Donald Trump hat mit seiner Zollorgie den Rest der Welt – mit Ausnahme Russlands – gegen sich aufgebracht. Ein Land aber ragt aus dem weltumspannenden Handelskonflikt besonders heraus: China. Erst verhängte Trump für Importe aus der Volksrepublik einen Zollsatz von 20 Prozent, dann kamen für angebliche Handelsnachteile 34 Prozent dazu. China drohte mit 34 Prozent Gegenzoll, Trump darauf mit weiteren 50 Prozent. In Summe könnten chinesische Produkte in den USA ab Mitternacht (Ortszeit) mehr als doppelt so teuer werden. Die kommunistische Führung in Peking zeigte sich davon am Dienstag unbeeindruckt: „China ist bereit, bis zum Ende zu kämpfen, wenn die USA diesen falschen Weg einschlagen wollen“, teilte das Handelsministerium mit.
Als Beobachter kann man leicht den Überblick verlieren, so schnell fliegen die Bälle zwischen Washington und Peking hin und her. Doch Europa ist nicht nur in einer Beobachterrolle, sondern ebenfalls betroffen. „Ein weiter eskalierender Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt wäre ein toxisches Signal für die Weltkonjunktur und die globalen Lieferketten – und damit für viele deutsche Unternehmen“, warnt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer.
Laut einer Umfrage der deutschen Auslandshandelskammer exportierten im vergangenen Jahr 14 Prozent der in den USA tätigen deutschen Unternehmen ihre Produkte nach China. Noch mehr, 33 Prozent, bezogen Vorprodukte aus dem Land, oder ihre Zulieferer taten es. Die deutschen Autohersteller exportierten 2024 nach Angaben des Branchenverbands VDA 81.200 Fahrzeuge aus den USA nach China. Dies entsprach rund zehn Prozent ihrer Produktion in den Vereinigten Staaten.
Angst vor „wettbewerbsverzerrend niedrigen Preisen“ in Europa
Zudem könnten die Europäer indirekt Leidtragende des Konflikts zwischen den USA und China werden. „Ein erheblicher Teil der Produkte, die in China für den amerikanischen Markt produziert werden, könnte nun auf Europa umgelenkt werden“, befürchtet Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbands BGA. „Alles, was nicht in die USA verkauft werden kann, droht den europäischen und andere Weltmärkte zu fluten.“ Von einer drohenden „China-Schwemme“ spricht Jandura. „Güter wie Autos, Maschinen und technische Produkte würden hier zu wettbewerbsverzerrend niedrigen Preisen verkauft.“ Günstiger Stahl aus China ist europäischen Herstellern länger ein Ärgernis, in jüngster Zeit kamen Elektroautos dazu.
Die USA und China tauschten 2024 Waren im Wert von rund 580 Milliarden Dollar aus. Das ist viel, es sind aber nur knapp zwei Prozent des Welthandels. Amerika liefert vor allem Sojabohnen, Getreide, Öl, Gas und Maschinen. China exportiert vor allem Handys, Computer und andere Elektronik nach Amerika, zudem Spielzeug, Möbel und Schuhe. Die chinesischen Warenlieferungen nach Amerika überstiegen die Lieferungen in die andere Richtung um fast 300 Milliarden Dollar. Dieses Ungleichgewicht hatte schon in Trumps erster Amtszeit zu Konflikten geführt. Güter wie Solarpaneele aus China oder Nüsse aus Amerika wurden mit höheren Zöllen belegt. Joe Biden behielt sie während seiner Amtszeit größtenteils bei und führte für Halbleiter sogar neue ein.
Es gibt auch positive Effekte für Europa
Mit den angekündigten Zusatzzöllen würde der Warenhandel zwischen den beiden Ländern nach einer Berechnung des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) um fast 40 Prozent einbrechen und das US-Bruttoinlandsprodukt innerhalb eines Jahres um zwei Prozent schrumpfen, das chinesische um fast ein Prozent. Für Deutschland erwartet Forscher Julian Hinz unter dem Strich kaum Veränderungen. Zwar rechnet auch Hinz mit „großen Handelsumleitungen“ nach Europa, durch die heimische Hersteller Umsatz und Marktanteile verlieren könnten. Er sieht in den Chinazöllen von Trump aber auch positive Effekte für Deutschland und die EU. „Europäische Waren würden in Amerika relativ gesehen dadurch viel günstiger“, sagt Hinz. „Europa könnte dann sogar mehr Waren nach Amerika exportieren.“
Ob das dem US-Präsidenten gefallen würde, darf bezweifelt werden. Schon heute exportiert Europa viel mehr Waren nach Amerika als umgekehrt, was ein Grund, wenn auch nicht der einzige, für Trumps Furor gegen die EU ist. Dass US-Konzerne wie Google, Amazon oder Paypal viel mehr Dienstleistungen in Europa verkaufen als europäische Unternehmen in den USA, interessiert ihn wenig.
Hauptaugenmerk der USA liegt auf China
Das Hauptaugenmerk der USA richtet sich indes auf das Land, das zur größten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen möchte: China. Auf dem G-7-Gipfel 2023 im japanischen Hiroshima rangen die sieben führenden Industrienationen lange um eine Formulierung zum richtigen Umgang mit China. Konsensfähig war am Ende, dass man China „nicht schaden“ und auch seine wirtschaftliche Entwicklung nicht behindern wolle. Ungeachtet dessen übte Joe Biden in seiner Amtszeit Druck auf die Europäer aus, bestimmte Hightechprodukte nicht mehr nach China zu liefern. Dies traf das niederländische Unternehmen ASML, das die Geräte für die Chipherstellung herstellt.
Das chinesische Handelsministerium forderte die USA am Dienstag auf, „die Behinderung der chinesischen Wirtschaft und des chinesischen Handels zu beenden und Differenzen mit China durch einen gleichberechtigten Dialog auf der Grundlage gegenseitigen Respekts angemessen beizulegen“. Druck ausüben kann Peking nicht nur mit Zöllen, sondern auch mit Exportbeschränkungen für Rohstoffe, auf die die USA, aber auch Deutschland angewiesen sind. Der VDA verweist darauf, dass China bei Kugelgraphit – das für die Batterien von Elektroautos benötigt wird – einen Marktanteil von 100 Prozent hat.
Die indirekten Folgen eines eskalierenden Konflikts zwischen den USA und China treiben auch Brüssel um. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in den vergangenen Tagen mit Industrievertretern wie den Autoherstellern Kontakt aufgenommen. Als Nächstes steht etwa die Chemiebranche auf der Liste. In einem Telefonat mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang am Montag stand die Gefahr, dass chinesische Produkte nun die EU überschwemmen könnten, im Zentrum. Der Umgang damit soll auch Thema auf dem für dieses Frühjahr geplanten EU-China-Gipfel sein. Die Kommission hat zudem am Montag eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Entwicklung der Handelsflüsse überwachen soll. Die EU werde nicht zögern, ihre Industrie, wenn nötig, durch Zölle zu schützen, hieß es in Brüssel.