Die Angst vor einem Währungskrieg wächst

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Der Handelskrieg zwischen China und den USA ist eskaliert. Angesichts der Verwerfungen bei den Wechselkursen nehmen nun die Sorgen zu, dass die historische hohen Zölle nur die erste Stufe in der Auseinandersetzung der beiden größten Volkswirtschaften der Welt ist. Der Dollar wertete gegenüber vielen anderen Währungen ab. Die Anleger flüchteten sich in den japanischen Yen, den Euro, den Schweizer Franken oder Gold. Das Vertrauen in US-Staatsanleihen erodiert, während deutsche Staatsanleihen ein sicherer Hafen sind.

Der Konflikt könne noch weiter eskalieren, von einem Handelskrieg „zu einem Währungskrieg oder gar einem Finanzkrieg“, warnt Han Lin, China-Direktor der US-Denkfabrik The Asia Group, im Gespräch mit der F.A.Z. Er ist Finanzprofessor in Shanghai und war früher stellvertretender China-Chef der US-Bank Wells Fargo. China wolle den Druck erhöhen. Der nächste Schritt wäre, US-Staatsanleihen zu verkaufen.

Es ist, so sehen es nicht wenige Beobachter, genau diese Sorge, die den Ausverkauf der amerikanischen Staatsanleihen provozierte, die Trump zu einem ersten Einlenken in seiner radikalen Zollpolitik zwang. Bisher ist die Volksrepublik einer der größten Gläubiger der USA. Im Januar hielt Peking US-Staatsanleihen im Wert von rund 760 Milliarden Dollar, rund ein Viertel weniger als vor fünf Jahren. Nur Japan war mit US-Anleihen im Wert von rund 1000 Milliarden Dollar ein noch größerer Gläubiger.

„Die USA sind ein bisschen nervös, dass China seine Macht an den Finanzmärkten ausspielen könnte“

Ob China in dieser Woche, in der die Zinsen auf zehnjährige US-Staatsanleihen schon um 50 Basispunkte gestiegen sind, schon begonnen hat, US-Papiere abzustoßen, ist fraglich. „China hat nicht mehr verkauft, als sie es normalerweise tun“, sagt Alicia Garcia Herrero, Chefökonomin für Asien-Pazifik der französischen Investmentbank Natixis. Sie beruft sich auf Gespräche mit Vertretern von Hedge- und Staatsfonds. „Aber China hat den Markt auch nicht stabilisiert.“ Sie schlussfolgert: „Die USA sind ein bisschen nervös, dass China seine Macht an den Finanzmärkten ausspielen könnte.“ Denn allein der Verdacht, dass die Volksrepublik großflächig verkaufen könnte, würde ausreichen, um andere Marktteilnehmer in die Flucht treiben.

Auf dem aktuellen Zollniveau würde der direkte Handel zwischen den beiden Ländern zum Erliegen kommen, warnte das chinesische Finanzministerium am Freitag, als es die nächsten Gegenzölle bekanntgab. Gleichzeitig kündigte es an, auf neue Erhöhungen nicht mehr zu reagieren, weil diese wirtschaftlich ohnehin keine Rolle mehr spielten.

Für China wäre eine Eskalation von Handels- zu Währungskrieg ein zweischneidiges Schwert. Einerseits hat die Volksrepublik bisher mit den Zinsen aus den US-Staatsanleihen viel Geld verdient, die über die Zentralbank in die Koffer des Finanzministeriums flossen, sagt Han Lin. „Sollte China plötzlich einen großen Teil seiner Anleihen verkaufen, sinken deren Preise und China muss enorme Verluste verkraften.“

„China möchte nicht in die Situation kommen, dass Währungsreserven eingefroren werden“

Andererseits steigt damit, wie es aktuell schon zu beobachten ist, das Zinsniveau in den USA. Die Folge könnte ein Abfluss von Kapital aus der Volksrepublik sein, weil es in Amerika höhere Renditen gäbe. Sollten chinesische Investoren deshalb Renminbi verkaufen, würde die Währung abwerten, was in Chinas Interesse wäre, meint Lin. Denn das würde Chinas Exporte im Ausland verbilligen und helfen, die Verluste im Handel mit den USA wettzumachen. Sobald China also ein Interesse an einem schwächeren Yuan hat, steigt die Sorge, dass das Land seine US-Staatsanleihen verkauft.

