Mit einem Federstrich hat der amerikanische Präsident Donald Trump die Aktienkurse von Autokonzernen rund um den Globus auf Talfahrt geschickt und seit Jahrzehnten etablierte Handelsströme und Lieferketten in Frage gestellt. Einfuhrzölle in Höhe von 25 Prozent – so das am Mittwochabend von Trump unterzeichnete Dekret – sollen vom 3. April an auf sämtliche nach Amerika importierte Autos erhoben werden. Die Zölle betreffen auch Lieferungen von Schlüsselkomponenten wie Motoren, Getriebe, Antriebssysteme und Teile der Fahrzeugelektrik. Hier sind Mexiko und Kanada allerdings ausgenommen. „Wir werden uns einen Teil des Geldes zurückholen, das uns genommen wurde“, sagte Trump bei der Verkündung im Oval Office. Er meint damit, dass mehr im Ausland produzierte Autos in Amerika verkauft werden als andersherum. Die Zölle würden nun dafür sorgen, dass mehr Autohersteller in den USA produzieren, sagte der Präsident voraus: „Ich denke, unsere Automobilbranche wird florieren wie noch nie zuvor.“
Für die deutschen Autokonzerne, die im vorigen Jahr 445.000 Autos im Wert von 24,8 Milliarden Dollar in die USA geliefert haben, und damit mehr als in jedes andere Land, ist das ein schwerer Schlag. Mercedes und BMW stellen zwischen 50 und 60 Prozent ihrer in Amerika verkauften Autos im Ausland her. Volkswagen baut nur etwa ein Drittel seiner Autos für den US-Markt in seinem amerikanischen Werk in Chattanooga. Der weit überwiegende Teil kommt aus Mexiko und wird von den Importzöllen hart getroffen.
Noch schwieriger wird es für die börsennotierte VW-Tochtergesellschaft Porsche , die alle Fahrzeuge in Europa herstellt. Gelingt es dem Sportwagenhersteller nicht, höhere Zölle durch Preiserhöhungen oder andere Gegenmaßnahmen aufzufangen, droht erheblicher Druck auf die Rendite. Die Investmentbank Jefferies beziffert die Zusatzkosten für die deutschen Konzerne je Hersteller auf 3 bis 3,5 Milliarden Dollar im Jahr. Das entspreche etwa zwei Prozent des Umsatzes von Mercedes und BMW, einem Prozent des VW-Umsatzes und zehn Prozent des Porsche-Umsatzes, so die Analysten.
Am diesem Donnerstag gaben die Aktienkurse von VW, Mercedes und BMW zwischen zwei und 3,5 Prozent nach. Für den Sportwagenhersteller Porsche ging es um mehr als vier Prozent nach unten. Der Verband der Automobilindustrie nennt die neuen Zollschranken ein „fatales Signal für den freien und regelbasierten Handel“. Erschwerend kommt für die deutschen Konzerne hinzu, dass die Zölle in eine Zeit fallen, in der sie auch auf dem wichtigen chinesischen Markt mit Absatzproblemen zu kämpfen haben.
Stark betroffen sind auch asiatische Hersteller und der italienisch-französische Konzern Stellantis . Der zweitgrößte europäische Autohersteller befindet sich mit seinen amerikanischen Marken Chrysler, Dodge, Jeep und Ram in einer besonderen Lage: Er macht in Nordamerika mehr Umsatz und mehr Gewinn als in Europa, auch wenn das Unternehmen in den USA zuletzt mit starken Rückgängen und Lageraufbau konfrontiert war. Doch die Stellantis-Standorte sind stark auf Mexiko und Kanada konzentriert. Von dort kommen nach Analystenschätzungen 40 Prozent der in den USA verkauften Fahrzeuge.
Während die Folgen für die einzelnen Hersteller schwerwiegend sind, falls die Zölle tatsächlich so Bestand haben, scheinen die volkswirtschaftlichen Folgen der Autozölle für Deutschland beherrschbar. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet damit, dass Deutschlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) innerhalb eines Jahres wegen der Zölle um 0,18 Prozent geringer ausfallen wird. Dabei sind allerdings etwaige Vergeltungszölle nicht berücksichtigt. Sie würden zu einer weiteren Schwächung der Konjunktur sowohl in den USA als auch in den betroffenen Ländern beitragen.
