Putin äußert Verständnis, dass Trump Grönland annektieren will

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Es ist eine Reise, wie Wladimir Putin sie schätzt, kurz, aber prall gefüllt mit Terminen und Gelegenheiten, sich wie beiläufig zum Weltgeschehen zu äußern, zu Amerika, der Ukraine und der Arktis. Russlands Präsident reiste am Donnerstag auf die nordwestrussische Halbinsel Kola, nach Murmansk, die mit 266.000 Einwohnern größte Stadt nördlich des Polarkreises.

Die Hafenstadt ist einer der Stützpunkte der Nordflotte, die Putin stärken will, so seine Botschaft. Im Beisein des Präsidenten wird ein neues Nuklearunterseeboot namens Perm zu Wasser gelassen. Es sei das Erste, das mit neuen Marschflugkörpern des Typs Zirkon ausgestattet sei, hebt Putin hervor. Von dieser Waffe schwärmt er schon lange, weil sie kaum abzufangen sei.

Boote wie die Perm stellten sicher, dass Russland seine „nationalen Interessen schützen“ könne, auch in der Arktis, sagt Putin. Manchmal verweist er in solchen Ansprachen auf die Zarendevise, Russland habe nur zwei Verbündete, die Armee und die Flotte.

Aber jetzt ist etwas anders. Gerade umwirbt der russische Präsident seinen amerikanischen Kollegen. In Murmansk signalisiert Putin ein paar Stunden vor dem Stapellauf der Perm Donald Trump sogar sein Einverständnis für eine mögliche „Annexion“ der zu Dänemark gehörenden Nordatlantikinsel Grönland.

Kein Zufall dürfte sein, dass Putin dabei eben dieses Wort verwendet, das im Westen für die russischen Landnahmen in der Ukraine gilt, während Russland selbst von „Wiedervereinigung“ spricht. Denn Putin will erreichen, dass seine Eroberungen anerkannt werden – und der einzige bedeutende Akteur, mit dem das derzeit möglich scheint, ist Trump, der selbst Erweiterungsgelüste äußert.

Putin erinnert an den Verkauf Alaskas an die USA

Den Rahmen für den Grönland-Vorstoß bietet Putin eine Rede auf einem Forum zur Entwicklung der Arktis. Es steht unter dem Motto „Im Norden – leben!“, was wie ein frommer Wunsch wirkt angesichts von Russlands Bevölkerungsrückgang und der Abwanderung sogar aus Regionalzentren wie Murmansk, das 1991 noch 473.000 Einwohner zählte.

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„Leider“, sagt Putin, spitze sich „der geopolitische Wettbewerb, der Kampf um Positionen“ auch in der Arktis zu. Man müsse nur die amerikanischen „Pläne“ erwähnen, „Grönland anzuschließen“. Dabei handele es sich aber nicht um „extravagante Gespräche“ der neuen Regierung in Washington. Vielmehr hätten die USA „schon in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts solche Pläne“ entwickelt. Die damalige Regierung habe „die Möglichkeit erwogen, Grönland und Island zu annektieren“, doch sei der Kongress dagegen gewesen.

Tatsächlich hatte der damalige US- Außenminister William Seward gesagt, es sei „eine ernsthafte Überlegung wert“, nach dem Muster des 1867 vom zaristischen Russland erworbenen Alaska auch Grönland und Island von Dänemark zu kaufen. In gar nicht fernen, von dem Ringen mit dem „Hegemon“ Amerika geprägten Zeiten wurden in Russland bisweilen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Alaska-Geschäfts geäußert.

Jetzt, im Licht der Annäherung an Trump, nimmt Putin den „Erwerb“ des Gebiets gegen damalige inneramerikanische Kritik in Schutz, ebenso die gesamte übrige „Tätigkeit“ des damaligen Präsidenten Andrew Johnson, der viele an Trump erinnert.

„Nichts Überraschendes“ findet Putin an Trumps Grönland-Avancen auch wegen eines „Dreiecksgeschäfts“, durch das die USA, Deutschland und Dänemark 1910 Gebiete getauscht hätten. Seinerzeit schlug der amerikanische Botschafter in Kopenhagen vor, dass die USA unter anderem Grönland von Dänemark erhalten sollten und Kopenhagen dafür zwei heute philippinische Inseln geben sollten, die es dem Deutschen Reich im Austausch für Nordschleswig überlassen könnte. „Das Geschäft platzte damals“, sagt Putin. Doch gebe es zu Grönland „ernsthafte Pläne der amerikanischen Seite“ mit „historischen Wurzeln“, sagt Putin. „Was Grönland betrifft, ist das eine Frage, die zwei konkrete Staaten betrifft und nichts mit uns zu tun hat.“

Europa ist nun der Hauptgegner

Eine Aussage erinnert dagegen an den Putin der Zeiten, in denen Trump noch nicht zurück im Weißen Haus war und Moskau jede westliche Regung in der Arktis als Kriegstreiberei verurteilte. Nämlich als er sagt, man sei „nur darüber beunruhigt, dass die NATO-Länder allgemein den hohen Norden zunehmend zum Aufmarschgebiet für mögliche Konflikte designieren“. Doch dürfte hinter Putins ermutigendem Verständnis für Trump auch das Kalkül stehen, dass es vor allem Moskau nutzen würde, wenn innerhalb des westlichen Bündnisses ein Territorialstreit eine Eskalation suchen sollte.

