Seit sich die US-Regierung unter Präsident Donald Trump den in der Wirtschaft weitverbreiteten Diversitätskampagnen in den Weg stellt, wächst in Unternehmen die Angst vor Sanktionen. Zählte das Bekenntnis zu Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) für fast alle größeren und internationalen Arbeitgeber zum guten Ton, rudern einige seit dem politischen Kurswechsel in Amerika zurück. Wollen Unternehmen „woke“ – so eine Schmähung von Diversitätszielen – bleiben, müssen sie jetzt mit Widerstand rechnen oder ihre Werte deutlich unauffälliger leben.
Statt sich mit dem Weißen Haus anzulegen, haben mächtige US-Konzerne wie die Supermarktkette Walmart, der Facebook-Betreiber Meta, die Fast-Food-Kette McDonald’s oder der Digitalkonzern Amazon ihre Diversitätsprogramme kurzerhand eingestampft. Doch nicht nur amerikanische Unternehmen rollen die vor Kurzem noch so gern demonstrativ geschwenkte Regenbogenflagge ein. Auch europäische Konzerne geraten zunehmend unter Druck und sehen sich genötigt, zum Schutz ihres US-Geschäfts zu handeln. Besonders deutlich wird das am Beispiel des Schweizer Pharmakonzerns Roche, dessen Vorstandschef Thomas Schinecker in einer E-Mail an seine rund 100.000 Beschäftigten „Veränderungen in den Inhalten, Aktivitäten und Programmen in Bezug zu DEI in den USA auch weltweit“ angekündigt hatte (F.A.Z. vom 20. März 2025). Feste Quotenziele für die Besetzung von Führungspositionen sollen wohl nicht mehr verfolgt werden. Zu groß sind in Basel die Sorgen vor Verstößen gegen Trumps Dekrete.

Und wie reagieren deutsche Konzerne auf die neuen Vorgaben aus Washington? Die F.A.Z. hat große deutsche Unternehmen mit starkem US-Bezug gefragt. Der Grundtenor: Viele bekennen sich einerseits weiter zur Gleichheit, Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz, beobachten aktuell aber genau, inwieweit sie sich an die politischen und rechtlichen Veränderungen in den USA anpassen müssen. Dabei spielt eine Rolle, wie wichtig staatliche Aufträge für ein Unternehmen sind. Denn die DEI-Dekrete binden in erster Linie US-Behörden und deren Beschaffung.

Daher könnte der Vorstoß von Trump weitreichende Folgen für den Softwareriesen SAP haben. Für den wertvollsten börsennotierten Konzern Deutschlands ist Amerika nicht nur der mit Abstand größte Einzelmarkt – ein Drittel der Umsätze fallen dort an. SAP notiert auch an der amerikanischen Börse, zudem ist die öffentliche Verwaltung ein wichtiger Kunde. Vorstandsmitglied Thomas Saueressig sagte kürzlich der F.A.Z., dass selbst ein Großteil der Versorgungslogistik des amerikanischen Militärs über SAP-Software laufe.
Zugleich hat sich der Konzern auf die Fahnen geschrieben, „das integrativste Softwareunternehmen der Welt“ zu werden – mit etlichen Förderprogrammen für mehr Vielfalt auf allen Ebenen. Wie mit Trump umzugehen ist, könnte für den Konzern deshalb zur Gretchenfrage werden. Entsprechend heikel ist die Entscheidung. Offiziell heißt es: SAP habe als globales Unternehmen stets von einer inklusiven Belegschaft profitiert. „Derzeit überprüfen wir die Executive Orders des Präsidenten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf SAP.“ Fördern von Vielfalt oder Geschäfte mit der amerikanischen Verwaltung – beides zugleich dürfte in Zukunft kaum noch möglich sein.

Auch für Deutschlands Autokonzerne ist Amerika ein wichtiger Markt. Volkswagen hat vor allem in den amerikanischen Südstaaten schon Kritik konservativer Politiker auf sich gezogen, die den Konzern als „woke“ bezeichneten, auch wegen der starken Mitbestimmung der Gewerkschaft in Europa. Von VW heißt es nun, man setze sich als Arbeitgeber unverändert für Chancengleichheit ein. Die amerikanische Tochtergesellschaft, Volkswagen Group of America, handele weiter in Übereinstimmung mit einer eigenen Nichtdiskriminierungsrichtlinie. Sie rekrutiere, schule und fördere Personen unabhängig von deren Alter, Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht und anderen Eigenschaften oder Orientierungen.
Hinter vorgehaltener Hand wird auch darauf verwiesen, dass sich die neuen Dekrete aus Washington bislang vor allem gegen Unternehmen richten, die Aufträge von öffentlichen Stellen annehmen. Davon sieht sich der von Vorstandschef Oliver Blume geführte Autohersteller aus Wolfsburg bislang nur begrenzt betroffen.

