Im Bistum Würzburg hat es von 1949 bis 2019 wohl Tausende Missbrauchstaten gegeben. Laut einer am Dienstag vorgestellten Studie im Auftrag der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg (UKAM) wurden in dieser Zeit 51 Beschuldigte nach Auswertung von Akten und Hinweisen sowie nach Befragungen ermittelt. Diese 51 Beschuldigten sollen 449 Taten an 226 Betroffenen begangen haben. Ziehe man aufgrund teils ungenauer Angaben Schätzwerte heran, ergeben sich „3.053 Taten für denselben Personenkreis“.
Von den 51 Beschuldigten sind 50 männlich und 43 Kleriker. Bei der ersten Tathandlung seien die Beschuldigten im Schnitt 40,5 Jahre alt gewesen, die Betroffenen im Durchschnitt 9,8 Jahre. 62 Prozent der Betroffenen waren zwischen sechs und elf Jahren alt, als die Tat stattfand. Die Dauer der Übergriffe zog sich im Schnitt fast eineinhalb Jahre. Das Bistum erlangte im Schnitt 25,7 Jahre nach einer Tat Kenntnis von dieser, heißt es in dem Gutachten von Rechtsanwalt Hendrik Schneider. Bei 28,7 Prozent der Taten handele es sich um Missbrauch, sexuelle Übergriffe oder Nötigung.
Neben der Recherche von Tätern und Betroffenen ging es in dem Gutachten auch um den Blick auf jene Strukturen, die Missbrauch ermöglichen oder erleichtern. Gutachter Schneider sagte, bis Anfang der 2000er Jahre habe es im Bistum „systematischen Schutz“ für einzelne des Missbrauchs beschuldigte Kleriker gegeben. Zudem habe es Fälle gegeben, in denen die Aufklärung „nach heutigen Maßstäben unzureichend“ gewesen sei. Das Gutachten stellte allerdings einen „Paradigmenwechsel“ beim Thema vor allem seit Beginn der Amtszeit von Bischof Franz Jung im Jahr 2018 fest.
Gleichwohl gebe es gerade auch im Bereich der Prävention noch viel zu tun, urteilten UKAM und Gutachter Schneider. Der Jurist sprach von der Herausforderung, das Erreichte nachhaltig zu sichern. Die UKAM forderte mehr Ressourcen für die Präventionsarbeit. Die aktuell 48 Präventionsberaterinnen leisteten eine gute Arbeit. Dennoch sollten ihre Zahl ausgebaut, ihr Zeitbudget für die Präventionsarbeit erhöht und ihre Befugnisse erweitert werden. Besonders wichtig sei, dass „bestimmte Prozesse der Präventions- und Interventionsarbeit“ verschriftlicht und verpflichtend werden.