Warum Gas erstmal günstig bleiben könnte

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Der sich verschärfende Handelskonflikt zwischen den USA und China sorgt dafür, dass der Gaspreis weiter abrutscht. Seit der amerikanische Präsident Donald Trump am 2. April sein großes Zollpaket verhängt hat, hat der europäische Referenzpreis TTF fast ein Fünftel seines Wertes verloren – auch wenn der Kurs am Donnerstag im Tagesverlauf im Plus notierte. Damit ist Gas in Europa seit Mitte Februar 40 Prozent günstiger geworden. Am Donnerstagmittag kostete eine Megawattstunde 34,80 Euro.

Die Talfahrt begann am 10. Februar, unmittelbar nachdem China Zölle in Höhe von 15 Prozent auf amerikanisches Flüssiggas verhängt hatte. Seitdem hat das Land den Import aus den USA eingestellt – mit Folgen für Europa. Manch einer erklärt sich das so: Chinesische Importeure seien zwar durch langfristige Verträge an die USA gebunden. Doch durch den vergangenen milden Winter und robuste Lagerbestände benötige China das amerikanische Flüssiggas nicht unbedingt. Stattdessen werde das amerikanische Gas nach Asien und Europa weiterverkauft, wodurch in Europa die Preise sinken.

Tatsächlich ist die chinesische Nachfrage nach Flüssiggas im ersten Quartal um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal gefallen. Allerdings handele es sich bei den frei werdenden Mengen an US-Flüssiggas nur um 6,21 Milliarden Kubikmeter im Jahr. Das entspreche weniger als 0,2 Prozent des weltweiten Verbrauchs, sagt Ann-Kathrin Klaas vom Energiewirtschaft­lichen Institut (EWI) an der Universität zu Köln. Nach Europa exportieren die USA fast achtmal so viel.

Andreas Schröder vom Analysehaus ICIS sieht deshalb noch andere Gründe für den Preisverfall. Das Ende des Winters ab Ende Februar sei durch höhere Temperaturen geprägt gewesen, was bei einigen Händlern zu einem „massiven Verkauf an den Börsen“ geführt habe. „Vollkommen neu“ sei außerdem, dass sich im Gasmarkt Spekulanten tummeln. Diese hätten durch reihenweise Verkäufe ihrer Long-Positionen den Preisverfall nochmals beschleunigt, sagt Schröder. Drittens würden manche Händ­ler nach wie vor daran glauben, dass bald wieder russisches Gas nach Europa fließt.

Nicht nur Schröder geht davon aus, dass die Preise erst einmal auf dem aktuellen Niveau verbleiben. Spekuliert wird, dass der vom amerikanischen Präsidenten ausgelöste Handelskonflikt weltweit die Konjunktur und damit die industrielle Produktion dämpfen werde, insbesondere in China. Damit würden die Gasnachfrage und dementsprechend auch die Preise sinken. In Europa kommt der Beginn des Frühlings hinzu. Mit steigenden Temperaturen sinken normalerweise die Gaspreise, weil im Sommer kein Gas zum Heizen benötigt wird. Außerdem erwartet Schröder, dass das Angebot in den kommenden Jahren deutlich ausgeweitet wird: „Es kommen einfach so viele Projekte zum Export von Flüssiggas in den USA und Qatar auf die Weltmärkte.“ Andere sehen aufgrund der durch den Handelskonflikt ausgelösten Unsicherheit weiterhin viel Volatilität im Markt.

Sollten die Preise dauerhaft so niedrig bleiben, dürfte sich das auch auf Verbraucher auswirken. Für die Industrie könne es sich lohnen, jetzt keine Langfristkontrakte einzugehen, sondern bis zur „großen LNG-Welle zu warten“, sagt Schröder. Auch die Preise privater Haushalte seien zwar „vergleichsweise träge und sinken oder steigen weniger schnell als Börsenpreise, folgen aber grundsätzlich den (mittel- bis langfris­tigen) Preistrends des Weltmarkts“, sagt EWI-Forscherin Klaas. Viele Versorger beschaffen Gas langfristig, weshalb sich die gesunkenen Börsenpreise nicht unmittelbar auf die Endkundenpreise auswirken.

Aktuell machen die Kosten für Beschaffung und Vertrieb etwa 55 Prozent des Preises aus, den private Haushalte für Gas zahlen (siehe Grafik). Der Rest entfällt auf Netzentgelte sowie Steu­ern, Abgaben und Umlagen. Der durchschnittliche Erdgaspreis war im vergangenen Jahr um gut ein Fünftel auf knapp 11 Cent je Kilowattstunde gesunken. Damit liegt er jedoch immer noch deutlich über den Preisen, die zwischen 2016 und 2020 aufgerufen wurden, als noch russisches Gas verfügbar war.