Warum alte Textilien kaum recycelt werden

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Stand: 31.03.2025 11:36 Uhr

Nur ein Prozent der Alttextilien weltweit wird recycelt. Es mangelt an Sortier- und Recyclinganlagen, um aus Altkleidern Garn für neue Textilien zu gewinnen. Die Techniken gibt es zwar – aber nur im Versuchsmaßstab.

Seit 2022 gibt es Ende März den “Zero-Waste-Day”, den “Null-Abfall-Tag”. In diesem Jahr liegt der Fokus auf Textilien, ein Bereich, in dem die Abfallmengen seit Langem zunehmen. Laut dem UN-Umweltprogramm verdoppelte sich die globale Textilproduktion von 2000 bis 2015. Weltweit fallen jedes Jahr 92 Millionen Tonnen Textilabfälle an. Das entspricht einer Lkw-Landung mit Altkleidern pro Sekunde. Nur rund ein Prozent davon wird recycelt.

Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Gleichzeitig fehlt es an Recyclinganlagen, nicht zuletzt, weil die Forschung zu entsprechenden Technologien lange vernachlässigt wurde.

Mechanisches Recycling: Pullover und Geschirrtücher

Faser-zu-Faser-Recycling ist die Königsdisziplin beim Wiederverwerten von Textilien. Im Recycling-Atelier des Instituts für Textiltechnik Augsburg gelingt das, und zwar auch mit Mischtextilien wie beispielsweise Hotelbettwäsche aus Baumwolle und Polyester. Das Institut arbeitet mit einer großen Mietwäsche-Firma zusammen. Die Bettlaken werden maschinell zerschnitten, zerrissen und zu neuem Garn gesponnen.

Alttextilien lassen sich auch gut nach Farben sortieren. Die Garne müssen dann nicht oder nur ganz leicht gefärbt werden, um daraus etwa einen himmelblauen Pullover zu stricken, den das Recycling-Atelier in seiner Produktpalette hat. “Wir möchten zeigen, dass man aus recycelten Garnen schicke Mode herstellen kann”, betont Professor Stefan Schlichter von der Technischen Hochschule Augsburg, Koordinator des Recycling-Ateliers.

Auch Haushaltstextilien aus gewebten Stoffen wie Geschirrtücher lassen sich aus wiedergewonnenen Garnen herstellen. “Aber Webgarne haben höhere Anforderungen bezüglich Festigkeit, dafür muss ich besseres Grundmaterial, längere Fasern schon als Alttextil verwenden”, sagt Schlichter. Die Sortierung spielt also eine wichtige Rolle. Die läuft im Recycling-Atelier mittels Nahinfrarot-Kameras und KI buchstäblich am Fließband.

Auch ganz kurze Fasern haben in Augsburg eine Chance: Sie werden nicht zu billigem Maler-Abdeckvlies verarbeitet, sondern zu einer Art Filz gepresst, aus dem als Versuchsprodukte eine Laptop-Tasche und ein Rucksack entstanden sind.

Chemisches Recycling: Jacke aus wiedergewonnenem Polyamid

Für Chemie-Fasern braucht man andere Recycling-Techniken. Sie werden aus Erdöl hergestellt und sind, wie alle Kunststoffe, Polymere. Das heißt: eine lange Kette aus einzelnen Bausteinen, den Monomeren. Beim chemischen Recycling werden die Stoffe depolymerisiert, also wieder in die Einzelbausteine zerlegt.

Die Firma BASF stellt auf diese Weise “Loopamid” her, recyceltes Polyamid. Wie das genau funktioniert, bleibt ein Betriebsgeheimnis. Gemeinsam mit einem Bekleidungsunternehmen brachte BASF vor einigen Jahren eine Jacke auf den Markt, die vom Oberstoff bis zu den Knöpfen komplett aus Loopamid bestand. Weil es aber an sortierten Polyamid-Altkleidern fehlt, werden zurzeit nur Schnitt-Abfälle aus der Bekleidungsindustrie zu Loopamid in China in einer extra dafür gebauten Recyclingfabrik. Solche Schnittreste würden sonst einfach verbrannt.

Das Henne-Ei-Problem des Textilrecyclings

Zwar lassen sich verschiedene Fasertypen mittels Nahinfrarot-Kameras sortieren, aber es gibt keine industrielle Anlage dafür. Dasselbe gilt für die KI-Methode, mit der das Recycling-Atelier in Augsburg Hosen von Jacken unterscheidet, oder Reißverschlüsse und Flecken erkennt. Große Sortieranlagen würden sich erst lohnen, wenn es auch mechanische oder chemische Recyclinganlagen gäbe, die aus diesem Sekundärrohstoff neues Garn herstellen. Es ist ein Henne-Ei-Problem.

Kollabiert der Altkleider-Markt?

Während es also an sortierten Textilien fehlt, quellen die Altkleidercontainer über. Ein Teil der Ware landet in Gebrauchtwarenläden wie dem des Roten Kreuzes in Nürnberg. Nur hochwertige, saubere und unbeschädigte Teile taugen für den Verkauf. Sie werden von Hand herausgesucht. Billige Fast Fashion fällt durch. “Wenn ein T-Shirt so dünn ist, dass ich durch den Stoff ein Buch lesen kann, ist das ist eigentlich Müll”, sagt Ulrike Keppler vom Gebrauchtwarenladen. Für dasselbe Geld gibt es bei ihr hochwertige Teile.

Was für den Laden nicht taugt, wird nach Osteuropa exportiert und, soweit geeignet, und von dort aus an Bedürftige in aller Welt verteilt. Das wird aber immer schwieriger, unter anderem wegen der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. “Und den afrikanischen Markt besetzt China mit Neuware”, sagt Helmut Huber, Leiter der Abteilung Gebrauchtwaren und Wertstoffe beim Roten Kreuz in Nürnberg. “Es ist sehr schwierig geworden, selbst wiederverwendbare Ware abzusetzen.” Aber wenn Second-Hand-Läden überschüssige Ware auf eigene Kosten verbrennen müssten, wäre es das Ende vieler dieser Geschäfte.

Zero Waste bei Textilien – ein sehr weiter Weg

Wer Kleidung möglichst lange trägt, sie zum Altkleidercontainer oder in den Second-Hand-Verkauf bringt, schont Ressourcen wie Wasser, Böden, fossile Rohstoffe und das Klima. Nur hochwertige Teile eignen sich allerdings für den Second-Hand-Markt. Und Recycling heißt bei Textilien zurzeit eher: “Downcycling” zu Putzlappen, Dämmstoff oder ähnlichem. Denn, sagt Stefan Schlichter von der Technischen Hochschule Augsburg: “Wir haben 30, 40 Jahre nicht in die Forschung zu textilen Recyclingtechnologien investiert.” Jetzt gibt es zwar die Technologien, bisher allerdings nur in Versuchsanlagen. Bis zur Anwendung im großen Maßstab ist noch einiges aufzuholen.