Wie Netanjahu seinen Einfluss auf die Justiz ausweitet

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Die rechtsreligiöse Regierung in Israel treibt den umstrittenen Justizumbau weiter voran. Am Donnerstag verabschiedete die Knesset ein zentrales Gesetz, das der Politik mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern ermöglicht. Derzeit werden Richter – einschließlich der Richter am Obersten Gerichtshof – von einem neunköpfigen Ausschuss ausgewählt, der sich aus Richtern, Abgeordneten und Anwälten zusammensetzt und Justizminister Jariv Levin untersteht. Das neue Gesetz sieht unter anderem vor, dass in dem Ausschuss künftig statt zwei Vertretern der Anwaltskammer jeweils ein von der Regierung und ein von der Opposition gewählter Anwalt sitzen sollen. Außerdem sind Vetorechte von Vertretern der Exekutive bei der Richterauswahl vorgesehen.

Laut Levin soll das Gesetz, für das nach stundenlangen Debatten 67 der 120 Knesset-Abgeordneten abstimmten, das „Gleichgewicht“ zwischen Legislative und Judikative wiederherstellen. „Wir haben Geschichte geschrieben“, verkündete der Justizminister am Donnerstagmorgen triumphierend.

Zahlreiche Petitionen

Doch die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Bereits während der Parlamentsdebatte am Mittwochabend hatten sich Tausende Menschen vor der Knesset versammelt, um gegen das neue Gesetz zu protestieren, das ihrer Ansicht nach die israelische Demokratie aushöhlt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung und kündigte an, sie werde das Gesetz wieder aufheben, sollte sie die nächste Regierung bilden.

Beim Obersten Gerichtshof wurden bereits Minuten nach der Abstimmung mehrere Petitionen eingereicht; in einer davon hieß es, die Verabschiedung des Gesetzes sei „keine Änderung, sondern die Zerstörung eines ganzen Systems“. Die Oppositions-Abgeordnete Karine Elharrar kritisierte, „Richter sollten nach professionellen Gesichtspunkten ernannt werden – nicht nach rein politischen“. Sie müssten „nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und nicht nach dem Willen der Regierung handeln“.

Kritik am Zeitpunkt der Abstimmung

In Kraft treten soll das neue Gesetz, gegen das auch am Donnerstag zahlreiche Israelis protestierten, erst nach der nächsten Wahl. Unter Kritikern besteht aber die Befürchtung, dass Justizminister Levin so lange verhindern will, dass neue Richter gewählt werden oder ihr Amt antreten.

Levin gilt als einer der Architekten der sogenannten „Justizreform“ Netanjahus, die die Rolle der Regierung gegenüber der Judikative stärken soll. Er hatte das Gesetzespaket Anfang 2023 vorgestellt, wenige Tage nach dem Antritt von Netanjahus rechtsreligiöser Koalition. Die Pläne hatten 2023 eine der größten Protestbewegungen in der Geschichte Israels ausgelöst, regelmäßig gingen Zehntausende Gegner des „Justizputschs“ auf die Straße. Mit dem Beginn des Gazakriegs wurden die Pläne vorerst auf Eis gelegt.

Nicht zuletzt der Zeitpunkt, zu dem die Regierung ihr „Reformvorhaben“ nun wieder aufgenommen hat, sorgte am Donnerstag für harsche Kritik: Die Opposition kritisierte die Verabschiedung des Gesetzes, „während 59 Geiseln noch immer in Gaza festgehalten werden“. Anstatt sich auf deren Freilassung zu konzentrieren, sei die Regierung zu „genau der Politik zurückgekehrt, die das Land vor dem 7. Oktober gespalten hat“.