Google bringt KI-Suchfunktion AI Overviews in die Schweiz

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Ein Jahr nach dem Start in den USA bringt Google seine neue KI-Suchfunktion nach Europa. Es ist ein Versuch, weniger Marktanteil an KI-Chatbots zu verlieren. Die Folgen für Nachrichtenplattformen und Unternehmen könnten fatal sein.

Google führt die grösste Veränderung seiner Suchmaschine seit Jahren ein.

Google führt die grösste Veränderung seiner Suchmaschine seit Jahren ein.

Annegret Hilse / Reuters

Wer ab Mittwochmorgen in der Schweiz, in Deutschland und in sieben weiteren Ländern Europas googelt, dürfte stutzen. Die weltgrösste Suchmaschine präsentiert ihre Resultate in einer sogenannten «Übersicht mit KI». Die Google-KI liefert dabei ausformulierte Antworten auf die Suchanfragen von Nutzern.

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Ein Beispiel: Wer googelt «Wie reinige ich am besten einen Kinderautositz?», sieht nicht nur eine Auflistung diverser Websites, die man für Antworten durchklicken muss. Neuerdings generiert die KI einen kurzen Text, in dem sie die Waschanleitung erklärt. Hinter jedem Satz steht ein Link, falls man verifizieren möchte, auf welche Quellen sich die KI stützt.

Google präsentiert die Ergebnisse auf bestimmte Suchanfragen künftig gänzlich neu.

Google präsentiert die Ergebnisse auf bestimmte Suchanfragen künftig gänzlich neu.

PD

Es ist die weitreichendste Änderung der Suchmaschine seit langem, die zehn Monate nach ihrem Start in den USA auch Europa erreicht. In der Schweiz steht die neue Suchfunktion in drei Landessprachen sowie in Englisch zur Verfügung.

KI-Chatbots setzen Googles Suche unter Druck

Diese Änderung dürfte auch in Europa grosse Auswirkungen auf das Geschäft mit Suchanfragen haben. Mit einem Marktanteil von rund 87 Prozent in der Schweiz und 90 Prozent global ist Google der Platzhirsch der digitalen Suchmaschinen.

Doch Googles 25 Jahre altes Geschäftsmodell ist enorm unter Druck geraten. Mehr und mehr Nutzer stellen ihre Fragen Chat-GPT, Claude und anderen künstlich intelligenten Chatbots, statt zu «googeln». Gemäss einer im Februar veröffentlichen Studie von Vox Media gaben 42 Prozent der befragten Internetnutzer an, dass traditionelle Suchmaschinen wie Google immer weniger nützlich seien. Vor allem jüngere Nutzergruppen verwenden deutlich häufiger KI-Chatbots als Google.

Insbesondere Chat-GPT ist auf dem Vormarsch: Der Chatbot dürfte im laufenden Jahr einen Marktanteil von 1 Prozent erreichen. Das ist beachtlich, schliesslich hat selbst Bing, die Microsoft-Suchmaschine und weltweite Nummer zwei im Markt für Suchanfragen, nach 16 Jahren nur etwa 4 Prozent Marktanteil (in der Schweiz ist Bings Marktanteil mit knapp 8 Prozent etwas höher).

Solche Zahlen machen Google nervös, die Suchfunktion ist das Herz des gesamten Tech-Konzerns; «Google Search» allein steuerte im vergangenen Quartal 54 Milliarden Dollar beziehungsweise 56 Prozent zum Umsatz bei. So gesehen sind die KI-Übersichten Googles Versuch, die neue Chatbot-Konkurrenz aufzuhalten – ohne das traditionelle Geschäft mit Suchanfragen und Anzeigen ganz zu untergraben.

Die Änderung dürfte sich auch auf den Werbemarkt auswirken. Schliesslich erscheinen die KI-Übersichten nun genau dort, wo sonst gesponserte Suchresultate stehen. Nach wie vor könnten Werbekunden Anzeigen schalten, sagte Elizabeth Reid, die für die Google-Suche verantwortliche Managerin, in einem Telefonat mit Journalisten am Dienstag. Auch in den KI-generierten Antworten würden bisweilen einzelne Produkte empfohlen, und es sei nach wie vor möglich, dass auch europäische Werbekunden Anzeigen schalteten, sagte Reid.