Auch Wettbewerber BMW beobachtet die Situation in den Vereinigten Staaten aufmerksam und überprüft permanent die Unternehmensrichtlinien und -programme auf ihre Übereinstimmung mit US-Recht. Doch will der Autohersteller seine Aktivitäten zu Nachhaltigkeitsthemen (ESG) wie geplant fortführen. Auch auf diesen Themenfeldern richte sich BMW nicht nach kurzfristigen Trends, sondern verfolge einen klaren Plan von Maß und Mitte und setze konkrete Maßnahmen wie das Joint-Leadership-Programm, Equal Pay oder sehr flexible und passgenaue Arbeitszeitmodelle um. Beim Rivalen Mercedes-Benz klingt es weniger entschlossen. Einerseits stehe Mercedes-Benz North America „seit jeher für Chancengleichheit und verurteilt jegliche Art von Diskriminierung“. Andererseits, heißt es in der Antwort, halte man sich auch an die entsprechenden Gesetze und werde dies auch in Zukunft tun.
Nervosität macht sich bei manchen Unternehmensberatern bemerkbar. Viele in der Branche haben sich in der Vergangenheit lautstark für DEI-Programme eingesetzt, und manche fürchten jetzt in Amerika den Verlust von Staatsaufträgen. Die Unternehmen ringen auch in Deutschland sichtlich um die richtige Wortwahl. Begriffe wie „DEI“ und vor allem das Wort „Equity“ verschwinden gerne aus der offiziellen Sprache.

Der weltgrößte Beratungskonzern Accenture ging als Erstes auf Distanz zu seinen bisherigen DEI-Programmen. Die globale Accenture-Chefin Julie Sweet schrieb Anfang Februar in einem Memo an alle 800.000 Mitarbeiter des Unternehmens rund um die Welt, Accenture werde „Karriereentwicklungsprogramme für Menschen aus bestimmten demographischen Gruppen“ einstellen. Accentures Deutschland-Chefin Christina Raab schob auf der Plattform Linkedin nach, Accenture werde Änderungen an den Programmen vornehmen, „um sicherzustellen, dass wir unsere Agenda effektiv vorantreiben können“. Man werde sich aber unverändert für einen „inklusiven, vielfältigen und gerechten Arbeitsplatz“ engagieren.
Beobachter bringen die schnelle Reaktion von Accenture auch mit der hohen Bedeutung von staatlichen Aufträgen in Verbindung. Laut dem „Economist“ gehören Booz Allen Hamilton, Accenture und Deloitte zu den Beratungsunternehmen, die in Amerika besonders viele öffentliche Aufträge erhalten. Auch Deloitte hatte angedeutet, seine Diversitätspolitik weltweit aufgeben zu wollen, dann erklärten Partner in Großbritannien und Australien aber, dass sie keine lokalen Änderungen vornehmen würden. Der deutsche Deloitte-Sprecher betont, alle Mitgliedsunternehmen im globalen Deloitte-Netzwerk seien rechtlich unabhängig: „In Deutschland setzen wir unser DEI-Programm unverändert fort.“ Beim Beratungsunternehmen BCG ist die Summe von US-Behördenaufträgen niedriger.
BCG hat in Deutschland bisher nur an der einen oder anderen Stelle die Wortwahl leicht verändert – vor allem Begriffe wie „DEI“ und „Equity“ stünden im Fokus der polarisierten Debatte. „Wir haben ‚Equity‘ stets als Chancengleichheit verstanden – das bedeutet, dass jede und jeder die Möglichkeit hat, hier erfolgreich zu sein –, unabhängig von individuellen Hintergründen oder Merkmalen“, erläutert BCG-Deutschland-Chef Michael Brigl. „Kritiker hingegen deuten den Begriff oft als Ergebnisgleichheit – also eine Gleichstellung in den Resultaten, unabhängig von Leistung, allein basierend auf Gruppenzugehörigkeit. Das entspricht nicht unserem Verständnis.“ Um „keinen Raum für Missverständnisse zu schaffen“, habe BCG seine Wortwahl an einigen Stellen „geschärft“.

