Der baden-württembergische CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel will seine Partei Anfang 2016 als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf führen und die CDU nach einem Jahrzehnt wieder zur stärksten Partei machen, um Ministerpräsident werden zu können. Er wolle mit einer „bürgerlichen Regierung“ und „einer Bewegung der Menschen“ das Land wieder nach vorn bringen, sagte Hagel am Nachmittag auf einer nicht öffentlichen Tagung von CDU-Mandatsträgern in Friedrichshafen. „Ich bewerbe mich, Ministerpräsident des schönsten Landes der Welt zu werden“, sagte Hagel dem Vernehmen nach. Am frühen Abend will sich Hagel auf einer Veranstaltung in seiner Heimatstadt Ehingen im Alb-Donau-Kreis auch öffentlich zu seiner Kandidatur äußern.
Die offizielle Kür des 36 Jahre alten Politikers zum Spitzenkandidaten soll Mitte Mai auf einem Landesparteitag erfolgen. „Meine Vision ist ein Baden-Württemberg, das stark und sicher ist“, sagte Hagel. „Ein Land, das innovativ vorangeht, das zusammenführt und in dem jeder Mensch mit seinen Talenten das Beste aus sich machen kann. Ein Land, das sich in einer rasant veränderten Welt Stabilität und Sicherheit gibt. Ein Land, in dem wir aufeinander achten und die Schöpfung bewahren.“
Der Bankfachwirt hat im baden-württembergischen CDU-Landesverband eine Blitzkarriere gemacht: Seine Karriere hatte 2016 mit der Wahl zum Landesgeneralsekretär begonnen, seit 2021 führt er die Landtagsfraktion, 2023 löste er Thomas Strobl als CDU-Landesvorsitzer ab. Hagels Ziel ist es, die seit 2016 bestehende Vorherrschaft der Grünen zu beenden, seitdem bilden die Grünen die stärkste Fraktion im Landtag, seit 2011 stellen sie mit Winfried Kretschmann den Ministerpräsidenten.
Positioniert sich als „klassischer Konservativer“
Hagel hatte als Generalsekretär sowohl organisatorisch als auch inhaltlich als Modernisierer des Landesverbandes begonnen. Nach seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden positionierte er sich, etwa beim Themenfeld Migration, ähnlich wie Jens Spahn oder Thorsten Frei dann bevorzugt als „klassisch Konservativer“ innerhalb der CDU. Hagel verhandelte in Berlin für die neue Bundesregierung das Thema Digitales mit der SPD; er ist außerdem Chef der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Unionsparteien.
Für Aufmerksamkeit sorgte er mit seiner Forderung, dass die Schuldenbremse mit einer „Art Ewigkeitsgarantie“ im Grundgesetz noch fester verankert werden müsse. Diese Aussage dürfte sich durch die jüngst beschlossene Grundgesetzänderung und die vom wahrscheinlich künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) herbeigeführte Wende in der Verschuldungspolitik allerdings überholt haben. Im Interview mit der F.A.Z. hatte Hagel noch im Dezember gesagt: „Wir brauchen in Deutschland eine Schuldenbremse, die diszipliniert. (…) Sie ist eine Chaosbremse, weil sie uns Politiker zwingt, in Zeiten knapper werdender Finanzen nicht ständig Wünsche auf Kosten kommender Generationen zu finanzieren. Unser Staat hat ein Ausgabenproblem und kein Einnahmeproblem.“ Hagel hatte damals – ähnlich wie Merz auch – verlangt, vor der Veränderung der Schuldenregeln eine ehrliche Ausgabenkritik zu machen.
Öffentliche Kritik erntete Hagel in der Vergangenheit für ein halbprivates Treffen mit dem früheren österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und jüngst für ein privates Essen mit dem ungarischen Außenminister Péter Szijjártó in Stuttgart. Der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss hatte der „Stuttgarter Zeitung“ gesagt, dass sich Hagel hierdurch zum „Statisten der ungarischen Regierungspropaganda“ gemacht habe.
Er spricht von einer bürgerlichen Regierung
Die Aussage des designierten CDU-Spitzenkandidaten, er wolle das Land mit einer „bürgerlichen Regierung“ wieder voranbringen, dürfe nicht als dezidierte Koalitionsaussage zugunsten der FDP missverstanden werden, heißt es im Umfeld Hagels. Die CDU wolle aber alle Wählerinnen und Wähler erreichen, die ein „bürgerliches Verständnis“ von Politik hätten.
Nach derzeitigen Umfragen kann Hagel nicht sicher damit rechnen, Ministerpräsident einer schwarz-gelben Regierung zu werden. Nach der jüngsten Umfrage bekäme die CDU 31 Prozent, die Grünen 20 Prozent, die SPD 13 und die FDP würde den Einzug mit fünf Prozent knapp schaffen. Ob somit eine Regierungsbildung mit FDP oder SPD gelingen könnte, ist weiterhin ungewiss. Außerdem basiert das gute Ergebnis der Südwest-CDU bei der Bundestagswahl und in den Umfragen zur Landtagswahl auf der geringen Akzeptanz der abgewählten Ampel-Regierung. „Wir werden nicht alles anders, aber vieles ambitionierter machen“, versprach Hagel auf der Mandatsträgerkonferenz.
Hagel hat die CDU nach der Übernahme des Fraktionsvorsitzes und später des Landesvorsitzes zu einer Geschlossenheit geführt, wie sie für den zweitgrößten Landesverband viele Jahre nicht typisch war. Durch verschiedene Urwahlen zur Bestimmung des künftigen Personals war der Landesverband länger als ein Jahrzehnt in Traditionalisten und Modernisierer gespalten. Erst in der zweiten, 2021 gebildeten grün-schwarzen Landesregierung fand die CDU zu einem einheitlichen Stil und einer homogenen Programmatik zurück.
Özdemir tritt für die Grünen an
Für die Grünen wird der noch geschäftsführend amtierende Bundeslandwirtschafts- und Wissenschaftsminister Cem Özdemir als Spitzenkandidat für die Landtagswahl antreten. Das hatte er Ende Oktober vergangenen Jahres angekündigt. Der 59 Jahre alte Politiker hatte sich den Wählern mit dem Anspruch vorgestellt, sich verstärkt um die Themen Wirtschaft, Arbeit, Aufstieg und Bildung zu kümmern.
Die Grünen versprechen sich von Özdemirs Bekanntheit und seiner Regierungserfahrung einen Schub für die Landtagswahl. Sie hoffen, den Abstand von gut zehn Prozentpunkten in den noch verbleibenden knapp zwölf Monaten aufholen zu können. Mit Winfried Kretschmann war es den Grünen seit 2011 gelungen, tief ins bürgerliche Milieu einzudringen. Ob die Grünen, die bei der Bundestagswahl auch in ihrem Stammland nur viertstärkste Partei wurden, diesen bislang einmaligen Erfolg angesichts des Aufstiegs des Rechtspopulismus, der schlechten Bilanz der Ampel-Regierung und inmitten einer Wirtschaftskrise mit Özdemir wiederholen können, gehört zu den spannenden Fragen in der baden-württembergischen Landespolitik.
Auch über die Wirkung der Arbeit der künftigen Bundesregierung auf die Landespolitik lassen sich jetzt noch keine Prognosen treffen. Die CDU muss sich darauf einstellen, von der AfD für ihre Regierungsarbeit in Berlin hart attackiert zu werden, möglicherweise mit einem eigenen Ministerpräsidenten-Kandidaten.