Ein kaum beachtetes Stiefkind der deutschen Industrie, als solches fristete die Rüstungsbranche lange ihr Dasein. Jetzt aber hat sich das ungeliebte Stiefkind plötzlich einen Platz am Tisch erkämpft, und mit Blick auf die Meldungen der letzten Monate kann man feststellen: Es sitzt vor Kopf. Jedenfalls möchte neuerdings jeder mit ihm Geschäfte machen. Jetzt, wo der Staat deutlich mehr Schulden für die Verteidigung aufnehmen kann, lockt das große Geld.
Die Liste der Unternehmen und Investoren, die ihr Engagement im Verteidigungsbereich ausweiten oder aufnehmen wollen, wird stetig länger. Der neueste Kandidat: die Porsche SE. Die Beteiligungsgesellschaft der Milliardärsfamilien Porsche und Piëch denkt laut ihrem Vorstandsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch darüber nach, sich dem Rüstungsbereich zuzuwenden, hieß es am Mittwoch aus Stuttgart.

Ähnliches deutete im Februar bereits das Familienunternehmen Trumpf an, das von Nicola Leibinger-Kammüller geführt wird. Eigentlich schließt der Gesellschaftervertrag des christlich geprägten Unternehmens aus, sich an der Waffenproduktion zu beteiligen. Doch einiges spricht dafür, dass das Unternehmen sein Selbstverständnis dahin gehend überdenkt. Vor allem im Bereich der Laserdrohnenabwehr könnte Trumpf eine wichtige Rolle einnehmen. Weitere Unternehmen auf der Liste sind etwa der Textilspezialist Freudenberg und die Autozulieferer Jopp, Dürr und Schaeffler, die sich mit einer Krise in ihrer Kernindustrie konfrontiert sehen. Rüstung als Rettungsanker – kann das funktionieren?

Ausgerechnet vor den Toren der Autometropole Ingolstadt hat ein kleiner Mittelständler gezeigt: Ja, das geht. Thomas Hirsch hat mit seinem Betrieb Hirsch Engineering Solutions bereits geschafft, woran sich nun viele Unternehmen versuchen. Machte Hirsch 2021 noch 95 Prozent seines Umsatzes mit der Autoindustrie, sind es heute nahezu null, sagt der Chef. Stattdessen setzte Hirsch in den letzten Jahren voll auf die Luft- und Raumfahrtindustrie, liefert nun etwa Komponenten für Triebwerke.
Rund die Hälfte des Umsatzes entfalle auf den Bereich Verteidigung, schätzt Hirsch. „Anfangs wurden wir von vielen belächelt“, erzählt er der F.A.S. Und der Weg war auch nicht immer leicht: „Man sollte nicht unterschätzen, wie unterschiedlich die Anforderungen in der Auto- und Rüstungsindustrie sind.“ Gelohnt hat es sich für Hirsch aber allemal. Seinen Umsatz konnte er gegenüber 2021 verdoppeln, sagt er.