Die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer, sagte: „Das Gesamt-BIP wird nicht sehr stark betroffen sein, die Autobranche dafür um so stärker.“ Hinzu komme die Unsicherheit, wie sich der Handelskrieg weiter entwickeln wird. „Das allein wird die Wirtschaft belasten.“ Das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin äußerte sich nicht zu den möglichen Auswirkungen der Zölle auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt. Die Hauptleidtragenden der Zölle werden den Kieler Berechnungen zufolge Mexiko (1,8 Prozent des BIP gehen verloren) sowie Kanada (0,6 Prozent) sein. Auch in Amerika erwarten die Forscher wirtschaftliche Schäden und eine um ein Prozent höhere Inflationsrate.
Die Digitalkonzerne ins Visier nehmen
Allerdings sind die Autozölle nur der Auftakt. Am von Trump zum „Befreiungstag“ erklärten kommenden Mittwoch wird er – so die Erwartung der EU-Kommission in Brüssel – nicht nur die Europäer, sondern die gesamte Welt mit reziproken Zöllen überziehen. Diese Zölle sollen überall da greifen, wo die Handelshürden für amerikanische Exporteure höher sind als die Zölle, die Amerika selbst erhebt. Wie hoch die reziproken Zölle genau sein werden, ist unklar. Das werde Trump ganz am Schluss entscheiden, wird im Umfeld von EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič erwartet.
Dass er gegenüber der EU wieder den ihm offenbar beliebten Zollsatz von 25 Prozent wählt, ist nicht unplausibel. Was für Autos dann allerdings auf einen Zollsatz von insgesamt 50 Prozent hinauslaufen könnte. Trump hat zumindest angekündigt, dass sich beide Zölle addieren könnten.
Die Autoren einer von der Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegebenen, der F.A.Z. vorab vorliegenden Studie zu den Folgen der reziproken Zölle gehen genau davon aus. Die Ergebnisse eines Zollkonflikts wären nach der Analyse der Ökonomen des Kieler IfW und des Berliner DIW gravierend. Im Falle einer Eskalation, wenn die EU ebenfalls Zölle von 25 Prozent erhebt, würde das die Ausfuhr der EU in die USA halbieren, schreiben die Handelsforscher. Die Produktion werde sektorübergreifend um 174 Milliarden Euro sinken, die Wirtschaftsleistung im EU-Durchschnitt um 0,25 Prozent und in Deutschland um 0,32 Prozent. Auf der anderen Seite würde auch das amerikanische Wachstum langfristig um 0,13 Prozent sinken.
Schon Zölle und Gegenzölle von insgesamt 25 Prozent würden vor allem den Automobilsektor besonders stark treffen. Die Produktion von Kraftfahrzeugen in der EU würde um 42,9 Milliarden Euro zurückgehen. Bei pharmazeutischen Erzeugnissen wären es demnach 40,1 Milliarden, bei Maschinen 24,5 Milliarden Euro. Die Ausfuhr der EU in die USA würde sich halbieren, wovon die Slowakei, Litauen und Österreich am stärksten getroffen wären. Für Deutschland ergäbe sich in diesem Szenario ein BIP-Verlust von rund 0,3 Prozent.
Brisant ist angesichts der Milliardensummen, die auf dem Spiel stehen, wie am klügsten auf den amerikanischen Zollschlag reagiert werden kann. Die EU regierte in einer ersten Stellungnahme zurückhaltend: Sie bedauere die Entscheidung zutiefst, ließ die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen mitteilen. Die Kommission werde die schon angekündigten gemeinsam mit den in der kommenden Woche drohenden Zöllen analysieren. Die EU strebe weiter eine Verhandlungslösung an, werde aber die wirtschaftlichen Interessen der EU wahren.
