Sie soll helfen, die illegale Migration einzudämmen, kriminellen Menschenhändlern das Handwerk zu legen und Kommunen von Bürokratie zu befreien. Doch die hessenweite Einführung der Bezahlkarte für Flüchtlinge verzögert sich, weil die Software noch nicht passt. Städte wie Frankfurt und Wiesbaden verschieben daher den Einsatz der Karte komplett, während andere Kommunen wie etwa der Landkreis Limburg-Weilburg pragmatisch vorgehen und die Karte schon einsetzen. Hessens Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) bezeichnete die Einführung der Karte trotz der Verzögerung als Erfolg.
„Ich rechne damit, dass die Softwareanbindung an das Fachanwendungsverfahren bis zum Ende des zweiten Quartals in diesem Jahr erfolgt“, sagte die Ministerin. „Wir haben einige technische Hürden zu nehmen, die nicht in unserer Hand liegen, aber wir drücken auf die Tube.“ Das Ministerium sei in engem Austausch mit allen Beteiligten. An der Programmierung der Schnittstelle arbeite der mit der Bezahlkarte beauftragte Dienstleister Secupay gemeinsam mit den vier Herstellern.
Weiterhin geht die Ministerin davon aus, dass die Bezahlkarte den künftigen Verwaltungsaufwand der Kommunen erheblich reduziere. „Wir sind zwar noch nicht ganz am Ziel, aber wir sind dran“, sagte sie. Die Bezahlkarte werde Schritt für Schritt eingeführt. Sie zeigte Verständnis dafür, dass nicht alle Kommunen in der Lage seien, die Karten händisch zu verwalten. „Dafür haben wir den Kommunen mehr Zeit und die maximale Flexibilität für die Umsetzung gegeben.“
Im Rheingau-Taunus-Kreis ist man entspannt
Aktuell haben acht der 27 hessischen Asylbewerber-Leistungsbehörden, zu denen auch die Stadt Marburg gehört, mit dem Einsatz der Karte begonnen. 15 Landkreise und kreisfreie Städte haben eine Verlängerungsfrist beantragt, weil sie die Karten noch nicht nutzen. Landkreise, in denen Flüchtlinge mit einer Bezahlkarte ankommen und die Karte einsetzen, der Kreis selbst aber noch keine Bezahlkarten ausgibt, müssen keine Fristverlängerung beantragen. Trotzdem haben dies zwei Landkreise getan, teilte das Sozialministerium auf Nachfrage mit.
In ganz Hessen sind seit Einführung der Bezahlkarte rund 1900 Karten an Flüchtlinge ausgegeben worden, davon mehr als 1000 in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen. Laut Hofmann wurden dort zudem mehr als 3500 Karten aktiviert. Das bedeutet, dass sie für den Einsatz vorbereitet sind, aber noch nicht ausgegeben wurden. In der Erstaufnahmeeinrichtung sind seit der Einführung der Karte am 16. Dezember 2024 etwa 2800 Flüchtlinge für einen Aufenthalt in Hessen angekommen, darunter sind rund 700 Kinder, wie Hofmann erläutert. Wie viele Menschen mit der Karte ausgestattet werden sollen, sei derzeit nicht absehbar.
Im Rheingau-Taunus-Kreis sieht man die Situation entspannt. „Wir sind seit einigen Wochen an das System angebunden und haben unser Personal bereits geschult“, sagt Landrat Sandro Zehner (CDU). Alle aus Gießen kommenden Flüchtlinge hätten eine Bezahlkarte und würden mit dieser „in den Prozess übernommen“.
Weil aber die Schnittstelle noch nicht vollständig programmiert sei, würden Flüchtlinge, die bereits im Rheingau-Taunus lebten, noch nicht mit der Karte ausgestattet. „Das würde einen unglaublichen Mehraufwand an Arbeit bedeuten, weil wir neben der digitalen Bearbeitung der Bezahlkarte auch noch einen analogen Prozess führen müssten“, sagt Zehner. „Sobald die Schnittstelle zur Verfügung steht, werden wir alle Flüchtlinge auf die Bezahlkarte umstellen.“ Bis dahin fährt der Landkreis beide Systeme parallel, die etwa 15 wöchentlich ankommenden Flüchtlinge bleiben im neuen Bezahlsystem. Dieser Mehraufwand sei vertretbar: „Das kriegen wir hin.“
Limburg gibt Bezahlkarten aus
Auch der Kreis Limburg-Weilburg wartet noch auf die Schnittstelle, dort gibt es aber wegen der vergleichsweise geringen Zuweisungszahl keine Probleme, wie der Leiter des Sozialamtes, Michael Sauerwein, sagt. „Wir hören immer wieder, dass es zu einem hohen Verwaltungsaufwand kommt. Wir haben festgestellt, dass das im Grunde nicht so ist“, sagt Sauerwein. Durch den Wegfall anderer Verfahrensschritte wie etwa der Ausgabe von Barschecks sei es eher eine Verwaltungsvereinfachung.
In Limburg wurde inzwischen mit der Ausgabe der Bezahlkarte begonnen. Nicht nur neu ankommende Flüchtlinge, sondern auch Bewohner des Ankunftszentrums würden mit der Bezahlkarte ausgestattet. „Das hat alles gut funktioniert“, sagt Sauerwein, weswegen der Kreis jetzt damit beginne, Bezahlkarten an die Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften auszugeben.
Der Amtsleiter schätzt, dass insgesamt etwa 600 Personen die Karte erhalten werden, etwa 150 hätten sie bereits. Der Landkreis habe ausreichend Bezahlkarten bestellt. Sauerwein sagt, dass es in Limburg-Weilburg „sowohl von der Politik als auch bei den Mitarbeitern keine ablehnende Haltung zur Bezahlkarte“ gegeben habe. „Vor diesem Hintergrund werden Hürden einer Lösung zugeführt.“
Anders sieht es in der Landeshauptstadt Wiesbaden aus, deren Politik noch vor einigen Wochen in die Schlagzeilen geriet, weil die Koalition versucht hatte, die Bargeldobergrenze der Bezahlkarte von 50 Euro zu kippen. „Aufgrund verschiedener organisatorischer, technischer und datenschutzrechtlicher Anforderungen hat die Stadt Wiesbaden beim Regierungspräsidium Gießen eine Fristverlängerung beantragt“, teilte Sozialdezernentin Patricia Becher (SPD) mit.
Wiesbaden hat auch noch keine Bezahlkarten, da sich die Stadt „aktuell im Abrufprozess und der einhergehenden Klärung technischer Details“ befindet, wie Becher sagt. Da eine Verknüpfung mit dem Leistungsprozess in der Stadt technisch nicht möglich sei, werde weiterhin „nach dem bestehenden Verfahren operiert“. Ankommende Flüchtlinge erhielten daher zunächst Barschecks, bevor sie später die Leistungen auf ihr Konto überwiesen bekommen.