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Doch möglicherweise rückt ein noch viel langfristigeres Kalkül in den Vordergrund. China wolle unabhängiger sein vom Dollar-System, indem es den RMB internationalisiere, sagt Lin. Die Schwäche und der Vertrauensverlust in den Dollar ist dafür eine große Gelegenheit. Die angekündigte Reise von Chinas Präsident Xi Jinping nach Vietnam, Kambodscha und Malaysia in der kommenden Woche könne genau diesem Zweck dienen, meint Lin. „China möchte nicht in die Situation kommen, dass Währungsreserven eingefroren werden, so wie es bei Russland der Fall war“, sagte Johannes Petry von der Goethe-Universität Frankfurt.

Der Politökonom, der seit Jahren zum chinesischen Finanzsystem forscht, zieht seine Schlüsse aus Gesprächen mit Insidern aus der chinesischen Finanzwelt, die er in dieser Woche zu Forschungszwecken in Shanghai getroffen hat. Sollte solch ein Szenario drohen, in dem die USA China von den internationalen Finanzmärkten abzukoppeln versuchen, spielen etwaige Verluste aus den Verkäufen der Staatsanleihen plötzlich eine viel geringere Rolle.

Für Europa droht Ungemach und ein Szenario, in dem der Kontinent nicht nur in der Geopolitik, sondern auch in der Währungspolitik zwischen die Blöcke gerät. Chinas Währung hat in dieser Woche gegenüber dem Dollar zeitweise das niedrigste Niveau seit der Finanzkrise vor knapp zwei Jahrzehnten erreicht. Noch viel stärker waren die Verluste gegenüber Währungen wie dem Euro, die im Vergleich zum Dollar aufwerteten. Chinesische Waren können in Europa nun noch günstiger angeboten werden. Denn beim Wechselkurs zwischen Yuan und dem Euro sind beide vom Dollar abhängig, der dazwischen geschaltet ist.

„China schaut beim täglichen Fixing zwar auf einen Währungskorb, in erster Linie aber auf den Dollar. Und es gibt das Risiko, dass der Dollar sehr schnell an Wert gegenüber dem Yuan gewinnt“, sagt Robin Winkler, Deutschland-Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „Die Zeiten, in denen der Dollar als sicherer Hafen galt, sind ein Stück weit vorbei. Das ist auch mittelfristig nicht reparabel, wenn überhaupt, dann nach zwei oder drei weiteren rational regierenden US-Regierungen“, meint Winkler. Für ihn ist das, was an den Devisenmärkten geschehen ist, ein Strukturbruch, der lange nachhalten wird; und damit viel wichtiger ist als die Zollpolitik.

Gibt es Lösungen, etwa aggressive Zinssenkungen der EZB? „Natürlich kann eine Zentralbank eine Währung schwächen, in dem sie viel Unsinniges anrichtet, aber ist das sinnvoll?“, fragt sich Ulrich Leuchtmann, leitender Währungsanalyst der Commerzbank. Der Wechselkurs sei nur das Symptom und nicht die Ursache. „Außerdem kostet eine schwache Währung einer Volkswirtschaft Vermögen, auch wenn sie einem Exporteur kurzfristig nützt“, gibt Leuchtmann zu bedenken. Für ihn ist auch nicht das Niveau eines Wechselkurses entscheidend, dem könne sich die Wirtschaft anpassen. „Das Problem ist die Geschwindigkeit der Veränderung.“