Putin spricht von wirtschaftlichen Chancen, die sich im Fall der Arktis aus dem Klimawandel ergeben. In kriegerischem Ambiente, bei einem Besuch auf einem weiteren, „Archangelsk“ getauften Nuklearunterseeboot, gibt sich Putin dann aber überzeugt davon, die Ukrainer militärisch zu besiegen. Es gebe „Grund zu der Annahme, dass wir sie fertigmachen werden“, sagt er. Trump wolle „diesen Konflikt“ wirklich beenden, sagt Putin und zählt die USA zu den „Partnern“ Russlands, die sich bemühten, den „Konflikt“ mit „friedlichen Mitteln“ zu lösen, zusammen mit China, den anderen BRICS-Mitgliedern und Ländern wie Nordkorea.

In „Europa“ dagegen, sagt Putin, „versuchen sie ständig, uns an der Nase herumzuführen“, doch werde man „keine Fehler mehr zulassen, die auf zu viel Vertrauen zu sogenannten Partnern gründen“. Putin geht es in seinen Worten darum, „Russlands Sicherheit auf lange, historische Sicht zu gewährleisten“, um seine Maximalziele für die Ukraine und eine Neuordnung Europas. Man begrüße jede friedliche Konfliktlösung, resümiert Putin, „aber nur nicht auf unsere Kosten“.

Ohne auf den jüngsten amerikanischen Vorstoß für eine Waffenruhe im Schwarzen Meer einzugehen, für die der Kreml am Montag weitreichende Sanktionsaufhebungen gefordert hat, regt Putin an, die Ukraine „unter äußere Verwaltung“ zu stellen, „unter Ägide“ der Vereinten Nationen zusammen mit den Vereinigten Staaten, „sogar mit europäischen Ländern“ und anderen. Dann sollten „demokratische Wahlen“ abgehalten und eine neue Regierung eingeführt werden, „die beginnen kann, mit uns über einen Friedensvertrag zu verhandeln“.

Ukrainische Kriegsgefangene berichtet von Folter

Eigentlich widerspricht das der Moskauer Linie, die Friedenstruppen mit westlicher Beteiligung ablehnt. Doch geht es nun Putin offenbar vor allem darum, Kiews Position in Washington weiter zu schaden, die Ukraine als „failed state“ und ihre Staatsführung als illegitim darzustellen. Entsprechend wirft sein Militär der Ukraine am Freitag abermals einen Angriff auf Energieinfrastruktur vor, für die auf Trumps Initiative hin eine Waffenruhe gelten soll: Die Gasmessstation „Sudscha“ an der Grenze zum westrussischen Kursker Gebiet sei mit amerikanischen HIMARS-Mehrfachraketen „faktisch vernichtet“ worden. So dürfte Moskau erreichen wollen, dass Washington abermals die Militärhilfe für Kiew stoppt.

Zugleich rechtfertigt Putin seinen zum Verteidigungsringen umgedeuteten Angriffskrieg vor dem russischen Publikum. Wieder schimpft er wortreich auf „Nazis, Nationalisten, wie sie in der Ukraine selbst genannt werden“, besonders die Asow-Brigade der ukrainischen Nationalgarde, die in Russland als „Terrororganisation“ gilt.

In einem entsprechenden Prozess hat ein Militärgericht im südwestrussischen Rostow am Don am Mittwoch 23 ukrainische Kriegsgefangene in einem Prozess zu Haftstrafen zwischen 13 und 23 Jahren verurteilt, elf von ihnen, neun Frauen und zwei Männer, in Abwesenheit, da sie zuvor nach mehr als zwei Jahren Gefangenschaft ausgetauscht worden waren.

Ein weiterer Gefangener, der 55 Jahre alte Olexandr Ischtschenko, starb in der Haft, wohl aufgrund von Folter. Einige Männer hatten Jahre vor der Invasion in der Asow-Brigade gedient, die Frauen waren Köchinnen. „Ich habe Tüten über Köpfen gesehen“, sagte der 29 Jahre alte Gefangene Mykyta Tymonin im Prozess, „Stromdrähte an verschiedenen Körperteilen, gebrochene Rippen, herausgeschlagene Nieren, zu Tode geprügelte Menschen, mehr als ein Jahr Hunger, keinerlei medizinische Hilfe“, die Menschen seien „verfault“ an Armen und Beinen – obwohl Putin jüngst gesagt habe, Russland werde alle gefangenen Soldaten „human behandeln“. Tymonin erhielt 22 Jahre Haft.

Gegen Ende seines Murmansk-Besuches trifft Putin noch junge Arktis-Reisende, die in Begeisterung schwelgen. „Wladimir Wladimirowitsch, ein riesiges Dankeschön an Sie für das ganze Feld von unglaublichen Möglichkeiten, das der Jugend in unserem Land offensteht“, sagt eine Studentin strahlend. „Das ist wirklich unglaublich. Es gibt keine Worte dafür, zu beschreiben, wie wunderbar unsere Arktis ist.“