Der Sportartikelhersteller Adidas hat die Abkürzung DEI laut einem Sprecher aktuell sowohl im Geschäftsbericht vom März als auch auf seiner Website beibehalten. Zudem weist Adidas auf das angestrebte Ziel einer ausgewogenen Repräsentation von Frauen in Führungspositionen hin. Allerdings müsse sich das Unternehmen in den USA wie auch in allen anderen Märkten an geltende Gesetze halten und könne daher nicht ausschließen, dass bestimmte Formulierungen in Zukunft entsprechend angepasst werden, wenn sich die Gesetzgebung ändere. Dennoch wolle Adidas sich unverändert für den Aufbau einer fairen, respektvollen und integrativen Unternehmenskultur für alle Beschäftigten einsetzen.
Ähnliches ist vom Stahlhersteller Thyssenkrupp zu hören: „Die jüngsten politischen Entwicklungen in den USA verdeutlichen die Herausforderungen eines sich wandelnden regulatorischen Umfelds.“ Grundsätzlich gelte, dass die wirtschaftlichen Beziehungen des Unternehmens zu den USA mehr als 185 Jahre zurückreichen. Und wie ein Hoffnungswert für die Zukunft klingt diese Formulierung: „Wir sind überzeugt davon, dass die transatlantische Zusammenarbeit, ein offener Dialog und die langfristigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA über einzelne Amtszeiten hinaus Bestand haben.“
Ob Trump sich von Umformulierungen beschwichtigen lässt? Wenn es hart auf hart kommt, könnten Unternehmen sich gezwungen sehen, ihre Werte über Bord zu werfen, um in den USA am Ball bleiben zu können – was zu weiterem Zwiespalt führen könnte, da in Deutschland gesetzliche Vorgaben für den Frauenanteil in Führungspositionen gelten, die im Kontrast zum neuen Kurs in Washington stehen könnten. Hierzulande ist nicht nur eine Mindestbeteiligung von Frauen in Konzernvorständen vorgeschrieben, große Aktiengesellschaften müssen in Deutschland auch Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstandes festlegen. Zwar ist hier die Zielgröße null rechtlich zulässig, sie ist aber begründungspflichtig. Ein Sprecher von Siemens Energy bringt das knifflige Spannungsverhältnis auf den Punkt: „Wenn sich die Gesetze in einem Land ändern, analysieren wir das sorgfältig und prüfen, wie wir die Änderungen in der Praxis umsetzen können, ohne unsere grundlegenden Werte infrage zu stellen.“ Diese Analyse laufe für die USA noch.

In einem solchen Spannungsfeld dürfte sich auch der Konsumgüterhersteller Beiersdorf befinden, für den Diversity zur Unternehmenskultur gehört. Andererseits verfolgt das Unternehmen ehrgeizige Ziele auf dem US-Markt. Beiersdorf hat laut einer Sprecherin im Jahr 2023 ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis von 50 zu 50 auf allen globalen Führungspositionen im Unternehmensbereich Consumer erreicht. Dieses Gleichgewicht konnte im Jahr 2024 gehalten werden. Für 2026 will Beiersdorf auch für Positionen unterhalb der Vorstandsebene ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis erreichen und bis dahin über die Fortschritte berichten.
Verglichen mit börsennotierten Konzernen haben Familienunternehmen wie Trumpf mehr Spielraum in Sachen Diversität und Regulierung. Nicola Leibinger-Kammüller, die Frau an der Spitze des schwäbischen Technikspezialisten, gilt als Kritikerin zu scharfer Quotenregelungen. Auf Anfrage heißt es, dass Diversität insofern wichtig bleibe, um mehr Frauen für die Produktion in den USA gewinnen zu können. Entsprechende Programme stünden jedoch allen Mitarbeitern offen. „Wir bevorteilen also niemanden aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, auch im Recruitingprozess spielt das keine Rolle.“ Den Begriff „DEI“ benutze man in der Kommunikation nicht einmal.
Autoren
Mitgearbeitet haben Nadine Bös, Mark Fehr, Bernd Freytag, Markus Frühauf, Tillmann Neuscheler, Christian Müßgens, Henning Peitsmeier, Susanne Preuß, Benjamin Wagener.