Nicht Gründlichkeit ist es, die nun plötzlich vor Schnelligkeit gehen soll, wie CDU/CSU und SPD zu Beginn der „heißen Phase“ ihrer Koalitionsverhandlungen beteuern. Es sind die grundsätzlichen Unterschiede dreier vom Wahlkampf und vom Wahlergebnis gezeichneter Parteien, die es unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass sie schon zu Ostern einen Bundeskanzler präsentieren können.
Auf der einen Seite CDU und CSU, die – Stichwort Gründlichkeit – alles ganz anders machen wollen als die Ampelkoalition („Politikwechsel“), aber damit hadern, dass sie am 23. Februar weit unter den Erwartungen geblieben sind. Auf der anderen Seite die SPD, deren Abwärtstrend seit Schröders Tagen unaufhaltsam zu sein scheint. Ihre fatale Neigung, die Schuld in jeder Art von „neoliberalem“ Denken zu sehen, kommt auch jetzt wieder zum Vorschein. Ergebnis ist neodogmatisches Handeln.
In vielen Bereichen kein Politikwechsel
Die Union sieht sich dadurch wieder den Schwierigkeiten gegenüber, die schon Angela Merkels Ära kennzeichnete. Das forsche Auftreten von Friedrich Merz kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in wichtigen Bereichen von einem Politikwechsel nicht die Rede sein kann.
Vieles wird in der Industrie-, Klima-, Steuer- und Rentenpolitik vermutlich so weiterlaufen wie bisher. Selbst Symbolthemen wie zweifelhafte Eingriffe in die Meinungsfreiheit in digitalen Diensten werden die „Wende“ wohl unbeschadet überstehen. Auch das Selbstbestimmungsgesetz? Gar die Cannabis-Freigabe?
Merz mag kalkuliert haben, dass ihn das Schuldenpaket viel Glaubwürdigkeit kostet, dass es die SPD aber gnädig stimmt und sich so seine Verhandlungsposition verbessert. Erwartet wird nun aber, dass die Union erst recht „liefern“ muss. Danach sieht es derzeit nicht aus.
Merz könnte in diese Wahlperiode als Kanzler gehen, der angesichts eines von Kompromissen durchzogenen Kuschelvertrags nicht viel mehr hat als sich selbst, um seine Regierung leuchten zu lassen. Tritt er also doch noch in die Fußstapfen von Merkel?