Diese zwölf Szenen machen Amerikanern Angst

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Seit seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Monaten hat Präsident Donald Trump viele Tabus gebrochen. Zwölf Szenen aus den Vereinigten Staaten, die zeigen, was sich gerade verändert.

2. Februar 2025, Sitz der USAID-Zentrale:

Zwei leitende Mitarbeiter der Sicherheitszentrale in der amerikanischen Behörde für Entwicklungshilfe werden beurlaubt und aus der USAID-Zentrale geführt. Sie hatten versucht, DOGE-Mitarbeitern von Elon Musks Team für staatliche Effizienz den Zugang zu Daten zu verweigern, da sie nicht über eine Sicherheitsfreigabe verfügten. Die DOGE-Leute drohen ihnen, die Marshalls zu rufen, und setzen sich durch. Mitarbeitern von USAID war über Nacht per E-Mail mitgeteilt worden, dass die Zentrale geschlossen bleibe und sie nicht zur Arbeit erscheinen sollten. Elon Musk schreibt auf X: USAID sei eine „kriminelle Organisation“ und müsse „sterben“. Mitarbeiter der Behörde verlieren den Zugang zu ihren Computern. Polizisten stehen plötzlich in den Fluren der Behörde. Vor der Zentrale demonstrieren Betroffene. Demokratischen Mitgliedern des Kongresses, die sich mit ihnen solidarisieren, wird der Zugang zur Zentrale verweigert. Man möge sich ans Außenministerium wenden.

Donald Trump feiert auf seiner Plattform Truth Social die Entscheidung seiner Regierung, die neue Anti-Stau-Maut in New York City wieder abzuschaffen. Manhattan und ganz New York seien gerettet, schreibt er. „LANG LEBE DER KÖNIG!“ Wenig später verbreitet das Weiße Haus über seine offiziellen Social-Media-Kanäle ein selbst angefertigtes Zeitschriftencover. Darauf zu sehen ist Trump vor der Kulisse New Yorks mit einer goldenen Krone auf dem Kopf. Noch gilt die Maut; es läuft eine Klage der städtischen Verkehrsbehörde gegen die Bundesregierung.

Trump als König, gepostet auf X am 19.02.2025 mit dem Zitat: "CONGESTION PRICING IS DEAD. Manhattan, and all of New York, is SAVED. LONG LIVE THE KING!" –President Donald J. Trump"
Trump als König, gepostet auf X am 19.02.2025 mit dem Zitat: “CONGESTION PRICING IS DEAD. Manhattan, and all of New York, is SAVED. LONG LIVE THE KING!” –President Donald J. Trump”@WhiteHouse/X

20. Februar 2025, CPAC-Konferenz:

Steve Bannon, früher Präsidentenberater im Weißen Haus und heute Podcaster, spricht auf der CPAC-Konferenz in der Nähe von Washington, wo sich die Trump-Bewegung versammelt. „Uns bleibt der Sieg nur verwehrt, wenn wir aufgeben. Die anderen gewinnen nur dann, wenn wir uns zurückziehen. Das werden wir nicht tun. Kämpft. Kämpft. Kämpft.“ Er hebt den rechten Arm zum Hitler-Gruß. Jubel im Saal. Bannon: „Amen. Gott beschütze euch.“

21. Februar 2025, Bankettsaal des Weißen Hauses:

Donald Trump hat Gouverneure beider Parteien ins Weiße Haus eingeladen. Als es um seinen neuen Erlass geht, der Transgender-Athleten vom Frauensport ausschließt, spricht er Janet Mills an, demokratische Gouverneurin von Maine: „Werden Sie sich nicht daran halten?“ Mills gibt zurück: „Ich halte mich an die Gesetze des Staates und des Bundes.“ Trump: „Wir sind das Bundesgesetz.“ Maine möge der Anweisung besser folgen, sonst gebe es keinerlei Finanzhilfen mehr vom Bund.

Gouverneurin Mills sagt daraufhin: „Wir sehen uns vor Gericht.“ Trump erwidert, das dies ein Einfaches werden dürfte. Er droht Mills: „Genieß das Leben nach dem Gouverneursdasein, denn ich glaube nicht, dass du noch gewählte Politikerin sein wirst.“ Maine hatte 2021 ein Gesetz aktualisiert, das Diskriminierung wegen der Geschlechtsidentität verbietet. Die Regierung in Washington drohte dem Bildungsministerium des Bundesstaates Mitte März mit rechtlichen Schritten, sollte es dem neuen Dekret nicht Folge leisten.

22. Februar 2025, letzter Tag der CPAC-Konferenz:

Trump spricht zu seinen Anhängern. Hinten im Saal, direkt neben dem Bereich, in dem Kameraleute und Reporter arbeiten, haben sich sogenannte „J6er“ postiert. Ein Dutzend Leute, die am 6. Januar 2021 das Kapitol gestürmt hatten und später angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt wurden. Trump hatte sie am ersten Tag nach der Rückkehr ins Weiße Haus begnadigt. Nun jubeln sie Trump zu und schauen mit Genugtuung auf die Medienvertreter. Auch Stewart Rhodes, der Gründer der rechtsradikalen „Oath Keepers“, und Enrique Tarrio, der ehemalige Chef der „Proud Boys“, sind da.