Tesla kaum betroffen
Brüssel setzt darauf, dass Trump nach der erwarteten Ankündigung von reziproken Zöllen gegen die EU und andere Handelspartner am kommenden Mittwoch großes Interesse an einer schnellen Verhandlungslösung hat. Es dürfte deshalb nicht damit zu rechnen sein, dass die Kommission sofort Gegenzölle verhängt. Sie könnte aber unmittelbar mit konkreten Zöllen drohen, die dann später in Kraft gesetzt werden könnten. So hat sie es auch nach der Verhängung der US-Stahl- und Aluminiumzölle von 25 Prozent getan.
Der deutsche Außenhandelsverband BGA erwartet von der EU-Kommission „klare Gegenmaßnahmen“. Diese sollten „auch eine Reaktion auf die marktbeherrschende und übermächtige Rolle amerikanischer Digitalkonzerne in Europa beinhalten“, forderte Verbandschef Dirk Jandura am Donnerstag. Aus der deutschen Autoindustrie dagegen kam die Forderung, dass nun unverzüglich Gespräche über ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und Amerika beginnen müssten, so der Autoverband VDA. Das halten auch die Autoren der Böll-Studie für sinnvoll. Sie werben für Verhandlungen mit den USA über sektorielle Handelsabkommen. Eine Vertiefung bestehender Handelsabkommen mit anderen Partnern wie Kanada, Japan oder Korea könne die negativen Folgen eines Konflikts mit den USA zudem abfedern, schreiben die Autoren. Angesichts der mangelnden Verlässlichkeit der USA als Partner sei das einem Deal mit Trump vorzuziehen.
Wie die Autokonzerne auf die sich rasant verändernden Rahmenbedingungen reagieren, bleibt abzuwarten. Realistisch erscheinen Investitionen in amerikanische Fabriken und Zugeständnisse an Trump. Der Hersteller Stellantis versprach schon vor wenigen Wochen, „mit dem amerikanischen Präsidenten und seinem Team zusammenarbeiten. Wir teilen das Ziel, mehr amerikanische Autos zu bauen und nachhaltig mehr amerikanische Arbeitsplätze zu schaffen“.
Der wirtschaftliche Druck ist enorm: Nach Schätzungen der Analysegesellschaft Stifel Research könnten alleine die Zölle auf Einfuhren aus Mexiko und Kanada den Umsatz von Stellantis 2025 um 16 Milliarden Euro und im schlimmsten Fall den Betriebsgewinn um 40 Prozent senken. Auch der südkoreanische Autohersteller Hyundai hat angekündigt, in eine neue Fertigung in den USA 21 Milliarden Dollar zu investieren. Trumps sieht sich durch derartige Zusagen in seiner Handelspolitik bestätigt. Trumps Aussage, auch Honda werde in Indiana ein neues Werk errichten, entpuppte sich allerdings als Falschmeldung. Die deutschen Hersteller hielten sich am Donnerstag bedeckt, was konkrete Konsequenzen angeht.
Immerhin einen Gewinner hatten die Zollankündigungen aus Washington – den von Trump-Berater Elon Musk geführten Elektroautohersteller Tesla . Er produziert alle Autos, die in den USA verkauft werden, in seinen amerikanischen Werken in Kalifornien und Texas. Damit ist er gegenüber US-Wettbewerbern wie GM und Ford im Vorteil, die einige ihrer Elektrofahrzeuge in Mexiko fertigen. Sowohl Musk als auch Trump versuchten aber, die Botschaft zu vermitteln, es habe keine Sonderbehandlung für Tesla gegeben. „Es ist wichtig, festzuhalten, dass Tesla nicht ungeschoren davonkommt,“ schrieb Musk auf seiner Onlineplattform X. Sein Unternehmen ist insofern von den Zöllen betroffen, weil es ebenso wie viele Wettbewerber Komponenten aus dem Ausland bezieht, und Musk nannte diesen Kosteneffekt „nicht trivial“. Trump sagte, Musk sei wegen möglicher Interessenkonflikte nicht in die Zollentscheidung eingebunden gewesen. „Er hat mich nie um irgendeinen geschäftlichen Gefallen gebeten.“ Teslas Aktienkurs notierte am Donnerstag kaum verändert.