Die EU könnte wegen der von US-Präsident Donald Trump verhängten Sonderzölle die amerikanischen Internet-Riesen ins Visier nehmen. „Die USA haben einen Überschuss bei 100 Milliarden im Dienstleistungssektor“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für internationalen Handel im Europäischen Parlament, Bernd Lange, am Freitag in Berlin zu Journalisten. Der Facebook-Mutterkonzern Meta habe in Europa beispielsweise mehr Kunden als die USA Einwohner. „Also da gibt es auch ein gewaltiges wirtschaftliches Interesse vonseiten amerikanischer Unternehmen.“ Denkbar sei auch, Gebühren zu erheben, etwa auf Aktivitäten von PayPal oder Google.
Der Republikaner Trump hat einen Handelsstreit gegen die EU, aber auch China und die US-Nachbarn Kanada und Mexiko angezettelt. Auf Auto-Importe aus Europa sollen im April zusätzliche US-Einfuhrzölle von 25 Prozent greifen. Das wird vor allem Deutschland hart treffen. Die EU-Kommission prüft nun Gegenmaßnahmen. Dabei wurden Forderungen laut, dass diese hart ausfallen sollten.
Zoll-Waffen zunächst nur auf den Tisch legen
Auch Lange äußerte sich in diese Richtung: „Erst einmal die Waffen auf den Tisch und dann kann man verhandeln. Es ist völlig klar, dass wir uns nicht erpressen lassen werden“, so der SPD-Politiker. Die EU könne aus einem vollen Werkzeugkasten schöpfen und sei gut gerüstet. Denkbar seien Gegenzölle, Patente ruhen zu lassen oder Beschränkungen bei öffentlichen Aufträgen. „Ich würde aber erst einmal versuchen zu gucken, gibt es einen Verhandlungsweg?”
Lange verwies auch auf denkbare US-Zusatzzölle in anderen Bereichen. So habe Trump gesagt, auch Holz und Pharma im Blick zu haben. „Wir wissen, dass Kupfer und Halbleiter auch im Fokus sind.“ Grundsätzlich könne es Zölle gegen alle Länder mit einem Handelsüberschuss geben.
Top-Ökonomen rechnen wegen der von US-Präsident Donald Trump angekündigten hohen Zölle auf Autoimporte mit Gegenwind für die ohnehin darbende deutsche Wirtschaft. „Die Zölle treffen mit dem Auto das wichtigste Exportgut Deutschlands“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. „Das ist für sich genommen eine große Belastung für die deutsche Wirtschaft.“ Zusätzliche Gefahren drohten, wenn es jetzt zu einer Eskalation des Handelskrieges komme.
„Die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft werden überschaubar sein, auf die betroffenen Branchen und Regionen aber dafür um so stärker“, warnte die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. „Auf alle Fälle wird aber die Unsicherheit massiv steigen, das allein wird der Wirtschaft schaden.“ Das sieht das Institut für Weltwirtschaft (IfW) ganz ähnlich. Die Folgen der angekündigten Zölle seien für die gesamte Wirtschaft „erstmal überschaubar“, sagte IfW-Präsident Moritz Schularick.
Diese dürften die deutsche Volkswirtschaft jedoch stärker treffen als andere, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. „Allerdings dürften die unmittelbaren Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft als Ganzes erst einmal begrenzt bleiben – auch weil viele Amerikaner weiter hochwertige deutsche Autos auch zu höheren Preisen kaufen werden.“ Trumps Unberechenbarkeit könne aber die Unsicherheit für deutsche Unternehmen weiter erhöhen und Vertrauen zerstören.
Ohne Gegendruck wird es im Zollkonflikt wohl nicht gehen
Fuest rät der Politik dazu, eine Doppelstrategie zu fahren. „Die EU sollte mit den USA das Gespräch suchen, um die US-Regierung zur Rücknahme der Zölle zu bewegen“, sagte der Münchner Wissenschaftler. „Ohne einen gewissen Gegendruck wird das aber nicht funktionieren.“ Deshalb müsse die EU glaubwürdig mit Gegenmaßnahmen drohen. „Das könnte beispielsweise die Ankündigung einer Digitalsteuer sein, die US-Unternehmen hart treffen würde“, sagte der Ifo-Chef. Bevor Gegenmaßnahmen ergriffen werden, solle man jedoch Zeit für Verhandlungen einräumen.
„Wir sollten uns als Europäer mit den anderen Ländern, die offene Märkte behalten wollen, zusammenschließen und gemeinsam für eine regelbasierte Weltwirtschaft eintreten – auch mit Vergeltungsmaßnahmen“, rät IfW-Präsident Schularick. Schnitzer empfiehlt das auch. „Die EU-Kommission sollte natürlich in Verhandlungen mit der US-Regierung eintreten“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft. „Aber nicht, indem sie Zugeständnisse anbietet, sondern indem sie Gegenzölle und andere Gegenmaßnahmen androht.“