Das Angebot wirkte wie eine Antwort auf den viel beachteten Vorstoß des US-Milliardärs und Trump-Beraters Elon Musk für ein EU-US-Freihandelsabkommen und eine „Null-Zoll-Situation“ zwischen Europa und Nordamerika. Genau dazu ist die Europäische Kommission bereit, um den Zollkonflikt mit US-Präsident Donald Trump beizulegen. „Wir haben Null-für-Null-Zölle für Industriegüter angeboten, wie wir es mit vielen anderen Partnern schon haben“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag in Brüssel. Das Angebot bleibe auf dem Tisch. „Europa ist immer zu einem guten Geschäft bereit.“ Handelskommissar Maroš Šefčovič präzisierte nach einem Sondertreffen der EU-Handelsminister in Luxemburg, dass die EU sowohl für Autos als auch für Industriegüter einen Zollsatz von null Prozent vorgeschlagen habe. Auf Nachfrage ergänzte von der Leyen, das Thema Freihandel für Autos sei bereits mehrfach auf dem Tisch gewesen, es habe allerdings keine adäquate Antwort gegeben.
Das Angebot, die Zölle auf null zu senken, hat Šefčovič offenkundig erstmals bei seinem Besuch in Washington im März vorgelegt, als er stundenlang mit Handelsminister Howard Lutnick und den Handelsbeauftragten Jamieson Greer verhandelte. Bisher war das nicht bekannt. Auf Resonanz stieß es nicht. Tatsächlich hat Šefčovič schon damit nur ein Angebot wieder aufgegriffen, das die Kommission schon 2019 erstmals unterbreitet hat. Das Mandat der EU-Staaten darüber zu verhandeln, ist nie erloschen. Nach Informationen der F.A.Z. hat die Kommission den Vorschlag nach dem von Trump zum „Befreiungstag“ erklärten 2. April noch einmal vorgelegt. Trump hatte die EU an dem Tag mit einem Zollsatz von 20 Prozent belegt. Darüber hinaus stehe das Angebot, mehr Flüssiggas oder Sojabohnen zu kaufen und bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen und Halbleitern zusammenzuarbeiten.
Šefčovič: Geht darum, globales Handelssystem grundlegend neu auszurichten
Šefčovič zeigte sich aber pessimistisch, ob Trump an solchen Angeboten überhaupt Interesse habe. „Mein Eindruck ist, dass es ihm darum geht, das globale Handelssystem grundlegend neu auszurichten“, sagte er. Er setze die Zölle nicht taktisch ein, etwa um Deals zu machen, sondern als Korrekturmechanismus im Welthandel. „Die Verhandlungen werden lang und mühsam“, sagte der Handelskommissar weiter. Die Kommission hatte ursprünglich gehofft, nach dem 2. April schnell in Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung treten zu können. Šefčovič hatte am vergangenen Freitag noch einmal mit der US-Seite gesprochen. Bisher scheint sich die Hoffnung aber nicht zu erfüllen.
Trump hat die am 2. April beinahe gegen den gesamten Rest der Welt verhängten Zölle damit begründet, dass die betroffenen Staaten die Offenheit der USA für Importe ausnutzten, aber sich selbst abschotteten. Die Zolleinnahmen sollen auch dazu dienen, sein Wahlversprechen großer Steuersenkungen gegenzufinanzieren.
Entscheidung wohl am Mittwoch
Das Problem der Europäischen Kommission ist, dass sie nach wie vor keinen direkten Zugang zu Trump hat. Ob Lutnick und Greer, mit denen die Kommission in Kontakt steht, überhaupt für Trump sprechen, ist unklar. Das gilt ebenso für Musk. Der Chef des Autoherstellers Tesla hatte in einer Videoschalte zum Parteitag der rechten italienischen Regierungspartei Lega gesagt, er hoffe, dass sich die USA und Europa auf eine noch engere Partnerschaft als bisher einigen könnten. Anschließend hatte er auf seinem Nachrichtendienst X noch Trumps Handelsberater Peter Navarro attackiert. Der gilt als einer der Architekten der amerikanischen Handelspolitik und dürfte den größten Einfluss auf Trump haben.
Sowohl von der Leyen als auch Šefčovič haben vor diesem Hintergrund noch einmal betont, dass sie bereit sind, weitere Gegenmaßnahmen zu ergreifen, falls das nötig werde. Den Auftakt soll das schon Mitte März in Reaktion auf die US-Zölle auf Stahl und Aluminium angekündigte Gegenzoll-Paket machen. Die Kommission will den Mitgliedstaaten noch am Montag die endgültige Liste zukommen lassen. Sie sollen dann am Mittwoch entscheiden. Ein erster, kleiner Teil des Pakets soll dann am 15. April in Kraft treten, der Rest nun erst einen Monat später, andere sogar wohl erst am 1. Dezember. Die EU-Kommission zögert das Inkrafttreten damit noch einmal hinaus.
Symbolträchtige Produkte wie Harley-Davidson-Motorräder würden damit mit einem Zoll von 50 Prozent belegt. Die Liste umfasst eine große Spannweite von Produkten von Diamanten über Eier bis Zahnseide. Ob die EU auch Bourbon-Whiskey mit Zöllen belegt, wie im März angekündigt, blieb am Montag zunächst unklar. Italien, Frankreich und Irland hatten sich dagegen ausgesprochen, nachdem Trump mit Zöllen von 200 Prozent auf Champagner und Wein gedroht hatte. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am Montagabend, die Kommission habe Bourbon von der Liste der betroffenen Produkte gestrichen.
Habeck: US-Digitalkonzerne ins Visier nehmen
Das Paket werde weniger Importe betreffen als die von den USA verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium. Diese treffen Waren im Wert von 26 Milliarden Euro. Die Gegenzölle werden wohl nur Güter im Wert von etwas mehr als 20 Milliarden Euro treffen. Verglichen mit den seit dem 2. April insgesamt von Zöllen betroffenen Gütern ist das ohnehin wenig. Die Zölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium, noch einmal 25 Prozent auf Autos und Autoteile sowie 20 Prozent auf die meisten Importe treffen Waren im Wert von 380 Milliarden Euro, wie Šefčovič betonte. Die Arbeiten an der EU-Reaktion auf die Autozölle und die 20-Prozent-Zölle beginnen erst jetzt. Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach sich beim Sondertreffen der Handelsminister dafür aus, dabei vor allem die US-Digitalkonzerne ins Visier zu nehmen. Frankreich unterstützt das. Andere Staaten warnten davor, dass das zu einer Eskalation des Konflikts führen werde.
Von der Leyen und Šefčovič kündigte an, die Kommission werden auch prüfen, wie sich die Zölle auf die Handelsströme auf der Welt auswirkten. Wenn sie dazu führten, dass die EU mit Waren aus anderen Staaten überschwemmt werde, werde sie ihre Industrie schützen. Zu diesem Zweck werde man eine „Taskforce zur Überwachung von Importen“ einrichten, sagte von der Leyen.