Das EU-KI-Gesetz, besser bekannt als AI Act, schien für die EU-Kommission lange Zeit unantastbar. Zu sehr hatte sie sich trotz aller Kritik aus der Branche darauf versteift, dass die EU mit dem Gesetz zum weltweiten Vorreiter für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz werde und so in die von den USA und China gelassene Lücke stoße. Kritiker hielten dem entgegen, dass die EU mit den neuen Vorgaben für riskante Anwendungen Innovationen bremse und sich selbst aus dem Spiel nehme.
In dem am Mittwoch vorgelegten Aktionsplan für einen KI-Kontinent rückt Brüssel nun erstmals vorsichtig von der bisherigen Linie ab. Die Kommission betont zwar, dass der Fokus zunächst einmal darauf liege, den betroffenen Unternehmen bei der Umsetzung der Regeln zu helfen. Dafür will sie unter anderem einen „Helpdesk“ einrichten.
Sie hat aber zugleich eine Konsultation eingeleitet. Die betroffenen Unternehmen sollen darin beantworten, wo der AI Act Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz behindert. Das soll in die für dieses Jahre geplante Überprüfung der europäischen Digitalgesetzgebung einfließen. Ziel sei die Anwendung des KI-Gesetzes möglichst reibungslos und einfach zu machen, insbesondere für kleinere Unternehmen, heißt es in dem Dokument.
Kritik von Verbraucherschützern
Bei Verbraucherschützern stößt das auf Kritik. Ein großer Teil des KI-Gesetzes sei noch nicht einmal in Kraft und die Kommission signalisiere, dass sie die Anforderungen zurückschrauben wolle, hob der europäische Verband BEUC hervor. Sie schaffe damit rechtliche Unsicherheit und erschüttere das Vertrauen in KI. Die zuständige Vizepräsidentin Henna Virkkunen wies das am Mittwoch zurück, die Kommission habe den Bürokratieabbau zum Kernziel ihrer Amtszeit ausgerufen. Das gelte auch für den AI Act. Sie werde aber an den Prinzipien des 2024 in Kraft getretenen Gesetzes festhalten.
Der scheidende Bundesdigitalminister Volker Wissing (parteilos) begrüßte den Vorstoß der Kommission. Damit Europa das Potential von KI ausschöpfen könne, brauche es weniger bürokratische Hürden für Unternehmen, die KI nutzen, bessere Bedingungen für Hochrisiko-Investitionen und mehr Wachstumschancen für Start-ups und europäische Tech-Unternehmen. „Innovation entsteht dort, wo Unternehmen die Freiheit haben, neue Technologien zu entwickeln und erfolgreich in den Markt zu bringen – und genau diese Freiheit muss Europa bieten“, sagte Wissing.
Jenseits der in Aussicht gestellten Vereinfachung des AI Acts wiederholt die Kommission in dem Aktionsplan die bereits im Februar von Präsidentin Ursula von der Leyen gemachte Zusage, einen AI-Invest-Fonds zu schaffen. Dieser soll 20 Milliarden Euro für den Bau von bis zu fünf Gigafabriken, einer Art Riesenrechenzentrum, für KI mobilisieren. Ob die Summe zustande komme, hänge indes auch von der Bereitschaft der EU-Staaten ab, Mittel zur Verfügung zu stellen, hieß es in Brüssel. Der Fonds soll gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) aufgelegt werden und durch die Übernahme von Investitionsrisiken private Investoren anlocken. Wer den Zuschlag für den Bau der Riesenrechenzentren erhält, soll bis Mitte des Jahres 2026 entschieden sein. Sie sollen bis zu vier Mal leistungsfähiger sein als die bestehenden KI-Fabriken.
Die Kommission will zudem die Kapazitäten der Datenzentren in der EU innerhalb von fünf bis sieben Jahren verdreifachen. Die Abhängigkeit von Nicht-EU-Infrastruktur bei Clouddiensten und Datenzentren, wie sie Amazon oder Microsoft bereitstellen, sei eine Gefahr für die wirtschaftliche Sicherheit. Die Kommission will bis spätestens Anfang 2026 konkrete Vorschläge dazu vorlegen.