Nach dem Chatgruppen-Skandal hat sich der amerikanische Präsident Donald Trump – zumindest für jetzt – vor die Beteiligten gestellt. In der vergangenen Woche bezeichnete er seinen Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz als „guten Mann“, der „seiner Lektion gelernt hat.“ Dass auch Verteidigungsminister Pete Hegseth im Zentrum der Kritik steht, konnte er nicht verstehen: „Wie könnt ihr Hegseth da mit reinbringen? Er hatte damit nichts zu tun.“ Er verfiel auf seine alte Rechtfertigung, alles sei nur eine „Hexenjagd“.
Am vergangenen Montag hatte der Chefredakteur des Magazins „The Atlantic“ berichtet, dass er zu einer Chatgruppe auf dem kommerziellen Dienst Signal hinzugefügt worden war, in dem der Angriff auf die Huthi-Miliz im Jemen in der Woche davor besprochen wurde. Hinzugefügt hatte ihn Waltz. Nachdem die Regierung abgestritten hatte, dass in der Gruppe sicherheitsrelevante Informationen geteilt worden seien, veröffentlichte das „Atlantic“ den gesamten Chatverlauf, aus dem hervorging, dass Hegseth zwei Stunden vor dem Start des Angriffs dort den Angriffsplan teilte. Er schrieb sowohl, welche Mittel eingesetzt werden sollten – Flugzeuge, Drohnen, Marschflugkörper –, als auch, wann die starten und wann sie über dem Ziel sein sollten.
Diese Kommunikation über einen Nichtregierungskanal erinnert an die Diskussionen über die Nutzung eines privaten E-Mail-Servers durch die damalige Außenministerin Hillary Clinton im Jahr 2016, mitten im Präsidentschaftswahlkampf. Damals fiel Trumps Reaktion komplett anders aus. In einer Fernsehdebatte drohte er Clinton damit, sie im Falle seines Wahlsiegs für ihren Umgang mit den Mails ins Gefängnis zu stecken. Die ganze Geschichte sei „größer als Watergate“, äußerte er, und der Beweis dafür, dass Clinton „eine üble Ganovin sei“.
Hegseth nannte Biden „gedankenlos“
Auch Clinton hatte sich damit gerechtfertigt, dass keine eingestuften Informationen über ihren Server gelaufen seien. Dem widersprach das FBI nach einer Untersuchung. Allerdings sei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Mails gering gewesen, es habe keinen Beweis dafür gegeben, dass der Server gehackt worden sei, und Clinton habe nicht in krimineller Absicht gehandelt, weshalb die Bundespolizei keine strafrechtliche Verfolgung Clintons empfohlen hatte.
Pete Hegseth, damals Mitarbeiter des Fernsehsenders Fox News, sah darin eine Sonderbehandlung Clintons: „Wenn es irgendjemand anderes wäre als Hillary Clinton, wäre er jetzt im Gefängnis“, sagte er. In den Geheimdiensten gehe man davon aus, dass, „wenn jemand unsichere Mittel nutzt, es die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit gibt, dass diese von ausländischen Regierungen angegriffen werden“. Clintons Vorgehen nannte er „grobe Nachlässigkeit und Leichtsinn“.
„The Atlantic“ wies darauf hin, dass die in dem Chat geteilten Informationen das Leben amerikanischer Soldaten hätten gefährden können, wenn sie einem feindlichen Akteur in die Hände gefallen wären. Verteidigungsminister Hegseth versucht, das herunterzuspielen, indem er darauf verweist, dass er keine Namen und keine genauen Orte genannt hat. 2016 sagte er zu Clintons E-Mails noch, Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter etwa verließen sich darauf, dass Entscheidungsträger „nicht leichtsinnig mit den gefährlichen Dingen umgehen, die sie für uns tun. Das sind die Auswirkungen auf die Nationale Sicherheit, die die Nutzung eines Servers hat, der nicht gesichert ist.“
Auch 2013, als öffentlich wurde, dass der damalige Präsident Joe Biden Regierungsdokumente in seinem privaten Haus aufbewahrt hatte, hatte Hegseth eine deutliche Meinung. Diesen Umgang mit Dokumenten nannte er bei Fox News „gedankenlos“. Jeder Senator wisse, dass er sicherheitsrelevante Informationen nicht aus einem gesicherten Raum entfernen dürfe. Wie Medien nach dem Artikel des „Atlantic“ berichteten, würden Informationen, wie Hegseth sie in dem Signal-Chat weitergegeben hat, üblicherweise tatsächlich nur in einem solchen sicheren Raum diskutiert, wie er auch im Pentagon zu Verfügung steht.
Rubio forderte strafrechtliche Konsequenzen
Mike Waltz, der den Journalisten zu der Chatgruppe hinzugefügt hatte, die Verantwortung für diesen Fehler übernommen hat und von Trump faktisch exkulpiert wurde, zeigte sich 2023 ebenfalls entrüstet. Als damaliger Kongressabgeordneter schrieb er auf der Plattform X: „Bidens aktueller Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hat Top-Secret-Nachrichten an Hillary Clintons privaten Mail-Account geschickt. Und was hat das Justizministerium unternommen? Verdammt noch mal nichts.“
Mitglied in dem Chat war auch CIA-Direktor John Ratcliffe. 2023 sagte er zum Biden-Fall: „Es ist immer gut zu sehen, dass es eine Untersuchung und Ermittlungen gegen Leute gibt, wenn diese mit Informationen nicht angemessen umgehen.“ Das schien er nun in einer Kongressanhörung aufzugreifen. Er verteidigte sich mit dem Hinweis, es seien keine geheimen Informationen in der Gruppe besprochen worden. Außerdem sei Signal ein geeignetes Mittel, um auch sensible Informationen auszutauschen.
Neben der Frage, ob in der Unterhaltung geheime oder nur sensible Informationen geteilt worden sind, spielt auch die Frage eine Rolle, ob die Teilnehmer gegen ein Gesetz verstoßen haben. Denn eigentlich ist die Regierung verpflichtet, Dokumente aufzubewahren. Dieser Chat war jedoch so eingestellt, dass sich die Nachrichten nach vier Wochen automatisch löschen.
Am kritischsten zu der ganzen Angelegenheit hat sich bislang Außenminister Marco Rubio geäußert, der ebenfalls Mitglied der Chatgruppe war. Am vergangenen Donnerstag sagte er, jemand habe einen „großen Fehler“ gemacht, als er den Journalisten zu der Konversation hinzugefügt habe. Noch kritischer allerdings klang er im Januar 2016. Damals sagt er: „Niemand steht über dem Gesetz, nicht einmal Hillary Clinton.“ Rubio, der sich damals um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewarb, ging in einem Interview mit Fox News noch ein bisschen weiter: „Wenn ich Präsident bin, […] werden wir all jene zur Verantwortung ziehen, die die Gesetze dieses Landes brechen.“