Warum Temu gegen zweifachen Gegenwind kämpfen muss

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Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat beim Bundeskartellamt eine Beschwerde gegen den chinesischen Onlinemarktplatz Temu eingereicht. Dabei geht es um mutmaßlich kartellwidriges Verhalten. Temu verkauft selbst keine Waren, sondern lässt überwiegend chinesische Händler gegen Provision auf seine Plattform. Konkret kritisiert der HDE, dass Temu den Händlern die Hoheit nimmt, über die Preise selbst zu bestimmen.

Der Vorwurf lautet weiter: Die Plattform legt nicht nur fest, dass die Preise der einzelnen Händler bei maximal 85 Prozent des Preises liegen dürften, den die Händler für ein vergleichbares Produkt auf anderen Verkaufsplattformen verlangen. „Vielmehr behält sich Temu gegenüber den Verkäufern zugleich auch vor, selbst über die Höhe der finalen Verkaufspreise zu entscheiden“, heißt es in der Mitteilung des Verbands. Temu hat auf die Vorwürfe nach F.A.Z.-Anfrage nicht reagiert.

Auch der Onlinehandelsverband BEVH stört sich an Temu: „Wir sehen die Plattform und die Konditionen ebenfalls sehr kritisch“, sagt ein Sprecher der F.A.Z. Kein vergleichbarer Onlinemarktplatz gebe den Händlern direkt die Preise vor. Was der BEVH zugleich betont: „Das Problem betrifft europäische Regeln, weshalb es auch auf der EU-Ebene angegangen werden muss.“

Weicht Temu aus?

Alexander Graf, Handelsfachmann und Chef der Softwarefirma Spryker, zweifelt daran, dass der Vorstoß des HDE Temu wehtun wird. „Natürlich muss auch Temu sich an das europäische Wettbewerbsrecht halten. Und das werden sie auch tun, wenn ihnen hier Fehlverhalten nachgewiesen wird“, sagt er. Worauf Graf hinweist: Amazon schrieb in der Vergangenheit seinen Händlern vor, dass diese auf einer anderen Plattform keine günstigeren Preise anbieten dürfen. Das Bundeskartellamt untersagte dem US-Giganten dieses Vorgehen. Doch dem Marktführer wird immer noch vorgeworfen, seine Händler unter Druck zu setzen.

Ähnliches erwartet Graf von der chinesischen Plattform: „Temu wird auf das ausweichen, was man bis heute auch Amazon vorwirft. Sie werden Händlern drohen, Marketingaktivitäten für einzelne Produkte zurückfahren. Sie werden drohen, Produkte nicht mehr oder nur noch kaum sichtbar zu listen.“ Jochen Krisch, Branchenkenner und Herausgeber des Branchenportals Exciting Commerce, glaubt an die Anpassungsfähigkeit von Temu: „Mit der Zeit und der Professionalisierung der Partner wird sich vieles davon geben.“

Derweil müssen Temu und der Modekonkurrent Shein mit Belastungen ihres US-Geschäfts kämpfen. US-Präsident Donald Trump verdreifacht die bisher vorgesehenen zusätzlichen Zölle für geringwertige Waren aus China auf 90 Prozent. Ein Dekret dafür unterschrieb Trump am Dienstagabend (Ortszeit). Zunächst plante er einen Zoll in Höhe von 30 Prozent auf Waren mit einem Wert von unter 800 Dollar (rund 724 Euro) vom 2. Mai an. Die vorherige Zollfreiheit gilt für Alexander Graf als Grundlage für das schnelle Wachstum der asiatischen Billiganbieter.