Diese Namen werden für Ministerposten gehandelt

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Wenn an diesem Montag die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD wieder aufgenommen werden, geht es inhaltlich um die ganz dicken Brocken, auf die sich Schwarz-Rot bisher nicht einigen konnte: die Migration etwa, das Thema Steuern und Finanzen sowie das Rentenniveau. Etwas stiller ist es seit Freitag mit Beginn der Gespräche in der sogenannten Verhandlungs- oder Neunzehnergruppe um die Besetzung der Ministerposten geworden.

Dabei brennt das Thema der Öffentlichkeit unter den Nägeln wie kaum ein zweites. Wer wird Finanzminister? Wer zieht ins Auswärtige Amt ein? Wer steuert die Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik? Wer kümmert sich künftig um Gesundheit und Pflege?

Endgültig vergeben werden die begehrten Führungsämter erst, wenn der Koalitionsvertrag steht. Aber die jüngste Vorschlagsliste, die der F.A.Z. vorab vorliegt, lässt aufhorchen. Denn darauf sind bekannte und erwartbare Namen zu finden, einige als sicher geglaubte aber nicht. Ein Ministerium verschwindet, ein neues entsteht. Und es bekommen Personen eine Chance, mit denen kaum ein Beobachter gerechnet hatte – vor allem weibliche Politiker.

Neues Digitalministerium soll geschaffen werden

Die Tabelle ist nicht bestätigt, niemand von Gewicht will sich dazu äußern. Denn alle Beteiligten wissen, dass jede Lösung nur vorläufig ist, solange das politische Geben und Nehmen zwischen CDU, CSU und SPD noch andauert. Dem Papier zufolge wird es wieder 16 Bundesministerien geben, neben dem Kanzleramtsminister 15 Fachressorts. Hinzu kommen am Kabinettstisch noch der Kanzler und der im Kanzleramt angesiedelte Staatminister für Kultur. Anders als die Legislative, der Bundestag, schrumpft die Exekutive also nicht, zumindest nicht an der Spitze.

Der Zuschnitt der einzelnen Häuser ist noch unklar, auffällig ist aber, dass das bisherige Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in dieser Form nicht weiterexistieren soll. Stattdessen wird ein eigenes Digitalministerium geschaffen, das bisher ans Verkehrsressort angeschlossen war. Letzteres könnte jetzt Teil eines neuen Hauses mit dem Titel Infrastruktur werden. Anders als zuweilen vorausgesagt, dürfte das Entwicklungshilfeministerium bestehen bleiben.

Die CDU erhielte, wenn alles so käme, wie notiert, neben der Kanzlerschaft und den beiden Posten im Kanzleramt noch sieben Fachministerien. Der SPD stünden fünf zu, die CSU drei. Von den 16 Ämtern mit Ministerrang – einschließlich des Chefs des Kanzleramts – wird die Hälfte weiblich besetzt.

Gilt als Minister gesetzt: CDU-Politiker Carsten Linnemann
Gilt als Minister gesetzt: CDU-Politiker Carsten Linnemanndpa

Wer sind die künftigen Regierungskräfte der CDU? Das Kabinett anführen wird natürlich Friedrich Merz als Kanzler, sein Amtschef wird den Angaben zufolge Thorsten Frei, bisher Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Als Kulturstaatsminister wird Joe Chialo gehandelt, derzeit noch Kultursenator in Berlin. Das Wirtschaftsministerium erhielte Generalsekretär Carsten Linnemann, möglicherweise in Kombination mit dem Sozialressort. Dafür könnte Linnemann das Klimathema an das Umweltministerium unter Andreas Jung abgeben. Dieser ist stellvertretender Parteivorsitzender und war in der Fraktion Sprecher für Energie und Klimaschutz.

Spahn ist nicht als Minister gesetzt

Soll Bundesinfrastrukturministerin werden: Ina Scharrenbach aus NRW
Soll Bundesinfrastrukturministerin werden: Ina Scharrenbach aus NRWdpa

Bemerkenswert ist die Personalie Ina Scharrenbach. Die Achtundvierzigjährige ist Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen. Sie soll dem Vernehmen nach Bundesinfrastrukturministerin werden. Das wäre auch deshalb ein überraschender Schachzug, weil sie neben Merz und Linnemann das dritte Kabinettmitglied der CDU aus NRW wäre. Kommt sie wirklich zum Zuge, würde das erklären, warum der bisherige Fraktionsvize Jens Spahn nicht mehr im Tableau steht. Er galt als gesetzt, doch noch ein NRW-Mann war im Proporz offenbar nicht durchsetzbar. Spahn wird möglicherweise Nachfolger von Merz als Fraktionsvorsitzender im Bundestag.

Die Landesverbände müssen die Unionsstrategen stets berücksichtigen, vor allem, wenn sie dort regieren wie in Berlin oder NRW. Auch das grün-schwarze Baden-Württemberg ist mit Frei und Jung gut vertreten. Ostdeutschland würde freilich nur mit einem Posten bedacht: Der gesundheitspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Tino Sorge aus Sachsen-Anhalt, soll der Liste zufolge Bundesgesundheitsminister werden.

