Cum-ex-Skandal: Strafverteidiger attackiert früheren Mandanten

3

Die Luft im Bonner Landgericht ist schon nach wenigen Minuten zum Schneiden. Das liegt zum einen an den vielen Menschen im völlig überfüllten Sitzungssaal 0.015, in dem ab diesem Montag der Prozess gegen Kai-Uwe Steck im Cum-ex-Skandal fortgesetzt wird.

Für die aufgeheizte Stimmung ist vor allem der Mann im Zeugenstand verantwortlich, in dessen mehrstündigem Vortrag sich verbale Attacken auf den Angeklagten, die Wiederholung von Schlüsselsätzen mit Spannungsbögen und Kunstpausen abwechseln.

Sagt der Angeklagte die Wahrheit?

„Alles, was Kai-Uwe Steck hier sagt, ist glatt gelogen“, diesen Satz sagt Alfred Dierlamm, renommierter Strafverteidiger aus Wiesbaden, mehrfach und klopft dabei mit der rechten Hand auf die Tischplatte vor sich. Der Zeuge der 12. Großen Strafkammer will damit deutlich machen: Sein ehemaliger Mandant verdreht vor Gericht die Tatsachen, wie sie ihm passen.

Gleich zu Beginn macht Dierlamm deutlich, dass ihm die ihm zugedachte Rolle im Zeugenstand nicht behagt. „Es fällt mir nicht leicht, gegen einen ehemaligen Mandanten auszusagen“, sagt der Strafverteidiger. Schließlich schätze er das Mandatsgeheimnis sehr.

Gestützt auf ein sechzigseitiges Gutachten gibt sich Dierlamm vor Gericht überzeugt, mit seiner Aussage weder gegen das anwaltliche Berufsrecht zu verstoßen noch eine Straftat zu begehen. Denn bis heute hat Steck keinen seiner ehemaligen Verteidiger von der Schweigepflicht entbunden.

Das Ende der Musketiere

Mehr als acht Jahre hatte Steck auf seine Phalanx von Verteidigern gesetzt, neben Dierlamm noch Tido Park aus Dortmund und Björn Gercke aus Köln im Hintergrund. Alle drei sind Meister ihres Fachs. Diesem Trio vertraute Steck auch bei der Abwehr von Zivilklagen von Banken in dreistelliger Millionenhöhe und bei Krisengesprächen im Bundeszentralamt für Steuern. An Weihnachten verschickte Steck Whatsapp-Nachrichten, in denen er sogar von seinen „drei Musketieren“ sprach. „Er wünschte sich, mit uns befreundet zu sein“, sagt Dierlamm.

Kaum einer kennt Steck, dem die Beteiligung an den Aktiengeschäften mit einem Steuerschaden in Höhe von 428 Millionen Euro vorgeworfen wird, so gut Dierlamm. Dutzende von Vernehmungen verbrachte er an der Seite von Steck, überredete ihn zur Kooperation mit der Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker – für die Steck über Jahre hinweg als Kronzeuge agierte.

Macht des Kronzeugen

Heute klingen Dierlamms Worte hart und sind voller Bitterkeit, wenn er über den Mensch Steck spricht: „Er hat seine Rolle als Gutmensch sehr genossen.“ Die habe er auch nach außen getragen, vor allem in Interviews vor einem Millionenpublikum. Als Kronzeuge habe Steck eine unglaubliche Macht gehabt, betont Dierlamm: „Wenn er etwas gesagt hat, musste dafür jemand anderes ins Gefängnis.“

Weil sich jedoch ab dem Jahr 2023 eine Anklage abzeichnete, bekam das Vertrauensverhältnis Risse. Steck wechselte im Sommer 2024 seine Anwälte und vertraute fortan einem Team um den Hamburger Strafrechtler Gerhard Strate. An seine früheren Anwälte richtete der Angeklagte eine klare Botschaft. Sollte es 2022/23 einen Preis für die schlechteste Beratung geben, hätten sie die „Goldene Zitrone“ sicher verdient, sagte Steck im Rahmen seiner mehrtägigen Einlassung vor einigen Wochen. Unter anderem machte er vor Gericht Dierlamm und Park dafür verantwortlich, ihn über Jahre in die Rolle des Kronzeugen hineingedrängt zu haben.

Seit vergangener Woche ist zudem bekannt, dass Steck Dierlamm und Park auf Rückzahlung von Honoraren in Millionenhöhe vor dem Landgericht Köln verklagt; die Klageschrift von Steck liegt der F.A.Z. vor.

Suche nach Cum-ex-Beute

Wie von Prozessbeobachtern erwartet, ist es für Steck kein einfacher Tag. Mal fixiert er seinen früheren Anwalt mit Blicken, dann schweifen seiner Blicke wieder hinauf zur Saaldecke. Wenn Dierlamm ihn wieder mit einer Lüge konfrontiert, grinst der Angeklagte oder schüttelt mit dem Kopf. Mehrfach wirft ihm Dierlamm falsche Aussagen vor Gericht und sogar Verleumdung vor. Die feste Zusage für die Einstellung der Ermittlungen und ein mögliches Absehen von Strafe, wie von Stecks Verteidigung im Prozess behauptet, habe es seitens der Staatsanwaltschaft „niemals“ gegeben.

Man sei auf einem guten Weg gewesen, doch vor allem Stecks fehlender Wille, seine Cum-ex-Beute an die Staatskasse zurückzuzahlen, habe vieles wieder eingerissen. Man sei damit soweit von einer Einstellung des Strafverfahrens entfernt gewesen, wie „der Mars von der Sonne“. Dies soll Steck, entgegen der Erklärungen seiner jetzigen Verteidiger, schon seit längerer Zeit bekannt gewesen sei.

Ein vom Angeklagten behauptetes Treuhandkonto in der Schweiz, bezeichnete Dierlamm als „Fake“. Bis heute sei ihm, Park und Gercke „peinlich“, dass man sich vor Gericht für den Mandanten eingesetzt habe. „Und dann kommt das Geld nicht.“

Dass man Dierlamm nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden habe, sei zum einen mit dem Angeklagten besprochen gewesen, teilte Verteidiger Strate der Kammer mit. „Das beruht aber auch auf der Erfahrung, dass die Entbindung früherer Anwälte von der Verschwiegenheitspflicht in der Regel einen Pfuhl trüben Wassers zum Fließen bringt.“

Die Strafrichter haben nun einige Wochen Zeit Dierlamms Aussagen zu bewerten, die Beweisaufnahme wird nach der Osterpause fortgesetzt.