Kurden hoffen auf Frieden mit Türkei

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Vor der Bühne erstreckt sich ein Meer aus kurdischen Flaggen. Zehntausende feiern an diesem Samstag in einem Frankfurter Park das kurdische Neujahrsfest „Newroz“. Es markiert den Frühlingsbeginn und hat für viele Kurden in diesem Jahr eine besondere Bedeutung. Die Aussicht auf einen möglichen Friedensprozess zwischen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und dem türkischen Staat weckt Hoffnungen in ihnen. Vereinzelt wehen Fahnen, auf denen Abdullah Öcalan zu sehen ist, der Gründer und die Führungsfigur der PKK.

„Bis in die neunziger Jahre konnte man eingesperrt werden, nur weil man sagte: Ich bin Kurde“, sagt Ercan Ayboga vom kurdischen Gesellschaftszentrum in Frankfurt, das das Fest mitorganisiert hat. Seit mehr als 25 Jahren ist Öcalan in einem türkischen Gefängnis inhaftiert. Seit seiner Verurteilung ist er nicht mehr in der Öffentlichkeit erschienen – bis Ende Februar ein aktuelles Foto und ein Brief von ihm veröffentlicht wurde. In diesem rief er die Kämpfer der PKK dazu auf, ihre Waffen niederzulegen.

„Die Lösung der kurdischen Frage heißt auch Demokratisierung“

Ayboga schätzt die Zahl der Besucher auf mehr als 50.000. Dass so viele gekommen seien, könne auch mit Öcalans Aufruf zusammenhängen. Von möglichen Verhandlungen mit der türkischen Regierung erhoffe man sich, weniger Repressionen, mehr Anerkennung der kurdischen Kultur und mehr Rechte für die Verwaltungen der kurdischen Regionen in der Türkei. Ayboga, der als Sohn kurdischer Gastarbeiter in Deutschland aufgewachsen ist, sagt: „Die Lösung der kurdischen Frage heißt auch Demokratisierung.“

Besucher vor der Bühne auf dem kurdischen Neujahrsfest „Newroz“ in Frankfurt
Besucher vor der Bühne auf dem kurdischen Neujahrsfest „Newroz“ in FrankfurtMichael Braunschädel

Die Reden auf der Bühne werden überwiegend in kurdischer Sprache gehalten. Ein Sprecher des kurdischen Nationalkongresses macht deutlich, dass man hinter dem Aufruf Öcalans stehe und einen neuen politischen Prozess zur Lösung der kurdischen Frage wolle. Das Publikum jubelt.

Später tritt der türkische Politiker Cengiz Cicek von der kurdischen DEM-Partei ans Mikrofon. Eine Delegation seiner Partei besuchte Öcalan im Februar im Gefängnis und verlas auf einer Pressekonferenz in Istanbul seinen Aufruf. Als Cicek nach seiner Rede die Bühne verlässt, tummeln sich Besucher hinter dem Bauzaun, der den Bühnenbereich von den Festgästen trennt. Durch das Gitter reicht Cicek ihnen die Hand.

Eine Fahne auf dem kurdischen Neujahrsfest mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan“
Eine Fahne auf dem kurdischen Neujahrsfest mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan“Michael Braunschädel

Der F.A.Z. sagt Cicek am Rande der Veranstaltung, er habe heute die Grüße Öcalans überbracht. Trotz der langen Haft gehe es ihm gut. Seit Jahrzehnten kämpfe die kurdische Bevölkerung für ihre Rechte. Die derzeitigen Rahmenbedingungen erlaubten nun eine Lösung. Alle Staaten, die ein kurdisches Problem hätten, müssten es politisch lösen, nicht mit Gewalt, sagt er. Dass einige der Festgäste das auch skeptisch sehen, verwundert Cicek nicht. Es gebe seitens der Kurden kein Vertrauen in die türkische Regierung. Das müsse überwunden werden, sagt er.

Auf dem Platz herrscht reges Treiben. Besucher klettern mit ihren Fahnen auf Bäume, um einen besseren Blick auf die Bühne zu bekommen. Dort spielt gerade eine kurdische Band. An Ständen werden traditionelle Speisen verkauft und viele tragen ihre regionalen Trachten. „Es ist als wären wir wieder in unserem Land“, sagt ein Besucher. Er ist 16 Jahre alt und heißt Serok. Auf deutsch bedeutet sein Name „Anführer“. Es ist der Beiname, den die Kurden auch Öcalan verliehen haben. Seine Familie sei aus Rojava geflohen, sagt Serok, der kurdischen autonomen Selbstverwaltung im Norden Syriens, die von türkischen Streitkräften bombardiert werde. „Wir unterstützen Öcalan bis zum Ende“, sagt auch sein vier Jahre älterer Bruder Erkan. Dass die PKK sich auflösen wird, und es dadurch zu einer Verbesserung der Lage der Kurden komme, denken beide nicht. „Ich glaube nicht, dass es jemals Frieden geben wird“, sagt Erkan.

Auf der Bühne wird das Organisationsteam der Veranstaltung vorgestellt.
Auf der Bühne wird das Organisationsteam der Veranstaltung vorgestellt.Michael Braunschädel

Ein anderer sagt: „Wir lassen uns nicht kleinkriegen.“ Er sei in Köln aufgewachsen und sein kurdischer Großvater stamme aus der türkischen Stadt Urfa. „Newroz“ sei ein offenes Fest, bei dem das kulturelle Zusammenleben im Vordergrund stehe. „Gleichzeitig zeigen wir, dass wir da sind“, sagt er. Öcalans Lebenszeichen sei nach so langer Zeit wichtig für die Kurden.

Die Inhaftierung von Kurden, die Kritik an der türkischen Regierung übten, habe nie aufgehört, sagt Ayboga. Nach Öcalans Aufruf seien es zumindest weniger geworden. Er glaube, dass die Diskussion über die Auflösung der PKK für Zugeständnisse an die kurdische Bevölkerung nun weitergehen werde. „Die türkische Regierung ist nicht an mehr Demokratie interessiert, aber sie überlegt, wie sie aus den Verhandlungen Kapital schlagen kann“, sagt er.