Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat Verständnis dafür geäußert, dass die Union beim Thema Migration punkten muss – aber auch klargemacht, dass die jetzt geforderte Migrationswende bereits von der Ampelkoalition vollzogen worden sei. „Na klar, wir müssen auf beiden Seiten Punkte machen“, sagte Esken am Montag im Sender ntv auf eine entsprechende Frage. Die Union und die SPD müssten gemeinsam sehr deutlich machen, dass sie entschlossen seien, die irreguläre Migration in den Griff zu bekommen.
Nur wenige Stunden zuvor hatte die SPD-Politikerin jedoch im ZDF auch gesagt: „Wir hatten die Wende bereits.“ Am Montag führte sie das aus. Man müsse auch anerkennen, dass die Maßnahmen der Vergangenheit bereits wirkten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem müsse nun umgesetzt werden. Die Reform der europäischen Asylpolitik sei eine große Wende. Tatsächlich sind die Asylzahlen in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen.
Das Thema spielt in den Koalitionsverhandlungen, die in dieser Woche abgeschlossen werden sollen, eine große Rolle. CDU und CSU hatten versprochen, dass es einen grundlegenden Politikwechsel geben werde. In der Union war in den vergangenen Tagen allerdings die Unruhe gewachsen, weil sich in den Augen einiger nicht der versprochene Wechsel, neben der Migration auch bei der Wirtschaftspolitik, abzeichnet – und sich stattdessen die SPD weitgehend durchsetzt, trotz eines Wahlergebnisses von nur 16,4 Prozent. Esken widersprach dem Eindruck, die SPD dominiere die Union in den Verhandlungen. „Das war noch nie so, und es wird auch dieses Mal nicht so sein“, sagte sie dem Sender ntv. Es säßen mit CDU, CSU und SPD drei Partner zusammen und verhandelten „sehr ernsthaft und sehr vertrauensvoll“, sagte Esken. „Wachsend vertrauensvoll, und wir werden zu einem guten Ergebnis kommen.“
Rhein: Abstand zur SPD muss sich „klar abbilden“
In der CDU mischen sich seit dem Beginn der Koalitionsverhandlungen enttäuschte Kommentare von der Basis mit Versuchen der Führung, Optimismus zu verbreiten. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien sagte der Funke Mediengruppe, sie verstehe, dass viele Bürger sich „schnelle und deutliche Veränderungen“ wünschten. „Das wird gelingen, und das werden auch die sehen, die sich jetzt in den Umfragen weiter den Rändern zuwenden“, äußerte Prien mit Blick auf die Umfragen, in denen die CDU fällt und sich der AfD annähert.
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein wies im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland darauf hin, dass der „enorme prozentuale Abstand“ zwischen CDU und SPD auf der Bundesebene sich im Koalitionsvertrag „klar abbilden“ müsse.
Derzeit äußern noch keine Christdemokraten von großem politischem Gewicht ihren Unmut. Bislang ist auch nicht vorgesehen, dass die CDU-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen sollen, so wie es bei der SPD geplant ist. Nur ein sogenannter Kleiner Parteitag soll über den Vertrag befinden. Allerdings hatte am Wochenende der CDU-Kreisverband Potsdam-Mittelmark eine Mitgliederbefragung ins Spiel gebracht. Die Hürden dafür sind jedoch hoch, sofern der Vorstand das nicht selbst einleitet. Es muss ein Drittel der CDU-Landesverbände eine Befragung fordern, dann muss der Vorstand dem noch zustimmen.
Derzeit zeichnet sich nicht ab, dass es dazu kommt. Brandenburgs CDU-Landesvorsitzender Jan Redmann zeigte sich offen für einen Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. „In der Tat ist es notwendig, zu dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen mit den Mitgliedern in den Austausch zu gehen“, sagte Redmann, der auch Mitglied des Bundesvorstands ist, der Deutschen Presse-Agentur.
Verlaufen die Koalitionsverhandlungen nach Plan, so wird Ende dieser Woche der Koalitionsvertrag vorgelegt. Dann beginnt das Mitgliedervotum der SPD, für das etwa zwei Wochen angesetzt sind.