Als Konsequenz aus der Ahrtal-Flut hat der Deutsche Wetterdienst ein neues Internetportal entwickelt. Es soll die Bevölkerung besser über Naturgefahren informieren – und davor warnen. Ahrtal-Bewohner äußern Kritik.
Im Juli 2021 zerstörte das Hochwasser im Ahrtal viele Leben. 135 Menschen starben. Heute, fast vier Jahre später, soll das neue Naturgefahrenportal des Deutschen Wetterdienstes (DWD) dafür sorgen, dass sich Fehler von damals nicht wiederholen. Betroffene sollen besser gewarnt und mit Informationen versorgt werden – vor, während und nach dem Eintreten von Naturkatastrophen – so das Ziel des neuen Angebots.
Neues Portal bündelt Informationen über Gefahren
Am Freitagmorgen wurde die Internetseite naturgefahrenportal.de live geschaltet. “Der Ansatz, der dahintersteckt, ist neu,” erklärte Bodo Erhardt vom DWD, der die Entwicklung des Portals geleitet hat. “Bisher war es so, dass die Informationen zu verschiedenen Naturgefahren relativ weit verstreut lagen”, so der 41-Jährige. Die neue Website sei ein gesammelter Zugangspunkt für Informationen über Naturgefahren.
“Das Naturgefahrenportal ist ein Vorzeigebeispiel für die nutzerfreundliche Aufbereitung öffentlicher Daten“, sagte der scheidende Bundesverkehrs- und Digitalminister Volker Wissing beim offiziellen Start des Portals in der DWD-Zentrale im hessischen Offenbach. “Erstmals bündeln wir an zentraler Stelle sämtliche Frühwarnungen sowie Lage- und Vorsorgeinformationen zu wetterbedingten Naturgefahren, über die wir in Deutschland verfügen“, lobte Wissing und bezeichnete das Portal als “innovative Lösung”.
Aufbau des Naturgefahrenportals noch nicht abgeschlossen
Das neue Naturgefahrenportal fasst Warnungen und bereits vorhandene Informationen verschiedener Institutionen in Deutschland zusammen. Es seien aber “noch nicht alle Naturgefahren enthalten”, sagt der Produktverantwortliche Bodo Erhardt. Im Fokus stehen zunächst Hochwasser- und Sturmflutgefahren. Die erste Ausbaustufe umfasst Wettergefahren des DWD, Hochwasserwarnungen der Bundesländer, Sturmflutwarnungen des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie sowie Bevölkerungsschutzwarnungen der verschiedenen Katastrophenschutzbehörden.
Geplant ist nun, das Portal um das gesamte Spektrum an Naturgefahren, von Waldbränden über Erdbeben bis zu Ozonbelastungen, auszubauen. Die Entwicklung des Portals begann Anfang 2023, hat nun mehr als zwei Jahre gedauert. 2024 wurde eine Gesetzesänderung als Rechtsgrundlage beschlossen, der DWD übernahm die vorläufige Fertigstellung. Das Portal gibt es nur als Website, diese sei aber auch als mobile Version auf dem Handy verfügbar, so Erhardt. “Es gibt in der mobilen Nutzung noch ein paar technische Hürden, die wir beseitigen müssen. Primär ist es als Desktop-Website entwickelt.“
Fehlende Warnungen per Push-Mitteilung sorgen für Kritik
Eine App gibt es nicht. Es sei auch keine in Planung, erläutert der DWD-Produktverantwortliche, denn sonst hätte die Entwicklung noch länger gedauert. Dementsprechend liefert das neue Portal im Katastrophenfall auch keine Warnmitteilungen, etwa per Push-Nachricht aufs Handy. “Es gibt ja bereits Warnwetterapps des DWD oder die Warn-App NINA, die eine Push-Funktion bieten. Wir wollten nicht noch mehr Verwirrung in der Bevölkerung erzeugen, indem wir einen dritten Kanal aufmachen“, ordnet Erhardt ein. Das sei dem Bund-Länder-Beirat des DWD und dem Bundesverkehrsministerium bei der Entwicklung besonders wichtig gewesen.
Fluthilfe-Initiativen aus dem Ahrtal freuen sich zwar über die gesammelten Informationen, üben aber dennoch Kritik. Michaela Wolff, Vorsitzende des Vereins Fluthilfe-Ahr, findet, es müsse “in der heutigen Zeit zumindest eine webbasierte App mit der Möglichkeit von Push-Nachrichten zur Frühwarnung aus dem Portal generiert werden, damit das Portal überhaupt einen Mehrwert für Bürger bietet“. Sie verweist zudem darauf, “dass Strom- und Internetausfälle in Katastrophenfällen den Informationserhalt zusätzlich schmälern und sich daher weitere Fragen über technische Möglichkeiten eines Portals auftuen, damit auch ohne festen Internetanschluss eine Information der betroffenen Bürger über eine solche Plattform sichergestellt ist“.
Portal soll in Warn-Apps integriert werden
Ziel des Deutschen Wetterdienstes sei es, dass die bestehenden Warn-Apps auf das Naturgefahrenportal verweisen, entgegnet Entwickler Erhardt. “Dieser Prozess ist noch im Gange.“ Im Portal selbst soll es neben den Warnungen Hinweise auf bestehende Gefahren und Risiken geben, etwa bei Hochwasser oder Starkregen – auch mit Hilfe von hochauflösenden interaktiven Karten, in denen man etwa seinen Wohnort markieren könne. “Da können Sie dann wirklich sehen: Ist die Nordseite ihres Gebäudes mehr gefährdet oder doch die Westseite?“, erklärt Erhardt. “Dann können Sie sich überlegen, wenn Sie Schutzmaßnahmen ergreifen, wo genau es am sinnvollsten ist.“
Das Portal enthält eine Fülle an Informationen zum Vorsorgen und Handeln. “Manche Informationen sind aus Expertensicht vielleicht trivial“, sagt DWD-Entwickler Erhardt. Dennoch seien sie wichtig. Etwa, wie man im Fall einer Evakuierung einen Notfallrucksack packt. Bei Überflutungen sollte man Keller meiden, oder etwa in Hochwasser-gefährdeten Bereichen Sandsäcke bereitstellen. “Wir wollen den Leuten Informationen anbieten im Vorfeld oder auch während eines Ereignisses – was soll ich denn jetzt machen?“, fasst Bodo Erhardt den Sinn des neuen Portals zusammen. Solche Informationen hätten bei der Ahrtal-Katastrophe 2021 vielen Menschen gefehlt.
Ahrtal-Bewohner bezweifeln Nutzen des Portals
Dass eine solche Entwicklung so lange gedauert habe, kritisiert Reiner Friedsam von der Initiative zum Schutz des Ahrtals vor erneuten Fluten scharf: “Jetzt – vier Jahre nach der Katastrophe – sollen auf politischen Druck Notfallmaßnahmen umgesetzt werden.“ Er stellt die Sinnhaftigkeit des neuen Portals für betroffene Menschen, wie den Bewohnern des Ahrtals, infrage. “Was nützt mir das als Anwohner, wenn ich Tipps bekommen, ich soll Sandsäcke vor die Tür legen – das hilft nicht bei Extremereignissen wie dem Hochwasser 2016 und der Flutkatstrophe 2021.“ Friedsam bezeichnet das neue Naturgefahrenportal daher als “Aktionismus“, der viel Geld koste.