Die EU hat sich mit Gegenmaßnahmen gegen die Zölle von US-Präsident Donald Trump bisher zurückgehalten. Anders als Kanada und China, die Gegenzölle verhängt haben, lässt die Europäische Kommission offen, wie sie auf die Zölle von 25 Prozent auf Autos und 20 Prozent auf beinahe alle Importe reagieren will. Anders sah das Mitte März nach den Inkrafttreten der US-Zölle von 25 Prozent auf Stahl, Aluminium und daraus gefertigte Produkte aus. Damals legte die Kommission sofort eine Paket an Gegenzöllen vor, inklusive Zöllen von 50 Prozent auf symbolträchtige Waren wie Harley-Davidson -Motorräder und Whiskey.
Nach Beratungen mit den Mitgliedstaaten hat die Kommission nun die endgültige Liste vorgelegt. Die 66 Seiten lange Liste mit Zollcodes liegt der F.A.Z. vor. Die EU-Staaten sollen sie am Mittwoch offiziell annehmen. Die Zustimmung gilt als sicher.
Die EU würde damit die Einfuhr von US-Produkten im Wert von 22,1 Milliarden Euro mit Zöllen zwischen 10 und 25 Prozent belegen. Die Kommission bleibt damit hinter der Ankündigung von März zurück mit gleicher Wucht zurückzuschlagen. Die US-Zölle betreffen Waren mit einem Wert von 26 Milliarden Euro. Zudem werden die europäischen Waren durchgängig mit einem Zoll von 25 Prozent belegt. Auch das Inkraftsetzen der EU-Gegenzölle wird nochmals verschoben.
Bourbon-Zoll ist vom Tisch
Nur ein kleiner Teil des Gesamtpakets wird wie zuletzt geplant von Mitte April an erhoben. Das sind die von der EU schon 2018 während der ersten Amtszeit von Trump in Reaktion auf die damaligen geringeren US-Stahlzölle eingeführten, später allerdings ausgesetzten Gegenzölle. Das betrifft Waren im Wert von 4,5 Milliarden Euro. Die meisten der restlichen Gegenzölle sollen einen Monat später, vom 16. Mai an, greifen. Die Zölle auf Mandeln und Sojabohnen erst vom 1. Dezember an.
Vom Tisch ist der angekündigte Zoll auf Bourbon-Whiskey. Darauf hatten Italien, Frankreich und auch Irland gedrungen. Zuvor hatte Trump der EU mit Zöllen von 200 Prozent auf Champagner und Wein gedroht. EU-Diplomaten gestanden ein, dass die EU mit dem Zurückziehen dieses Zolls kein Zeichen der Stärke sende. Wenn die Einigung daran gescheitert wäre, wäre das aber erst recht kein gutes Zeichen gewesen, sagte ein Diplomat.
Produkte, die für Trump-Wähler wichtig sind
Weiterhin verzichtet die EU auf die Verdoppelung der Zollsätze für einige der schon 2018 eingeführten Gegenzölle. Das hätte allen voran die symbolträchtige Einfuhr von Harley-Davidson-Motorrädern getroffen. Für sie wäre dann ein Zollsatz von insgesamt 50 Prozent fällig geworden.
Die EU nimmt mit den Gegenzöllen Produkte ins Visier, die für die Wähler von Trump wichtig sind. Zudem will sie republikanische Bundesstaaten treffen. Die Zölle auf Sojabohnen treffen den Bundesstaat Louisiana und so den von dort stammenden republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson; die Zölle auf Rindfleisch und Geflügel sollen Nebraska und Kansas treffen; die Zölle auf Holz die Staaten Georgia, Virginia und Alabama. Die Spannbreite der betroffenen Produkte ist groß. Sie reicht von Spielkarten, die mit einen Zoll von 10 Prozent belegt werden, über Mais (25 Prozent), über Rundkornreis und Orangensaft (ebenfalls 25 Prozent) bis zu Schlauchbooten (10 Prozent), Lippenstiften (10 Prozent) und Eyeliner (25 Prozent) und Jeans (25 Prozent). Es sind gleichermaßen klassische Stahl- und Aluminiumprodukte darunter wie auf der US-Seite auch.
Warum auf manche Produkte ein Zoll von 10 und andere von 25 Prozent erhoben werden, ist nicht immer ersichtlich. Grundsätzlich hat die Kommission die Devise ausgeben, dass die ökonomischen Folgen der Zölle, etwa durch den Preisanstieg für einzelne Produkte, gleichmäßig unter den EU-Staaten verteilt sein sollen. Außerdem hat sie berücksichtigt, wie leicht die Einfuhr aus den USA durch Angebote aus anderen Ländern zu ersetzen ist.
Die Arbeit an einer Reaktion auf die Autozölle und die am 2. April verhängten Zölle von 20 Prozent geht unterdessen voran. Es ist aber nicht vor Ende des Monats mit konkreten Vorschlägen zu rechnen, wenn überhaupt. Dass die EU am Ende Gegenzölle auf eine vergleichbare Menge an Waren erhebt wie die USA, ist unwahrscheinlich. Die US-Zölle treffen insgesamt Waren im Wert von mehr als 370 Milliarden Euro. Die EU könnte auch deshalb stattdessen Schritte gegen Dienstleister, allen voran die Digitalkonzerne, ergreifen.