Wieso von der Leyens Angebot ist richtig

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Es genügt nicht, sich über Donald Trump zu empören, auch wenn es an Gründen hierfür nicht mangelte. Was ist von einem amerikanischen Präsidenten zu halten, dessen Vorstellung, die Weltwirtschaft wäre ein Nullsummenspiel, vielleicht noch im Jahr 1750 akzeptabel gewesen wäre, seitdem aber nicht mehr? Wie ernst kann ein amerikanischer Präsident genommen werden, der mit einer offenkundig schädlichen Zollpolitik prahlerisch eine Reichtumsmehrung ankündigt, während er gleichzeitig die Börsen auf Talfahrt schickt?

Vielleicht ändert der Mann im Weißen Haus unter dem Druck von Republikanern, die im Unterschied zu ihm die Bezeichnung Konservative verdienen, seine Agenda. Aus der Politik wie aus der Finanzbranche sind erste Einwände deutlich vernehmbar. Auch Elon Musk, der nun allerdings in keinerlei Bedeutung des Wortes ein Konservativer ist, wendet sich mit Bekenntnissen für den Freihandel gegen Trumps Zollpolitik.

Vielleicht bleibt die Haltung des Weißen Hauses aber auch, wie sie ist. Und Trump beschränkt sich darauf, in sozialen Medien Sündenböcke wie die Notenbank für seine eigenen Fehler zu beschimpfen.

Die EU muss mehr Marktwirtschaft wagen

Die beste Antwort Deutschlands und Europas auf das wunderliche Treiben in Washington kann nur darin bestehen, eine möglichst gute Wirtschaftspolitik zu betreiben. Gemessen an dem, was in den vergangenen Jahren passiert ist, besteht ein erheblicher Verbesserungsbedarf. Die richtige Antwort auf zusätzliche staatliche Lenkung in Amerika besteht in einer Stärkung der marktwirtschaftlichen Kräfte in Europa.

Für die Europäische Union muss die Antwort auf den Rückfall der Vereinigten Staaten in einen Protektionismus, der seit 80 Jahren überwunden schien, in einer entschlossenen Förderung des Freihandels bestehen. Das Angebot an Washington, die Industriezölle abzuschaffen, ist unabhängig von der Antwort Trumps richtig. Rund um den Globus gibt es daneben zahlreiche Länder und Regionen, mit denen der Abschluss umfassender Freihandelsabkommen zupackend geprüft werden sollte. Freilich müsste die Europäische Union hierfür ihre eigenen protektionistischen Neigungen überwinden. Die Praxis, umfassende Verträge an Protesten der Landwirtschaft scheitern zu lassen, ist längst nicht mehr akzeptabel.

Wahr ist, dass für den zähen Verlauf von Verhandlungen etwa mit Indien oder Indonesien nicht allein die Europäische Union verantwortlich zu machen ist. Vermutlich wird die amerikanische Zollpolitik aber nicht nur in der EU die Bereitschaft zu Freihandelsabkommen steigern. Diese Gelegenheiten gilt es zu nutzen.

Eine liberale Außenwirtschaftsinitiative der Europäischen Union bedarf dringend einer Ergänzung durch eine marktwirtschaftliche Agenda innerhalb der Union. Zwei ehemalige italienische Ministerpräsidenten, Enrico Letta und Mario Draghi, haben im vergangenen Jahr in lesenswerten Berichten auf die Unvollkommenheiten des Binnenmarkts und die Ursachen einer das Wirtschaftswachstum hemmenden Produktivitätsschwäche hingewiesen.

Die Wirtschaft in den Ländern der Union wird nicht allein durch Geldausgeben leistungsfähiger, selbst wenn in der Beschaffung von Militärgerät ein erheblicher Nachholbedarf unverkennbar bleibt. Doch benötigt der Binnenmarkt vor allem mehr Marktwirtschaft durch den Abbau interner Handelsschranken und den Rückbau von Regulierung und Bürokratie.

Sehr viel wettbewerbsfähiger muss auch die größte nationale Wirtschaft in der Europäischen Union werden. Darauf hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz gerade wieder hingewiesen. An Merz und den anderen Unterhändlern aus der Union liegt es, entschlossene marktwirtschaftliche Reformen in den Gesprächen mit den Sozialdemokraten durchzusetzen. Bisher war hiervon leider nicht viel zu sehen.

Die deutsche Industrie leidet nicht nur unter Zöllen

Die Schwierigkeiten einer Revitalisierung der deutschen Wirtschaft dürfen von der Politik nicht unterschätzt werden. Sollte sich der wirtschaftliche Ausblick in den kommenden Monaten nicht unerwartet aufhellen, droht Deutschland das dritte Rezessionsjahr in Folge. In der Vergangenheit gingen belebende Impulse häufig von dem Export aus, der für wichtige Teile der deutschen Indus­trie lebenswichtig ist.

Die amerikanischen Zölle allein könnten die Dynamik des Exports nicht brechen. Aber die Industrie leidet auch unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen im eigenen Land, unter einer erheblichen Unsicherheit über die Aussichten der Weltwirtschaft und in einzelnen Branchen auch unter eigenen Fehlern, die ihren Ursprung zumeist in den Zehnerjahren haben, einem Jahrzehnt der Erfolge wie der Selbstüberschätzung.

Die augenblicklichen Kursverluste an der Börse sind zweifellos ärgerlich. Die eigentlichen Schwierigkeiten der deutschen Wirtschaft reichen sehr viel tiefer.