Gimbal Flow 2 Pro von Insta360 im Test

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Ein Gimbal ist ein Gerät zur Bildstabilisierung, das von professionellen Filmern eingesetzt wird. Wer mit dem Handy filmt, braucht als Laie dergleichen nicht unbedingt, weil die optische Einheit hochwertiger Smartphones oft mit einer Bildstabilisierung ausgerüstet ist. Aber ein moderner Gimbal kann und bringt deutlich mehr. Selten haben wir so viel Spaß mit einem Testgerät gehabt wie mit dem Flow 2 Pro, denn Hersteller Insta360 reizt die Idee bis an die Grenzen aus und packt alles in sein Gerät hinein, was derzeit Stand der Technik ist. Wir wollen an einem Aussichtspunkt ein Video mit Rundumblick erstellen. Mit dem Smartphone bewegt man dieses, das Ergebnis hängt von der ruhigen Hand des Nutzers ab. Mit dem Flow 2 Pro bleiben wir fest an einer Position stehen und drehen das Smartphone mit dem Joystick des Gimbals. Da er sehr sensibel reagiert, reicht eine feine Bewegung aus, der Dreh wird glatt und perfekt.

Anschließend soll ein wild über die Wiese laufender Hund aufgenommen werden. Wir halten den Gimbal nach unten, sodass das Smartphone auf Ohrenhöhe mit dem Tier landet, und mit der intelligenten Nachverfolgung des Flow 2 Pro bleibt der Hund immer im Bild, auch wenn er mal schneller und mal langsamer läuft. Die Deep Track 4 genannte Technik ist sogar so clever, das Tracking des Hundes wieder aufzunehmen, nachdem er für einige Zeit im Gebüsch verschwunden und unsichtbar war. Die Nachverfolgung funktioniert nicht nur mit Mensch und Tier. Als wir in der Nähe des Aussichtspunktes ein Denkmal filmen, markieren wir es als Objekt. Beim Gehen um das Denkmal bleibt es perfekt im Bild, obwohl sich die sonnenbeschienene Vorderseite deutlich von seiner Rückseite unterscheidet.

Selfie-Spiegel für den optimalen Auftritt

Man merkt schnell: In dieser Maschine steckt mehr drin als eine reine Bildstabilisierung. Werfen wir einen Blick auf die Details. Zusammengeklappt misst der Flow 2 Pro 15,5 Zentimeter in der Höhe, er wiegt 360 Gramm und lässt sich im Unterschied zu anderen Produkten gut verstauen, weil der Ausleger ein kleines Näschen hat, mit dem er perfekt am Halteangriff andockt. Zur Bedienung gibt es ein Kombiinstrument, ein Smart Wheel, das aus vier Tasten auf einem Ring besteht. Der schwarze Ring ist zudem eine berührungsempfindliche Touch-Fläche, mit der man beispielsweise zwischen verschiedenen Aufnahme-Modi wechselt. Im Innern des Kombiinstruments sitzt besagter Joystick zur Feinsteuerung des iPhone. Außen wiederum gibt es einen hellen, geriffelten Ring, etwa zur Zoomsteuerung. Man kann also viele Aufgaben direkt am Gimbal erledigen, ohne auf das Display des Smartphones tippen zu müssen. Das ist besonders dann praktisch, wenn man den Gimbal zum Selfie-Stick macht, er lässt sich rund 21 Zentimeter ausziehen. Da die vier Tasten mehrfach belegt sind, benötigt man anfangs etwas Zeit, bis die Bedienung mühelos von der Hand geht.

Flow 2 Pro: Bis zu 21 Zentimeter ausziehbar, unten steckt ein Stativ im Body
Flow 2 Pro: Bis zu 21 Zentimeter ausziehbar, unten steckt ein Stativ im BodyHersetller

Am unteren Ende des Griffs lässt sich ein Mini-Stativ ausziehen, das in Verbindung mit der Tracking-Funktion besondere Stärken ausspielt. Man stelle sich einen Youtuber vor, der in seiner Küche die Zubereitung eines Essens vorführen will. Er benötigt keinen Kameramann, sondern stellt Gimbal auf, startet die Aufnahme mit einer ebenfalls eingebauten Gestenerkennung, kann sich fortan frei im Raum bewegen und bleibt doch stets im Bild. Praktisch ist das Ganze auch für Videokonferenzen, wenn zum Beispiel ein Dozent am Whiteboard steht und abermals die automatische Kameranachführung angesagt ist.

