Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will demnächst zu Donald Trump reisen, um an der zollpolitischen Front zu einem Klima der Entspannung beizutragen. Das verlautete aus Regierungskreisen in Rom, die allerdings noch kein Datum bestätigen können. „Sie reist als Führungspersönlichkeit in einem führungslosen Europa“, ergänzte der Minister für europäische Angelegenheiten, Tommaso Foti, im italienischen Fernsehen. Meloni sei sich bewusst, dass die Zollpolitik eine Angelegenheit der EU-Kommission sei. Sie führe die Gespräche in der Überzeugung, dass „Zölle ein Fehler sind“, sagte Foti.
Im rechten politischen Lager sind seit Tagen Stimmen zu hören, die Meloni dazu aufrufen, ihre guten Beziehungen zu Trump für nationale italienische Interessen zu nutzen. Die rechtsstehende Zeitung „La Verità“ wettert gegen Deutschland, das wegen seiner Aufrüstungspläne sogar eine größere Gefahr als Moskau darstelle und nun zudem Europa wegen seiner hohen Handelsüberschüsse die amerikanischen Strafzölle eingebrockt habe. Unterschlagen wird dabei, dass auch Italien als zweitgrößter EU-Exporteur in die USA erheblich mehr Waren in die Vereinigten Staaten ausführt als einführt.
Balanceakt für Meloni
Meloni ist derzeit mehr denn je zu einem Balanceakt zwischen ihren beiden Koalitionspartnern gezwungen. Rechts von ihr hört der Vizepremierminister Matteo Salvini von der Partei Lega nicht auf, mit Schimpfkanonaden auf Europa sowie Huldigungen von Trump und Elon Musk zu provozieren. Auf der anderen Seite bekräftigt Antonio Tajani als Chef der Ex-Berlusconi-Partei Forza Italia, dass Italien weiterhin zur EU stehe.
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Meloni in einem Interview mit dem „Corriere della Sera“ Ende März eine „wichtige Rolle“ in Europa zugesprochen. „Ihr direkter Kontakt zu Trump ist positiv“, sagte von der Leyen. Meloni nahm als einzige europäische Regierungschefin an der Amtseinführung des Präsidenten teil und besucht seit Jahren in den USA seine politischen Veranstaltungen. Sie „verstehe, dass ein Anführer seine nationalen Interessen verteidigt“, sagte Meloni der „Financial Times“ vor einigen Tagen und fügte hinzu, sie sei „für die Einheit des Westens“ und folge nicht „blindlings Europa oder den Vereinigten Staaten“.
Italien will Stabilitäts- und Wachstumspakt aussetzen
Um im aktuellen Klima der Unsicherheit ihren Unternehmen und Bürgern das Gefühl zu geben, nicht allein gelassen zu werden, empfing Meloni am Dienstag die wichtigsten Wirtschaftsvertreter. Der Arbeitgeberverband Confindustria hatte die Idee in die Debatte gebracht, die von Italien nicht genutzten Mittel des Europäischen Wiederaufbauplans für Hilfen zugunsten betroffener Branchen umzuwidmen – eine Forderung, die in Brüssel nicht leicht durchzusetzen sein dürfte.
Zudem fordert die italienische Regierung, den Green Deal der EU sowie den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt auszusetzen. Die europäischen Regeln zum Klimaschutz seien „ideologisch und kaum haltbar“; die Unternehmen brauchten nun eine Vereinfachung des Rechtsrahmens, teilte die Regierung am Montag mit. Ein Teil dieser Revision ist auf europäischer Ebene bereits im Gange, Rom würde freilich gerne noch weiter gehen.
Der Forderung, die Schuldengrenzen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu lockern, werden in Brüssel indes weniger Chancen gegeben. Nach Ansicht von Finanz- und Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti ist eine Notlage vorhanden, wie sie das letzte Mal in der Corona-Pandemie erklärt wurde. Vor einigen Tagen hatte Meloni freilich noch beschwichtigt, die Zölle von Trump seien „keine Katastrophe“.
Giorgetti fordert Digitalsteuer
Giorgetti betonte, dass die italienische Regierung neue Freiheiten nicht wie beim letzten Mal für quasi unbegrenzte Ausgaben nutzen würde. Die Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte während und nach der Pandemie mit einer teuren Förderung von Bauinvestitionen die italienische Staatsverschuldung in die Höhe getrieben. Giorgetti befürchtet, dass sich Länder wie Deutschland, die mehr Haushaltsspielraum als Italien haben, einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Schon der von Berlin beschlossene nationale Plan für die Erhöhung der Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben zeige in diese Richtung, kritisierte Giorgetti.
Die EU solle im Übrigen nicht nur handelspolitisch auf Trump antworten, sondern könnte auch wieder intensiv über eine Digitalsteuer nachdenken, findet der Minister. Dieses Projekt liegt auf Eis. Es war im Zusammenhang mit einer globalen Unternehmens-Mindeststeuer geplant gewesen, die Trump aber ablehnt. Nun könne es als Instrument dienen, um von amerikanischen Digitalunternehmen mehr Steuereinnahmen zu erhalten, deutete Giorgetti an.
Die sozialdemokratische Oppositionspartei PD wirft der Regierung indes Untätigkeit vor und verweist auf Spanien, das für seine Unternehmen und Beschäftigten 14 Milliarden Euro lockermache. In Italien seien mindestens 60.000 Arbeitsplätze bedroht.