Wohl der einzige ostdeutsche Politiker im zukünftigen Kabinett: Tino Sorge von der CDU
Wohl der einzige ostdeutsche Politiker im zukünftigen Kabinett: Tino Sorge von der CDUdpa

Für das neu aufzubauende Digitalministerium ist Kristina Sinemus vorgesehen, wiederum eine Überraschung. Auf Landesebene bekleidet sie dieses Amt bereits seit 2019 in Hessen. Dessen CDU-Landesverband hat ebenfalls beachtliche Bedeutung, hinter Bayern und Baden-Württemberg ist das Land der größte Nettozahler im Länderfinanzausgleich.

Wadephul ist als Außenminister vorgesehen

Für Niedersachsen, das als einziges Bundesland aus drei CDU-Landesverbänden besteht, könnte Bundesparteivize Silvia Breher aus Oldenburg der neuen Bundesregierung angehören. Die bisherige familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion soll das Familienministerium anführen. Breher gehörte 2021 bereits als Familienbeauftragte zum achtköpfigen „Zukunftsteam“ des Kanzlerkandidaten Armin Laschet.

Wird als Minister für Auswärtiges gehandelt: CDU-Mann Johann Wadephul
Wird als Minister für Auswärtiges gehandelt: CDU-Mann Johann Wadephuldpa

Dieser steht, wie sein NRW-Kollege Spahn, nicht auf der Liste, obgleich er kürzlich als möglicher künftiger Außenminister von sich reden gemacht hatte. Jetzt sieht es eher so aus, dass für das Auswärtige Amt Johann Wadephul aus dem schwarz-grün geführten Schleswig-Holstein vorgesehen ist. Er war auf Bundesebene bisher Vizefraktionsvorsitzender mit der Zuständigkeit für Auswärtiges und Verteidigung. Damit würde zum ersten Mal seit 1966 wieder ein Unionspolitiker Außenminister; der letzte hieß Gerhard Schröder. Es wäre auch das erste Mal seit jener Zeit, dass sich Kanzler- und Außenamt in der Hand derselben Partei befänden. Für Merz ist es in den angespannten internationalen Beziehungen wichtig, dass Deutschland nach außen mit einer Stimme spricht – nach Osten wie nach Westen. Die Konstellation würde auch den Aufbau eines Nationalen Sicherheitsrats vereinfachen.

Welche Ministerien bekäme die SPD – welche die CSU?

Die beide anderen Ministerien mit Außenwirkung gingen hingegen an die SPD: Boris Pistorius bliebe Verteidigungsminister, Svenja Schulze Entwicklungsministerin. Die wichtigste Besetzung für die Sozialdemokraten dürfte die ihres Partei- und Fraktionsvorsitzenden Lars Klingbeil als neuer Finanzminister werden. Das ginge wohl auch mit dem Posten des Vizekanzlers einher. Die bisherige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas soll den vorliegenden Unterlagen nach Arbeitsministerin werden. Als spannend dürfte sich erweisen, ob sie sich von Linnemann die Sozialpolitik wegschnappen lässt oder an dieser sozialdemokratischen Domäne festhalten kann.

Sollen allesamt Minister werden: Dobrindt, Pistorius und Klingbeil im Gespräch mit Merz
Sollen allesamt Minister werden: Dobrindt, Pistorius und Klingbeil im Gespräch mit MerzEPA

Auch die SPD zaubert eine weibliche Überraschung aus dem Hut: Als Justizministerin ist die erst 38 Jahre alte Bundestagsabgeordnete Sonja Eichwede im Gespräch. Sie repräsentiert Brandenburg, stammt aber eigentlich aus Bremen und ist beurlaubte Richterin in Neuruppin. Die wichtigste Nominierung für die CSU wäre jene von Alexander Dobrindt als neuer Bundesinnenminister. Er ist bislang der Erste Stellvertreter in der Unionsfraktion sowie CSU-Landesgruppenchef im Bundestag. Als ehemaliger Verkehrs- und Digitalminister besitzt er Regierungserfahrung.

Bislang eher unbekannt: die SPD-Politikerin Sonja Eichwede
Bislang eher unbekannt: die SPD-Politikerin Sonja Eichwededpa

Das gilt auch für Dorothee Bär, die für das Bundesbildungsministerium auf dem Zettel steht. Sie ist ebenfalls eine der Vizevorsitzenden der Unionsfraktion und überdies CSU-Parteivizechefin. Unter Kanzlerin Angela Merkel war sie die Regierungsbeauftragte für Digitalisierung. An ihrer Seite am Kabinettstisch könnte demnächst die CSU-Kollegin Michaela Kaniber sitzen: als Bundeslandwirtschaftsministerin. Bisher hat sie dieses Amt auf Landeebene in Bayern inne. Sie ist für die Bundesberufung eingesprungen, weil der eigentlich dafür vorgesehene bayerische Bauernverbandspräsident Günther Felßner kürzlich seinen Verzicht erklärt hatte.