Nutzer klicken seltener auf weiterführende Links

Die neue Funktion wird sich auch auf den Internet-Traffic auswirken, denn Millionen von Unternehmen, Nachrichtenplattformen und Bloggern beziehen über Google Klicks. Mit sogenannter Search Engine Optimization (SEO) versuchen diese seit Jahren, ihre Websites so anzupassen, dass sie möglichst weit oben in Googles Suchergebnissen auftauchen, um mehr Nutzer auf ihre Websites zu bringen. Für viele ist Google gar das wichtigste Eingangsportal.

Doch je besser künftig die Antworten der KI-Übersichten werden, desto weniger müssen Nutzer noch auf die Websites von Dritten zugreifen. Das belegte eine im Februar veröffentlichte Studie der Firma Tollbit: Wenn Antworten in Form einer KI-Übersicht präsentiert werden, folgen Nutzer 91 Prozent seltener den weiterführenden Links als Nutzer, denen eine traditionelle Google-Liste mit Links präsentiert wurde. Bei KI-Chatbots ist die sogenannte Click-through-Rate sogar noch schlechter. Nutzer klicken nämlich 96 Prozent seltener auf weiterführende Links.

Die KI basiert auf Googles Sprachmodell Gemini 2.0. Ein Algorithmus entscheide im Einzelfall, ob auf eine Suchanfrage hin eine KI-Übersicht oder wie bisher eine Link-Liste ausgespielt werde. Die Google-Managerin Reid deutete an, dass weniger als die Hälfte der Suchanfragen eine KI-Übersicht erhielten. Den genauen Prozentsatz teile Google aber nicht mit, er variiere auch von Land zu Land. Als Faustregel könne man sagen, dass Suchanfragen zum Wetter fast nie und Suchanfragen zu technischen Problemen fast immer eine KI-Übersicht erhielten.

In den USA patzten die «AI Overviews» zunächst gewaltig

Bereits vergangenes Frühjahr hatte Google in den USA und in einer Handvoll anderer Länder die KI-Übersichten eingeführt; insgesamt eine Milliarde Nutzer sehen diese bereits. «Lass Google das Googeln für dich machen», pries der CEO Sundar Pichai die neue Funktion damals an.

Anfangs hakte das System ganz gewaltig und sorgte für viel Spott im Netz: Googles KI empfahl Nutzern, Steine zu essen und ihre Pizza mit Kleber zu belegen. Auch dauerte die Generierung der KI-Übersichten gefühlt zu lange, und anfangs wurden sie viel zu häufig präsentiert – selbst dann, wenn die übliche Link-Liste ausgereicht hätte. Inzwischen hat Google das System stark verbessert, aus Nutzersicht schaffen die KI-Übersichten inzwischen durchaus einen Mehrwert.

In den USA hat Google nun die zweite Phase seiner KI-Umstrukturierung lanciert – allerdings zurückhaltender, als man dies bei den «AI Overviews» vergangenes Jahr getan hatte. Nutzer des kostenpflichtigen Premium-Dienstes können seit Anfang März den sogenannten «AI Mode» ausprobieren und so sehen, wie sich Google die Suche der Zukunft vorstellt: Es ist ein KI-Chatbot, wie man ihn von Konkurrenten kennt, der aber auch auf Googles Suchindex zugreifen kann und somit Informationen in Echtzeit und zu lokalen Geschäften liefert.

Gemäss amerikanischen Medien, die das Produkt bereits testen konnten, präsentiert Google nach wie vor eine Link-Liste, allerdings sind es weniger, dafür prominenter präsentierte Links. Wie ein Google-Manager gegenüber der Nachrichten-Site «Platformer» erklärte, gestehe «AI Mode» ein, wenn er bei einer Antwort unsicher sei.