Ein feines Detail ist der Selfie-Spiegel gegenüber der Smartphone-Aufhängung, der beim Einsatz der rückseitigen Kamera des Smartphones zeigt, ob man sich selbst optimal ins Bild gesetzt hat. Ein Magsafe-Halter für das iPhone gehört leider nicht zur Serienausstattung, sondern kostet 25 Euro zusätzlich. Wir können die Anschaffung nur nachdrücklich empfehlen. Mit der Standardhalterung wird das Smartphone wie bei jedem anderen Gimbal in eine Magnetklemme gepresst, es muss ja exakt und fest sitzen. Das ist jedes Mal ein Kraftakt. Der optionale Magsafe-Ring wird einfach auf der Rückseite des iPhones sowie auf der Haltefläche des Gimbals magnetisch angedockt, eine großartige Lösung. Android-Nutzer bleiben hier leider außen vor.

Um die meisten Funktionen des Flow 2 Pro zu nutzen, ist die Verwendung der zugehörigen App unabdingbar. Hier lassen sich alle nur denkbaren Details der Video- oder Fotoaufnahme einstellen. Was uns nicht so gut gefallen hat: Zwischen 1080p- und 4K-Videos gibt es keinen Zwischenschritt mit 2,7K. Die App hat eine eigene Video- und Fotoverwaltung und bietet einen automatischen Videoschnitt an, wobei die eigenen Aufnahmen dann gleich mit passender Musik unterlegt werden. Das alles hat einen sehr spielerischen Charakter und spricht vor allem die Generation Tiktok und Instagram an. Der Akku hält bis zu zehn Stunden durch.

360-Grad-Fotos sind sehr spektakulär

Wichtiger für den professionellen Nutzer dürfte die Unterstützung von Apples Dockkit-Technik sein. Dabei wird das Tracking von Menschen und Tieren direkt in Apples Betriebssystem gestartet. Die entsprechende Schnittstelle wird mittlerweile von mehr als 200 Apps unterstützt, sodass das Nachziehen der Kamera auch mit ihnen funktioniert. Insta360 ist bislang der einzige Anbieter mit Dockkit-Integration. Zur Aktivierung kommt die NFC-Schnittstelle des iPhone zum Einsatz. In der Android-Welt gibt es dergleichen nicht, aber der Hersteller bietet für 50 Euro einen KI-Tracker an, der mit USB C seitlich an der Gimbal-Halterung angesteckt wird und damit die Fähigkeit nachrüstet. Im Nebenjob ist der kleine Dongle eine Leuchte, die sich im Einsatz bei wenig Licht bewährt.

Zu den abermals eher den Profi ansprechenden Funktionen gehört die Möglichkeit, Panoramen von 180 bis 240 Grad automatisch durch die Anfertigung von mehreren Fotos im Hoch- oder Querformat erstellen zu lassen. Die App setzt sie zusammen, das Ergebnis ist weitaus besser als das, was man mit der eingebauten Panoramafunktion des Smartphones erzielt, könnte aber höher auflösend sein. Sehr spektakulär sind 360-Grad-Fotos, die aus 18 Fotos zusammengesetzt werden. Weil sich der Gimbal komplett drehen lässt, entsteht ein verblüffendes Ergebnis, das sich zudem in der App noch weiter aufpeppen lässt. Youtuber, die längere Texte in die Kamera sprechen wollen, können in der App einen Teleprompter nutzen. Nicht zuletzt lässt sich der Gimbal sogar mit einer Apple Watch steuern.

Der Flow 2 Pro kostet 170 Euro und in einem Paket mit dem KI-Tracker 200 Euro. Wir meinen, dass Insta360 hier ­nahezu alles richtig gemacht hat. Die Unterstützung von Magsafe und Apple Dockkit machen das Gerät sehr empfehlenswert. Der rivalisierende Osmo Mobile 7 von DJI muss auf beides verzichten.