26. Februar 2025, Kabinettssaal des Weißen Hauses:

Trump lädt zur ersten Kabinettssitzung. Sie findet in Teilen öffentlich statt. Der Präsident erteilt Elon Musk das Wort, der als Gast hinzugebeten wurde. Trump: Es gebe ein großes Interesse an DOGE; der Staatsapparat werde „ausgejätet“. Milliarden würden gespart. Der Techmilliardär steht am Kopfende des Tisches. Er trägt einen dunklen Baseball-Hut und ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Tech Support“. Das beschreibe die Arbeit seines Teams ganz gut, sagt Musk. „Wir helfen, die Computer in den Bundesbehörden zu reparieren.“ Die Software funktioniere nicht. Minister und Berater schauen ein wenig ungläubig. Außenminister Marco Rubio, der in der nächsten Kabinettssitzung mit Musk aneinandergerät, senkt das Haupt. Musk: „Wir können eine Billion Dollar einsparen“, durch die Bekämpfung von Betrug und Verschwendung. Wenn er die Arbeit nicht mache, werde Amerika pleitegehen. Es müsse sein. Musk gestikuliert und wackelt mit dem Kopf: „Ich erhalte viele Todesdrohungen.“

8. März 2025, New York City:

Der 30 Jahre Mahmoud Khalil wird im Treppenhaus seines Apartmenthauses in Manhattan von Beamten in Zivil festgenommen, als er abends nach Hause kommt. Er leistet keinen Widerstand, doch ein Mann legt seine Hände hinter dem Rücken in Handschellen. „Das ist nicht nötig“, sagt Khalil. Ein Beamter gibt zurück: „Wir haben dich. Du wirst mit uns mitkommen müssen“. Khalil: „Ja, ich komme mit, keine Sorge.“ Seine Frau Noor Abdalla, die im achten Monat schwanger ist, filmt die Szene. Auf Anweisung einer Anwältin am Telefon fragt die amerikanische Staatsbürgerin nach einem Namen und der zuständigen Behörde, bekommt jedoch keine Antwort. Die Männer nehmen Khalil in einem SUV ohne offizielle Kennzeichnung mit.

Später heißt es, dem Absolventen der Columbia-Universität und Mitorganisator der propalästinensischen Proteste dort würde die Unterstützung der Hamas vorgeworfen. Er soll seine Green Card entzogen bekommen und nach Libanon abgeschoben werden; bislang sitzt er jedoch in Louisiana in Haft. Khalil ist der erste von mehreren Fällen, in denen Ausländer mit gültigem Aufenthaltsstatus und pro­paläs­ti­nen­sischem Engagement wegen ihrer angeblichen Nähe zur Terrororganisation Hamas von Zivilbeamten festgenommen und inhaftiert werden. In keinem der Fälle hat die Regierung bislang Beweise vorgelegt.

14. März 2025, Justizministerium:

Donald Trump hält eine Rede im Justizministerium, in der es laut Ankündigung um die Wiederherstellung von „Recht und Ordnung“ gehen soll. So ein Auftritt ist selten. Wenn, dann wahren Präsidenten dabei im Sinne der Gewaltenteilung in der Regel Distanz zu Vorgängen innerhalb der Behörde. Doch Trump kritisiert die vorherige Arbeit des Ministeriums, wettert gegen seine politischen Feinde und droht mit Vergeltung. Das Justizministerium sei unter seinem Vorgänger zu einem „Unrechtsministerium“ geworden, sagt er. Er nennt unter anderem die Dursuchung seines Anwesens Mar-a-Lago in Florida durch das FBI, die vom früheren Justizminister Merrick Garland genehmigt und richterlich gebilligt worden war.

Trump hebt hervor, für die begangenen Fehler werde er als „oberster Strafverfolger“ künftig auf eine „vollständige und lückenlose Rechenschaftspflicht“ bestehen. Dieser Titel gebührt üblicherweise dem Justizminister. Der Präsident wiederholt die Behauptung, die Anklagen gegen ihn seien Ergebnis politischer Verfolgung gewesen. „Radikale“ hätten alles darangesetzt, seine Präsidentschaft zu verhindern. Doch er werde seine Feinde „entlarven“. Bevor er die Bühne verlässt, sagt Trump, er habe sich gefragt, ob eine Rede im Justizministerium „angemessen“ sei. Doch dann habe er sich bewusst gemacht, „dass es nicht nur angemessen, sondern sehr wichtig ist“.

Ungewöhnlicher Auftritt: Trump am 14. März im Justizministerium
Ungewöhnlicher Auftritt: Trump am 14. März im JustizministeriumReuters

14. März 2025, Justizministerium:

Donald Trump bezichtigt die traditionellen Medien, mit den Demokraten zusammenzuarbeiten. „Ich glaube, dass CNN und MSDNC, die buchstäblich 97,6 Prozent schlecht über mich schreiben, politische Arme der demokratischen Partei sind“, sagt er in einer Rede im Justizministerium. „Und meiner Meinung nach sind sie wirklich korrupt und illegal.“ Das „DNC“ ist eine Anspielung auf die Parteiorganisation der Demokraten. Der Sender heißt eigentlich MSNBC.

