Drei Tote auf chinesischer Autobahn

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Ein tödlicher Unfall mit einem Xiaomi -Auto wirft Fragen nach der Sicherheit des Autopiloten des Pekinger Unternehmens auf. Bei dem Unfall sind drei Studentinnen ums Leben gekommen, die auf dem Weg von Wuhan in die Provinz Anhui waren, um an einem Examen teilzunehmen, heißt es in chinesischen Medienberichten. Der Unfall mit dem Elektroauto ereignete sich schon am Samstagabend auf einer Autobahn.

Xiaomi ging nicht auf die Todesfälle ein, bestätigte aber einen „schweren Verkehrsunfall“. „Wir bedauern dies zutiefst“, schrieb das Unternehmen auf dem Kurznachrichtendienst Weibo, vergleichbar mit X, und versprach, mit der Polizei zu kooperieren. „Nach vorläufigen Informationen befand sich das Fahrzeug vor dem Unfall im intelligenten Fahrassistenzmodus NOA“, heißt es weiter. NOA steht für „Navigate on Autopilot“.

Auf dem Straßenabschnitt fanden demnach Bauarbeiten statt, die Fahrzeuge wurden auf die Gegenfahrbahn umgeleitet. „Das Fahrzeug erkannte das Hindernis, gab eine Warnung aus und begann, langsamer zu werden.“ Daraufhin habe der Fahrer die Kontrolle übernommen, weiter abgebremst und gelenkt. „Das Fahrzeug kollidierte dann mit der Betonbarriere des Mittelstreifens. Die bestätigte Endgeschwindigkeit vor der Kollision betrug etwa 97 km/h.“

Zwei bis vier Sekunden zwischen Warnung und Kollision

Zwischen der Risikowarnung des Systems und der tödlichen Kollision lagen demnach zwei bis vier Sekunden. In weiteren Berichten heißt es, die Fahrerin sei die Freundin des Fahrzeughalters gewesen. Auf im Internet kursierenden Bildern ist ein völlig ausgebranntes Auto zu sehen. Nach Angaben des Wirtschaftsmediums „Caixin“ war das Auto mit einer BYD-Batterie ausgestattet. Das „integrierte Bremssystem sowie das Batteriemanagementsystem zur Überwachung von Spannungsstrom und Ladezustand“ kommt nach eigenen Angaben von Bosch. Der deutsche Zulieferer verwies auf Anfrage auf den Autohersteller. Man habe keine weiteren Informationen und wolle der Untersuchung nicht vorgreifen.

Allein dass es die Berichte und die Stellungnahme gibt, ist bemerkenswert. Meldungen über Unfälle mit Autopiloten sind in China sehr selten. Es ist unklar, ob das daran liegt, dass wenig Unfälle vorkommen oder die Zensur die Berichterstattung unterdrückt. Auch im Fall von Xiaomi lagen zwischen dem Unfall und der Stellungnahme auf Weibo rund 60 Stunden, in denen in den sozialen Medien unbestätigte Informationen kursierten.

Am Dienstag war der Unfall auf Weibo das meistdiskutierte Thema überhaupt, in Chinas Tiktok-Version tauchten der Unfall und seine Folgen drei Mal in der Rangliste der 10 wichtigsten Themen auf. Viele Nutzer fragten, warum Xiaomi sich erst mit Verzögerung geäußert habe. Zudem kursierten Gerüchte, die Türen des Autos hätten sich nicht öffnen lassen. Die F.A.Z. konnte diese Informationen nicht überprüfen.

Ähnlicher Fall bei Aito

Die US-Zeitung „New York Times“ berichtete vergangenes Jahr über den Fall eines Aito, einer Automarke, an der Huawei beteiligt ist. Dieser sei, während der Autopilot im Betrieb gewesen sei, auf einer Autobahn verunfallt. Eine Frau habe im Internet Videos verbreitet, in denen sie sagte, sie habe ihren Ehemann, ihren Bruder und ihren Sohn verloren, und eine Untersuchung forderte. Die Beiträge seien verschwunden, ebenso ein ausführlicher Bericht eines chinesischen Wirtschaftsmediums. Aito habe Tage später jede Verantwortung von sich gewiesen. Das Auto war demnach mit einer Geschwindigkeit von mehr als 110 Stundenkilometern unterwegs. Das automatische Bremssystem sei aber nur auf 85 Stundenkilometer ausgelegt gewesen.

Autonome Fahrfunktionen sind in neuen chinesischen Autos weit verbreitet. Branchenbeobachter gehen davon aus, dass dieses Jahr zwei Drittel der verkauften Autos, also etwa 15 Millionen Fahrzeuge, mit einem fortschrittlichen Autopiloten ausgestattet sein werden. Wang Chuan-fu, Chef des weltgrößten Elektroautoherstellers BYD, verkündete, die Systeme würden zum Standard. Selbst Autos, die rund 10.000 Euro kosten, werden ohne Aufpreis mit einem Autopiloten ausgestattet.

Großes Vertrauen in autonome Systeme

Die Regierung unterstützt die Technologie stark. Viele Städte haben Testgebiete ausgewiesen, in denen mitunter hunderte autonom fahrende Taxis unterwegs sind. Diese werden jedoch anders als die Privatautos von Sicherheitsfahrern überwacht, die nicht im Auto sitzen.

Viele Chinesen vertrauen den Systemen stark. Offiziell handelt es sich in den Privatautos um Autopiloten auf Level 2, der Fahrer behält die rechtliche Verantwortung und muss jederzeit eingreifen können. Tatsächlich verwenden viele Kunden die Autopiloten, als handle es sich um Level-4-Systeme, bei denen der Fahrer nicht eingreifen muss. Dafür gibt es indes auch in China bisher keine Regelung. Autonome Fahrsysteme werden üblicherweise von Level 1 bis 5 eingeteilt. Level 1 umfasst einfache Funktionen wie Tempomaten, von Level 3 an geht die rechtliche Verantwortung auf den Hersteller über.

Der Elektronikkonzern Xiaomi, der zuvor vor allem für Haushaltsgeräte und Smartphones bekannt war, ist vor einem Jahr in die Autobranche eingestiegen. Das Unternehmen wurde aus dem Stand zu einem der populärsten Hersteller und verkaufte innerhalb von nicht einmal einem Jahr mehr als 200.000 Fahrzeuge. Der Xiaomi-Aktienkurs in Hongkong gab am Dienstag zeitweise um mehr als sechs Prozent nach und notierte bei Handelsschluss 5,5 Prozent niedriger.