Keine CO₂-Strafen für deutsche Autohersteller

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Die deutschen Autokonzerne können vorerst aufatmen. Ihnen drohen zumindest in diesem Jahr wohl keine Strafen für das Verfehlen der CO₂-Ziele. Die Europäische Kommission hat am Dienstag vorgeschlagen, den Unternehmen drei Jahre Zeit zu geben, die gesetzlich vorgegebenen Ziele zu erreichen. Wenn ihre Neuwagenflotte in diesem Jahr mehr CO₂ ausstößt als erlaubt, könnten sie das nach dem Vorschlag in den kommenden zwei Jahren durch eine Übererfüllung der Grenzwerte ausgleichen. Nur wenn sie auf die drei Jahre gerechnet durchschnittlich immer noch über den Grenzwerten liegen, müssten sie zahlen.

Der erlaubte Grenzwert in der EU für den durchschnittlichen CO₂-Ausstoß ist nach den schon vor Jahren beschlossenen EU-Vorgaben zum 1. Januar von zuvor rund 115 Gramm je Kilometer (nach dem neuen, als realitätsnäher geltenden Messverfahren WLTP) auf 93,6 Gramm gesunken. Das ist ein Durchschnittswert für alle Fahrzeuge. Die Hersteller haben je nach Art ihrer Flotte individuelle Ziele. Wenn die Hersteller ihre Ziele in diesem Jahr verfehlen, müssen sie eigentlich für jedes Gramm zu viel je Fahrzeug 95 Euro zahlen.

Vertreter der Automobilbranche, allen voran der europäische Verband Acea, hatten seit Monaten auf eine Streichung oder zumindest Stundung dieser Strafen gedrungen. Sie argumentieren, dass den Konzernen wegen des langsamen Ausbaus der Ladeinfrastruktur und der mangelnden Nachfrage nach Elektroautos Strafen von insgesamt bis zu 13 Milliarden Euro für Autos und drei Milliarden Euro für Vans drohten. Diese Zahl dürfte viel zu hoch gegriffen sein, wie auch Automobilvertreter zugestehen. Sie basiert auf einer Hochrechnung der Situation Anfang 2024. Der Klimaverband Transport & Environment geht von möglichen Strafen von rund einer Milliarde Euro aus.

Autokonzerne durch Trump-Zölle unter Druck

In Modellrechnungen hätte von den deutschen Herstellern nach bisherigem Stand vor allem Volkswagen mit einer hohen Strafzahlung rechnen müssen. Mercedes-Benz bildet mit Volvo und Polestar einen „Hersteller-Pool“ und lag nach den Berechnungen der Lobbyorganisation International Council on Clean Transportation nur knapp über der Grenze. BMW konnte den Grenzwert demnach sogar knapp unterbieten.

Die Erleichterung aus Brüssel kommt für die Autokonzerne zu einem günstigen Moment. Die in der vergangenen Woche vom amerikanischen Präsidenten angekündigten Importzölle von 25 Prozent für alle Einfuhren in die USA drohen für sie zur finanziellen Last zu werden. Marktbeobachter rechnen mit Kosten in Milliardenhöhe für die Hersteller. Die Aktienkurse von VW, Mercedes und BMW hatten seitdem im hohen einstelligen Bereich verloren.

Das Aufschieben der Strafen war auch in der Automobilbranche nicht unumstritten. Einzelne Unternehmen wie Stellantis oder Volvo sprachen sich dagegen aus. Die Europäische Kommission hatte sich auch vor diesem Hintergrund lange gegen eine Überarbeitung der Regeln für die CO₂-Flottengrenzwerte gesperrt. Das bestrafe die Unternehmen, die alles darangesetzt hätten, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Im Übrigen hätten die Unternehmen jahrelang Zeit gehabt, um sich vorzubereiten, hieß es noch im Herbst.

Auch Robert Habeck war für Stundung der Strafen

Die Europäische Kommission gab dem starken Druck, nicht zuletzt aus Deutschland, aber schließlich nach. Selbst der grüne Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf, Robert Habeck, hatte sich für eine Stundung der Strafen ausgesprochen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte daraufhin Anfang März eine Lösung binnen Monatsfrist angekündigt, die das Erreichen der CO₂-Ziele auf die nun beschlossenen drei Jahre streckt.

Der Vorschlag der Kommission muss noch vom Europäischen Parlament und dem EU-Ministerrat angenommen werden. Das soll nach Vorstellung der Kommission in Schnellverfahren ohne inhaltliche Änderungen geschehen. Die EU-Institutionen könnten den Vorschlag allerdings nutzen, um weitere Änderungen an den Flottengrenzwerten zu beschließen, wenn sie sich einig werden. Das war der Fall, als die Kommission im Herbst die Verschiebung des Entwaldungsgesetzes um ein Jahr vorschlug. Europaabgeordnete wie der Grüne Michael Bloss warnen, Vertreter der rechten Parteien könnten eine Streichung des Verbrennerverbots 2035 einbringen und darin zumindest von Teilen der christdemokratischen EVP und Liberalen unterstützt werden.

Die Überprüfung des Verbrenner-Aus steht ebenfalls auf der Agenda der Kommission. Sie will darüber aber erst später in diesem Jahr im Rahmen einer Überprüfung der gesetzlichen Vorgaben sprechen. Dabei geht es weniger um die Frage, ob das strikte Aus aufgeweicht wird, sondern wie stark.

Dass mit nachweislich klimaneutralen Kraftstoffen betankte Verbrenner auch nach 2035 noch genutzt werden können, gilt als ausgemacht. Länder wie Italien dringen aber darauf, dass das auch für Fahrzeuge gilt, die mit Biokraftstoff betankt werden. Es gibt zudem Stimmen, die auch Hybride weiter zulassen wollen.

Strafe wegen Recycling-Kartells

Tatsächlich wirft die geplante Überprüfung des 2035-Ziels schon ihre Schatten voraus. In der Kommission gab es vor der Veröffentlichung des Vorschlags zur Stundung der CO₂-Strafen Streit darüber, ob darin noch einmal ein Bekenntnis zu einem strikten 2035-Ziel stehen sollte. Die für Klimaschutz zuständige Vizepräsidentin Teresa Ribera wollte das. Dagegen seien Binnenmarktkommissar Stéphane Séjourné und Kommissionspräsident Ursula von der Leyen gewesen, heißt es. Sie wollten verhindern, dass dadurch der Handlungsspielraum bei der Debatte über das Verbrennerverbot eingeschränkt wird. In dem veröffentlichten Vorschlag fehlt nun der Hinweis auf das 2035-Ziel.