Schon als Union und SPD nach der Bundestagswahl noch schnell mit dem alten Bundestag das Grundgesetz geändert haben, um Verteidigungsausgaben von mehr als einem Prozent der Wirtschaftsleistung von der Schuldenbremse auszunehmen und ein Infrastruktur-Sondervermögen zu schaffen, machten sie deutlich, dass das noch nicht alles sein soll. Im Koalitionsvertrag steht jetzt dementsprechend auch eine weitere Reform der Schuldenbremse als Ziel.
Das Problem für die angehende schwarz-rote Koalition ist nur, dass ihnen im neuen Bundestag auch mithilfe der Grünen die Stimmen für die nötige Zweidrittelmehrheit dafür fehlen – Linke und AfD haben zusammen mehr als ein Drittel der Mandate im Bundestag. Und die Linke stellt jetzt schon klare Forderungen zur Beteiligung an den Reformplänen, wenn sie am Ende mitstimmen soll. Vor allem für die Union ist das ein Dilemma.
„Wir werden eine Expertenkommission unter Beteiligung des Deutschen Bundestages und der Länder einsetzen, die einen Vorschlag für eine Modernisierung der Schuldenbremse entwickelt, die dauerhaft zusätzliche Investitionen in die Stärkung unseres Landes ermöglicht“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Auf dieser Grundlage wollen wir die Gesetzgebung bis Ende 2025 abschließen.“
Kaum verklausulierte Drohung
Die linke Ko-Vorsitzende Ines Schwerdtner begrüßt dieses Vorhaben zwar. „Damit es bei dieser Initiative nicht bloß bei heißer Luft bleibt, muss die angekündigte Expertenkommission unmittelbar nach der Kanzlerwahl eingesetzt werden“, sagt sie der F.A.Z. „Wer hier Zeit verstreichen lässt, kann es mit einer Reform der Schuldenbremse bis zum Jahresende nicht ernst meinen.“
Vor allem aber macht sie klar, dass sie eine frühe Beteiligung ihrer Partei erwartet und damit schon auf die Zusammensetzung der Expertenkommission zielt: „Union und SPD dürfen nicht den Fehler machen, ausschließlich Personen zu benennen, die ihnen politisch nach dem Mund reden“, sagt Schwerdtner. „Dieses Herumgetanze an der Linken vorbei wird für die nächsten vier Jahre nicht klappen“, sagt sie. „Die Linke gehört mit in die Kommission, dies sollte die Union auch mit dem Hintergrund der benötigten Zweidrittelmehrheit in Zukunft anerkennen.“
Diese kaum verklausulierte Drohung ist für die angehende schwarz-rote Regierung ein großes Problem. Zwar lässt sich aus den Vereinbarungen zur Zusammenarbeit im Koalitionsvertrag kein Ausschluss der Linken ableiten. Diese zielen eindeutig auf die AfD, auf Seite 141 steht dazu: „Die Koalitionspartner schließen auf allen politischen Ebenen jede Zusammenarbeit mit verfassungsfeindlichen, demokratiefeindlichen und rechtsextremen Parteien aus.“ Und: „Dies betrifft im Parlament unter anderem gemeinsame Anträge, Wahlabsprachen oder sonstige Formen der Zusammenarbeit.“ Somit fällt eine Kooperation mit der AfD auch in dieser Frage aus.
Die Zusammenarbeit mit der Linken hat sich aber die CDU selbst versagt. „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab“, heißt es im Unvereinbarkeitsbeschluss vom Hamburger Parteitag 2018.
Auch wenn es bereits nach den Landtagswahlen im Osten im vergangenen Jahr einzelne Stimmen gab, die eine Aufhebung des Beschlusses gefordert hatten, und auch wenn der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) gerade erst mit Blick auf die Reform der Schuldenbremse dafür geworben hat, mit der Linken zu sprechen, gilt die Linie weiterhin. So dürfte der Parteispitze in den nächsten Monaten noch eine schwierige Diskussion bevorstehen.
Für die Linke hingegen ist die Lage komfortabel: Bewegen muss sich in dieser Frage erst mal die CDU. Dass die Linke eine Reform der Schuldenbremse möchte, ist ohnehin kein Geheimnis. „Gerade aus Sicht der Länder und Kommunen darf keine Zeit verloren werden“, sagt Schwerdtner der F.A.Z. Die Möglichkeit, Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufzunehmen, sei nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein und reiche angesichts der angespannten Haushaltslagen bei Weitem nicht aus. „Die Länder benötigen dringend Spielraum für schuldenfinanzierte Investitionen über diese Grenze hinaus – insbesondere für Infrastruktur, Klimaschutz und sozialen Wohnungsbau“, sagt Schwerdtner. Und Schwarz-Rot benötigt die Stimmen der Linken.