Zwei Spiele, zwei Siege. Die Bilanz der DFB-Frauen der vergangenen Partien gegen Schottland spricht für das Team. Doch hohe Ergebnisse sind nicht alles.
Aus Wolfsburg berichtet Kim Steinke
4:3 gegen England, 6:0 gegen die Schweiz, 4:1 gegen Österreich und ein 4:0 sowie 6:1 gegen Schottland: Bei seinen fünf Siegen aus acht Spielen als Bundestrainer konnte Christian Wück seit seinem Amtsantritt im vergangenen Oktober zahlreiche Tore bejubeln. Hohe Ergebnisse wie zuletzt gegen die schottische Auswahl am vergangenen Freitag und Dienstag versprechen eine dominante deutsche Frauen-Nationalmannschaft.
Ein Team, das seinen Gegner in Grund und Boden spielt und nicht den Hauch einer Chance lässt. Doch es gibt ein Problem. “Die Mädels haben mich heute zweimal sprachlos gemacht, einmal in der ersten Halbzeit, einmal in der zweiten Halbzeit. Wie man so zwei Gesichter zeigen kann, mit nahezu der gleichen Truppe, das ist schon außergewöhnlich”, teilte Wück seine Gedanken nach dem Kantersieg in Wolfsburg in der ARD. “Das müssen wir in den Griff kriegen. So eine Halbzeit darf man sich bei der Europameisterschaft nicht leisten.”
Was Wück meint: Keine drei Monate vor der EM wachten die deutschen Fußballerinnen gegen Schottland erst spät auf – schon wieder. Zwar jubelte das Team über viele Tore und einen hohen Sieg. Die fielen jedoch allesamt erst in der zweiten Hälfte, während die DFB-Elf in der ersten Halbzeit keine gute Figur machte und mit einem Rückstand in die Pause ging. Mit Blick auf das Turnier im Sommer in der Schweiz braucht es aber mehr als nur eine gute Halbzeit.
Torschützin Laura Freigang resümierte nach Abpfiff: “Schön wäre, wenn wir das von Anfang an zeigen könnten. Oft ist es so, dass wir es in der ersten Hälfte haben und in der zweiten nicht oder andersherum.” Der Bundestrainer steht vor einer echten Herausforderung. In seinen acht Spielen an der Seitenlinie der DFB-Frauen verbuchte Wück neben fünf Siegen auch ein Unentschieden und zwei Niederlagen und setzte in den vergangenen Monaten über 30 Spielerinnen auf dem Platz ein – aus gutem Grund.
Seit seiner Übernahme traten Spielerinnen wie Merle Frohms, Marina Hegering, Lina Magull und Alexandra Popp aus der Nationalmannschaft zurück. Plötzlich taten sich Lücken auf, die Wück innerhalb kürzester Zeit stopfen musste. Es brauchte einen Generationenwechsel, eine neue Achse – und das möglichst schnell.
Dass mit den Ausfällen von Bibiane Schulze Solano, Kathrin Hendrich und Rebecca Knaak ausgerechnet drei wichtige Innenverteidigerinnen wegbrechen, kam für Wück zur Unzeit. Denn wenn die DFB-Frauen eine große Baustelle zu bewältigen haben, dann die im Zentrum der Defensive. Mit Sophia Kleinherne empfahl sich nun zumindest eine Alternative.
Die Frankfurterin stand im Hinspiel gegen Schottland am vergangenen Freitag erstmals nach zwei Jahren wieder in der Startelf – und übernahm prompt Verantwortung. Kleinherne habe “bewiesen, dass wir das Vertrauen von ihr zu 100 Prozent zurückgezahlt bekommen”, sagte Wück bereits am Montag: “Allergrößten Respekt davor.”
Verantwortung. Ein Wort, auf das es in den kommenden Wochen mit Blick auf die EM ankommt. Wück muss die Verantwortung, die jahrelang von Spielerinnen wie Popp oder Hegering getragen wurde, auf mehrere Spielerinnen verteilen. Neben der neuen Kapitänin Giulia Gwinn haben auch Mittelfeld-Routinierin Sjoeke Nüsken und die aktuell am Comeback arbeitende Lena Oberdorf zuletzt gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen können.