Katastrophe in Südostasien
Myanmar-Beben: Spannung baute sich womöglich 200 Jahre auf
Aktualisiert am 01.04.2025 – 10:19 UhrLesedauer: 2 Min.

Das Epizentrum des südostasiatischen Erdbebens lag in Myanmar. Tausend Kilometer entfernt stürzte in Bangkok ein Hochhaus-Rohbau ein – wie war das möglich?
Vor dem katastrophalen Erdbeben in Südostasien hat sich über viele Jahrzehnte – womöglich an die zwei Jahrhunderte -unsichtbar Spannung im Untergrund aufgebaut. Dass das Beben noch in gut tausend Kilometer Entfernung vom in Myanmar gelegenen Epizentrum ein im Bau befindliches Hochhaus in Bangkok zum Einsturz bringen konnte, ist nach Worten des Münchner Geophysikers Martin Käser maßgeblich auf den weichen Untergrund der thailändischen Hauptstadt zurückzuführen.
Das Beben habe sich entlang der prominentesten Störungslinie in Myanmar ereignet, der Sagaing-Verwerfung, sagte Käser, Leiter der Abteilung für geophysikalische Risiken des Rückversicherers Munich Re und Professor an der Münchner Ludwig Maximilians-Universität. “Diese verläuft in Nord-Süd-Ausrichtung durch das ganze Land. Die Magnitude war mit 7,7 eine der höchsten je in Myanmar gemessenen.” An dieser Plattengrenze stoßen demnach im Westen die indische Platte und im Osten die eurasische Platte aneinander. Diese bewegen sich nach Käsers Worten horizontal aneinander vorbei: der östliche Teil von Nord nach Süd, der westliche in der entgegen gesetzten Richtung.
“Diese zwei Platten schieben sich bei konstantem Gleiten circa zwei Zentimeter pro Jahr aneinander vorbei”, sagte Käser der Deutschen Presse-Agentur. “Durch das große Beben ist die Spannung, die sich zwischen diesen beiden Platten aufgebaut hatte, auf einen Schlag gelöst worden.” Der Versatz betrage circa fünf bis sechs Meter, “je nachdem, an welcher Stelle man das genau betrachtet”, sagte der Wissenschaftler. “Möglicherweise hat sich schon an die 200 Jahre lang Spannung dort aufgebaut.”
Der Bruch begann in der Nähe der in der Mitte Myanmars gelegenen Stadt Mandalay. Dieser habe sich dann überwiegend nach Süden ausgebreitet und zu einem sogenannten Richtungseffekt geführt. “Das heißt, dass die Bodenbewegung in Richtung des Erdbebenbruches, also in diesem Fall im Süden, deutlich stärker ist als im Norden.”
Im Süden liegt auch Bangkok, gut tausend Kilometer von Mandalay entfernt. Wie konnte es dazu kommen, dass in so großer Entfernung noch ein Hochhaus-Rohbau einstürzen konnte? Abgesehen davon, dass die thailändische Hauptstadt in der Richtung des Erdbebenbruchs lag, spielte nach Analyse des Geophysikers ein zweiter Faktor eine Rolle: “Bangkok hat darüber hinaus den speziellen Nachteil, auf sehr lockerem Untergrund zu stehen.” Der Fluss Chao Praya habe dort über die Jahrtausende Sedimente abgelagert, mehrere hundert Meter dick. “Und wenn diese Masse in Schwingung gerät, schaukeln sich die Bodenbewegungsamplituden sogar noch auf. Und das hat vermutlich dazu geführt, dass Bangkok auch schwere Schäden zu verzeichnen hat.”
Niedrigfrequente Wellen mit einer Schwankungsperiode von ein bis zwei Sekunden breiteten sich in der Erde deutlich weiter aus als hochfrequente Schwingungen. “Wenn diese niedrigfrequenten Wellen in so lockeres Material laufen wie in Bangkok, kommt es sogar in Entfernungen von bis zu tausend Kilometern zu so starken Schwingungen.”
In Bangkok sind bislang über 20 Todesopfer bestätigt, über 70 Menschen werden nach dem Einsturz des dreißigstöckigen Gebäudes noch vermisst. Darüber hinaus beschädigte das Beben viele weitere Häuser.