Mitten im wachsenden Streit um Protektionismus und Zölle treibt einer der größten deutschen Automobilzulieferer seinen Umbau voran. Der Dax-Konzern Continental aus Hannover teilte am Dienstag mit, dass die Aufspaltung des Unternehmens weiter gehen soll als bisher bekannt. Geplant sind demnach drei unabhängige Unternehmen, die ihre jeweiligen Märkte flexibler und – so hofft das Management – erfolgreicher bearbeiten können.
Wachsender Wettbewerb und globaler Kostendruck verlangten ein „fokussiertes, agiles und entschlossenes Handeln“, lässt sich Vorstandschef Nikolai Setzer zitieren, der laut der am Dienstag verbreiteten Meldung den Konzernumbau noch bis zu dessen Abschluss „gestalten und vorantreiben“ will. Dass er danach, womöglich im kommenden Jahr, den Posten abgeben wird, steht nicht in der Meldung. Doch wird allgemein damit gerechnet, dass es wohl so kommen dürfte.
Derzeit hat Conti drei Geschäftsfelder: erstens Reifen, zweitens Gummiprodukte für die Industrie, die in der Sparte „Contitech“ gebündelt sind, und – drittens – die Sparte für Software, Elektronik und Sensorik namens „Automotive“. Für die Automotive-Sparte hatte Conti schon eine Abspaltung beschlossen. Sie soll im September vollzogen werden.
Trennung soll nächstes Jahr vollzogen werden
Laut neuer Meldung ist nun auch die Spaltung der verbleibenden Teile geplant. Der Vorstand habe eine „Verselbständigung“ der Sparte Contitech beschlossen, die Förderbänder, Dichtungen und andere Gummiprodukte für die Industrie herstellt und rund 39.000 Mitarbeiter beschäftigt, heißt es. Die Trennung wolle Conti voraussichtlich nächstes Jahr vollziehen.
Als „wahrscheinlichste Option“ gilt kein Börsengang oder „Spin-off“, sondern ein Verkauf an Dritte. Ob Finanzinvestoren oder strategische Partner infrage kommen, lässt der Konzern offen. Die genauen Pläne würden nun ausgearbeitet.
Die weitere Abspaltung bedeutet das Ende des Dax-Konzerns in seiner heutigen Form. Sie folgt unter anderem der Logik, dass viele Großinvestoren generell „Pure Play“-Werte bevorzugen, also Unternehmen mit klar umrissenem Geschäftsmodell. Diesem Ansatz folgend hatte sich beispielsweise Daimler in die Auto- und Vansparte Mercedes-Benz und den Lastwagenkonzern Daimler Truck aufgeteilt.
Conti soll laut der Mitteilung nach dem Umbau ein reiner Reifenhersteller sein, dem das Management und der Großaktionär – die Industriellenfamilie Schaeffler – als eigenständiges Unternehmen mehr Chancen für „weiteres profitables Wachstum“ zutrauen. Im vergangenen Geschäftsjahr erzielte der Unternehmensbereich laut Mitteilung mit mehr als 57.000 Beschäftigten einen Umsatz in Höhe von rund 13,9 Milliarden Euro.
Umbau im Vorstand
Conti kündigt außerdem einen Vorstandsumbau an. Demnach wird Ariane Reinhart ihren Posten als Personalchefin Ende Juni an Ulrike Hintze abgeben. Vorstandschef Setzer übernehme von Reinhart die Verantwortung für das Thema Nachhaltigkeit, heißt es weiter. Darüber hinaus äußert sich Conti zu Setzers künftiger Rolle nicht. Aber klar ist, dass die Position als Vorstandschef einer übergeordneten Holding eigentlich obsolet ist, wenn die Sparten mitsamt ihrem jeweiligen Management eigenständig werden.
Die Ursprünge des 150 Jahre alten Traditionsunternehmens Continental liegen im Reifengeschäft. Vom Ende der Achtzigerjahre an war Conti dann durch eine Vielzahl von Übernahmen zum Rundumanbieter für Großkunden in der Autobranche wie VW, Ford oder Mercedes geworden. Als sich die Nachfrage vom Jahr 2018 an abschwächte und kurz darauf Corona ausbrach, stürzte Conti in eine tiefe Krise.
Seither folgte eine Restrukturierung auf die nächste, Tausende Stellen wurden abgebaut. Der Aktienkurs hat seit dem Höchststand im Januar 2018 mehr als 70 Prozent an Wert verloren. Zuletzt belastete der heraufziehende Handelskrieg den Kurs, denn Conti ist mit vielen Werken in Mexiko vertreten und daher von US-Zöllen stark betroffen. Am Dienstagvormittag lag die Aktie um gut drei Prozent im Plus bei knapp 60 Euro.