15. März 2025, Washington:

Das Weiße Haus beruft sich auf den sogenannten Alien Enemies Act, ein Kriegsrecht von 1798, um mehr als zweihundert angebliche Mitglieder des venezolanischen Verbrechersyndikats Tren de Aragua ohne ordentliches Verfahren aus den Vereinigten Staaten nach El Salvador abzuschieben. Auf die Klage einer Bürgerrechtsorganisation hin ordnet der Washingtoner Bundesrichter James ­Boasberg am Abend an, dass alle Flugzeuge, „die abheben oder in der Luft sind“, sofort gestoppt oder zurückgeholt werden müssen. Das Weiße Haus reagiert nicht und behauptet später, die Flugzeuge seien schon nicht mehr in amerikanischem Luftraum gewesen.

Außenminister Marco Rubio teilt am nächsten Morgen den Beitrag des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele, in dem dieser die richterlichen Anordnung mit einem lachenden Smiley kommentiert. „Upsi . . . zu spät“, schreibt er. Die Trump-Regierung verweigert sich mehreren richterlichen Aufforderungen, Details zum zeitlichen Ablauf der Abschiebeflüge vorzulegen. Am 24. März beruft sie sich wegen einer angeblichen Gefahr für die nationale Sicherheit schließlich auf das Geheimhaltungsprivileg. Zwei Tage später besucht Heimatschutzministerin Kristi Noem das berüchtigte Gefängnis, in das ein Großteil der Männer gebracht wurde, und posiert vor Gefangenen in Zellen. Ein Berufungsgericht in Washington bestätigt am selben Tag Boasbergs Entscheidung, die Abschiebeflüge zu stoppen.

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19. März 2025, Oval Office:

Brad Karp, der Vorsitzende der milliardenschweren Anwaltskanzlei Paul Weiss, trifft sich mit Donald Trump im Weißen Haus. Vor fünf Tagen hat der amerikanische Präsident einen Erlass unterzeichnet, in dem er der Kanzlei droht, ihr künftig den Zugang zu Bundesgerichten zu verwehren sowie ihr Sicherheitsfreigaben und Regierungsaufträge zu entziehen. Er verweist dabei auf Verbindungen zum „unethischen“ früheren Kanzleimitarbeiter Mark Pomerantz, der später in die Bezirksstaatsanwaltschaft New York wechselte, die Trump angeklagt hatte. Paul Weiss hat eine geplante Klage gegen die Maßnahme Trumps aus Furcht vor einem Exodus der Klienten verworfen.

Während des Treffens im Oval Office ruft Trump laut dem „Wall Street Journal“ einen direkten Konkurrenten Karps an, um ihn nach seiner Einschätzung zu fragen. Nach drei Stunden verlässt Karp das Weiße Haus, und Trump schreibt auf Truth Social, die Kanzlei habe eingewilligt, künftig 40 Millionen Dollar an Pro-Bono-Aufträgen für die Regierung anzunehmen. Außerdem habe Karp „Fehlverhalten“ des früheren Partners Pomerantz zugegeben und eingewilligt, künftig auf Diversitätsrichtlinien zu verzichten. Neun Tage später gibt Trump bekannt, dass auch die Großkanzlei Skadden eingewilligt hat, Pro-Bono-Fälle in Höhe von 100 Millionen Dollar für die Regierung zu übernehmen, um Sanktionen zu vermeiden.

27. März, Briefing Room des Weißen Hauses:

Trumps Sprecherin Karoline Leavitt unterrichtet die Presse. Der Präsident habe ein „historisches Dekret“ erlassen, um die Integrität der Wahlen in Amerika zu schützen. Die Regierung arbeite hart für das Wohl des amerikanischen Volkes. Aber „die Mainstream-Medien“ konzentrierten sich weiter nur auf eine Geschichte. Es geht um den Chatskandal, bei dem Details zu US-Angriffen auf Stellungen der Huthi-Miliz im Jemen in einer Signal-Gruppe veröffentlicht wurden. Leavitt sagt: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass keine geheimen Informationen in dem Chat angegeben wurden.“ Alles sei nur eine „Desinformationskampagne“ der „Mainstream-Medien“. Die wahre Geschichte sei der überwältigende Erfolg der Militäroperation. Nun dürfen die Journalisten Fragen stellen. Zunächst erhält ein neues Mitglied des Pressekorps das Wort: Lyndsay Keith von „Merit Street“, dessen Gründer im vergangenen Jahr auf Trump-Kundgebungen aufgetreten ist. Leavitt teilt mit, „Merit Street“ sei im vergangenen Jahr auf Sendung gegangen. „Wir sind froh, dass du hier bist, Lyndsay. Bitte, fang du an.“ Keith fragt zum Chat­skandal: „Wie gut fühlt sich der Präsident, nun da der Chat veröffentlicht wurde?“