Angetrieben von Donald Trumps Zollerhöhungen haben die Spitzenpolitiker von Union und SPD bis zuletzt an ihrem Regierungsprogramm gefeilt. Es soll den Unternehmen in schwierigen Zeiten Mut machen. Die Wirtschaftspolitiker der Union bemühten sich am Mittwoch sichtlich, gute Stimmung zu verbreiten. An die „lieben Freunde“ ging noch vor der Vorstellung des Koalitionsvertrags eine Nachricht mit den wichtigsten Erfolgen, die CDU und CSU sich auf die Fahne schreiben. „Das Bürgergeld wird rückgängig gemacht. Wie von uns gefordert“, hieß es. Und es werde die Wochenhöchstarbeitszeit eingeführt, „wie von uns gefordert“. Auch die geplanten steuerfreien Überstundenzuschläge, die steuerfreie „Aktivrente“ und die Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes sieht die Union als Belege, dass die von ihr im Wahlkampf versprochene „Wirtschaftswende“ kommt.
Worauf sich Unternehmen auf Grundlage des Koalitionsvertrags einstellen können: Zunächst sollen sie drei Jahre lang von verbesserten Abschreibungsbedingen profitieren. Von einem „Investitionsbooster“ in Höhe von 30 Prozent ist die Rede. Wer investiert, kann dann die damit verbundenen Kosten schneller geltend machen. Dies drückt anfangs den zu versteuernden Gewinn. Später ist dieser dann zwar höher. Aber dafür soll von 2028 an der Körperschaftsteuersatz sinken, von heute 15 Prozent in fünf Schritten auf schließlich 10 Prozent. Am Ende dieses Prozesses betrüge die Gesamtbelastung für Unternehmen unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer dann 25 Prozent. Damit stünde Deutschland im internationalen Vergleich nicht mehr wie heute mit 30 Prozent an der Spitze.
Keine Wiederbelebung der Vermögensteuer
Die Forderungen der SPD nach einer Wiederbelebung der Vermögensteuer, einer höheren Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge und einer höheren Belastung der Spitzenverdiener in der Einkommensteuer haben es nicht in den Vertrag geschafft. Eine Entlastung in der Einkommensteuer wird es jedoch nur für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen geben. Und der Solidaritätszuschlag bleibt – anders als von der Union gefordert.
Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum, ein enger Berater der SPD-Verhandler und selbst Sozialdemokrat, machte dafür auf der Plattform X vor allem die CSU verantwortlich. Die von ihr durchgesetzte Ausweitung der Mütterrente, die Steuersenkung für die Gastronomie und der vergünstigte Agrardiesel „sind ein wesentlicher Grund, warum Steuerentlastungen nur verzögert und in Trippelschritten kommen“.
Schnitzer: Wirtschaftswende fällt kleiner aus, als angekündigt
Die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer, kommentierte das Verhandlungsergebnis gegenüber der F.A.Z. so: „Der schnelle Abschluss der Verhandlungen schafft Planungssicherheit, das ist angesichts der von den USA ausgelösten globalen Handelsturbulenzen wichtig. Die angekündigte Wirtschaftswende fällt allerdings deutlich kleiner aus, als in den Wahlprogrammen angekündigt.“ Dies liege an den grundverschiedenen Positionen der Parteien etwa zur Frage, ob die Steuern sinken oder steigen sollten. „Die geplanten Sonderabschreibungen sind sinnvoll und sicher weniger kontrovers gewesen.“ Beim Thema Bürokratieabbau seien noch „dicke Bretter“ zu bohren.
Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte: „Es wird deutlich, dass die Koalition in der Steuerpolitik die Bedingungen für Investitionen verbessern will. Das ist ein wichtiger Schritt.“ Die zeitlich versetzte Senkung des Körperschaftsteuersatzes schone das Steueraufkommen, gebe aber trotzdem ein wichtiges Signal.
