investors Staat“, heißt es.

In weiten Teilen liest sich das Papier der Arbeitsgruppe wie die Fortsetzung der Politik von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und seines Vorgängers Peter Altmaier (CDU), die beide staatlicher Industriepolitik einen hohen Stellenwert beimaßen. Die Förderung von Chip- und Batteriefabriken soll trotz der Rückschläge bei Intel und Northvolt fortgeführt werden. Gleiches gilt für die von Habeck eingeführten Klimaschutzverträge, mit denen der Staat den Unternehmen die Mehrkosten einer CO2-sparenden Produktionsweise ersetzt. Zum Erreichen der Klimaziele sollen ferner sogenannte Leitmärkte beitragen, auf denen der Staat definiert, wie viel klimafreundlich erzeugter Stahl beispielsweise beim Bau einer Brücke verwendet werden muss. Die unter Altmaier geschaffene Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) soll gestärkt werden und auch Innovationen im Verteidigungsbereich fördern.

Werkeln am Strompreis

Die Arbeitsgruppe Energie hat sich zudem auf einen Industriestrompreis geeinigt. Einen solchen staatlich subventionierten Maximaltarif für energieintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb hatte Habeck schon 2023 vorgeschlagen – sechs Cent je Kilowattstunde. Union und SPD nennen in dem Papier keine Zahl. Sie wollen die „besondere Entlastung“ auf energieintensive Betriebe beschränken, deren Stromkosten „anderweitig“ nicht zu senken seien. Das bezieht sich auf die Ankündigung, die sogenannte Strompreiskompensation zu verlängern und auf weitere Branchen auszuweiten. Dabei übernimmt der Staat Teile der im Strompreis enthaltenen Kosten für den CO2-Ausstoß.

Generell sollen Wirtschaft und Privathaushalte „dauerhaft um mindestens fünf Cent je Kilowattstunde“ entlasten werden. Der Durchschnittsstrompreis für Haushalte beträgt dem Energieverband BDEW zufolge derzeit 39,80 Cent je Kilowattstunde. Die Industrie zahlt für Neuabschlüsse derzeit im Schnitt 18,75 Cent. Die Stromsteuer ist bereits auf das europäische Mindestmaß gesunken – was Schwarz-Rot lediglich verstetigen möchten. Die Erneuerbare-Energien-Umlage (EEG) verschwand 2023 von der Stromrechnung und wurde zuletzt aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert. Die Senkung des Strompreises muss daher anders erfolgen. Geplant ist eine Senkung der verbliebenen Umlagen, etwa jener zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Anders als im Sondierungspapier ist hinsichtlich der Netzentgelte nicht mehr von einer Halbierung die Rede, sondern nur von einer Verringerung.

Punkte der Uneinigkeit

Die Klimaziele sollen nach den Vorstellungen der Arbeitsgruppe Wirtschaft auch dadurch erreicht werden, dass in der Industrie CO2 abgeschieden und gespeichert wird. Diese CCS genannte Technik soll explizit auch der Stahlindustrie offenstehen. Für den Kohleausstieg soll es bei dem ursprünglich von der Kohlekommission vereinbarten Zieldatum 2038 bleiben statt des zu Ampelzeiten genannten Jahrs 2030.

Wie es mit der Autoindustrie weitergehen soll, blieb in der Arbeitsgruppe strittig. Während die Unionsseite für die Abschaffung des Zulassungsverbots für neue Verbrenner 2035 sowie ein Ende der Flottengrenzwerte plädiert, will die SPD an beidem festhalten. Die SPD wiederum möchte eine neue Kaufprämie für Elek­troautos, die Union nicht. Das politisch erwünschte „De-Risking“ der deutschen Wirtschaft von China soll eine Expertenkommission jährlich überprüfen. Zur Senkung von Abhängigkeiten soll zudem der staatliche Rohstofffonds gestärkt werden. Insgesamt setzt sich Schwarz-Rot das Ziel, „das Potenzialwachstum wieder auf deutlich über ein Prozent zu erhöhen“. Die Zahl benennt, in welchem Umfang eine Volkswirtschaft bei normaler Auslastung der Kapazitäten wachsen könnte. Der Sachverständigenrat hatte das Potentialwachstum Deutschlands zuletzt mit 0,3 bis 0,5 Prozent beziffert.