Strompreise sollen sinken
Die im internationalen Vergleich ebenfalls hohen Strompreise in Deutschland sollen durch ein Maßnahmenbündel sinken. Zum einen wollen die schwarz-roten Koalitionäre die Stromsteuer dauerhaft auf das EU-Mindestmaß reduzieren. Ebenfalls verlängert und ausgeweitet werden soll die Strompreiskompensation, mit der Unternehmen die im Strompreis enthaltenen Kosten des EU-Emissionshandels teilweise erstattet bekommen.
Neu dazukommen soll ein subventionierter Industriestrompreis für energieintensive Betriebe. Dies hatten SPD und Grüne auch schon in der Ampelkoalition gefordert, waren damit aber an der FDP gescheitert. Auch die Netzentgelte auf den Strompreis sollen sinken, unter anderem dadurch, dass teilweise auch wieder günstigere Freileitungen statt Erdkabel verlegt werden dürfen. Um die Stromversorgung auch in wind- und sonnenarmen Zeiten zu sichern, sollen bis 2030 Gaskraftwerke mit 20 Gigawatt Leistung entstehen.
Das Bürgergeld wird abgelöst
Ein umkämpftes Thema in den Verhandlungen war neben der Steuer- die Sozialpolitik. Geeinigt haben sich die Verhandler auf eine „Grundsicherung für Arbeitsuchende“, die das bisherige Bürgergeld ablösen soll und in der wieder strengere Regeln gelten, um Leistungsbezieher zur Aufnahme einer Arbeit zu bewegen. Wer Arbeit verweigert oder Termine im Jobcenter ignoriert, soll schneller Sanktionen, also Kürzungen, spüren. Entschärft werden soll aber die Anrechnung des Arbeitslohns in der Grundsicherung. Bisher wird eigener Mehrverdienst oft voll mit der Sozialleistung verrechnet. Mehr zu arbeiten, lohnt sich dann kaum. Das soll sich ändern.
Für Ruheständler planen Union und SPD höhere Leistungen der gesetzlichen Rente. Die sogenannte Mütterrente wird erweitert, wie von der CSU verlangt. Laut Rentenversicherung kostet dies jährlich rund fünf Milliarden Euro, für die eine Finanzierung aus Steuern vereinbart wurde. Zugleich soll der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel ausgeschaltet werden, damit die Renten jährlich stärker steigen. Dies steckt hinter der Festlegung, „das Rentenniveau bei 48 Prozent gesetzlich bis zum Jahr 2031“ zu garantieren. „Die Mehrausgaben, die sich daraus ergeben, gleichen wir mit Steuermitteln aus“, heißt es im Vertrag. Bis 2030 dürften dazu weitere rund 15 Milliarden Euro zusätzliche Steuermittel für die Rente nötig sein. Der Nachhaltigkeitsfaktor war einst eingeführt worden, um die Jüngeren vor zu stark steigenden Belastungen durch den Renteneintritt der Babyboomer zu schützen. Die SPD hatte ihn dauerhaft stillegen wollen.
Trotz der Kritik aus der CDU an den Subventionsprogrammen der Ampelkoalition sollen die Programme zur Dekarbonisierung der Industrie, etwa wie Klimaschutzverträge, fortgeführt werden. Gefördert werden sollen auch Chip-, Biotech- und KI-Unternehmen. Expansionswilligen Unternehmen will die schwarz-rote Koalition mit Eigenkapitalspritzen oder Krediten aus einem neu zu schaffenden Deutschlandfonds helfen, für den der Bund zehn Milliarden Euro bereitstellen will.
Für Gründer soll es einen „vollständigen One-Stop-Shop“ geben – eine digitale Anlaufstelle, auf der alle Anträge und Behördengänge innerhalb von 24 Stunden erledigt werden können. Um den Wohnungsmangel zu bekämpfen, soll vorübergehend auch der Bau von Häusern nach dem KfW-Standard Effizienzhaus 55 wieder gefördert werden. Ein Handlungsauftrag an die EU-Kommission aus dem Koalitionsvertrag lautet, auf ein Freihandelsabkommen mit den USA hinzuarbeiten, auch wenn das aktuell angesichts der Zollpolitik von Donald Trump wenig aussichtsreich erscheint.