Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD finden sich viele Unterstützungsbekundungen für die angegriffene Ukraine. Doch an einer Stelle machen die künftigen Koalitionäre klar, dass die Hilfe für Ukrainer, die nach Deutschland fliehen, geringer wird. Es sollen nämlich all jene Frauen und Männer, die vom 1. April 2025 an nach Deutschland gekommen sind und nicht arbeiten, nicht mehr das Bürgergeld bekommen, sondern geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Finanziell werden neu ankommende Ukrainer damit noch nicht anerkannten Asylbewerbern in Deutschland gleichgestellt.
Eine alleinstehende Person bekommt künftig nicht mehr 563 Euro, sondern 441 Euro; also 122 Euro weniger. Damit endet eine Privilegierung von Ukrainern, die Bund und Länder im Frühjahr 2022 beschlossen hatten, einige Wochen nach dem russischen Überfall. Man wollte damals zügig und unbürokratisch handeln. Die EU-Innenminister hatten zuvor entschieden, dass für die Ukrainer die sogenannte Massenzustromrichtlinie gilt. So wurde Ukrainern ein humanitärer Aufenthaltstitel zugesprochen, ohne dass sie vorher ein Asylverfahren durchlaufen müssen. Der deutschen Politik schien es da nur folgerichtig, nicht arbeitenden Ukrainern denselben Status zu geben wie anerkannten Asylbewerbern, sie also ins Bürgergeldsystem einzugliedern. Das sollte außerdem die Ausländerbehörden entlasten.
Doch inzwischen ist die Lage eine andere, was Union und SPD dazu veranlasst haben dürfte, den Systemwechsel, Rechtskreiswechsel genannt, zu vollziehen. Wobei dieser Wechsel hinter dem zurückbleibt, was die Union im Wahlkampf gefordert hatte. Da wollte sie allen Ukrainern das Bürgergeld streichen, nicht nur denen, die erst seit einem Stichtag in Deutschland sind. Die Union wollte durch eine Kürzung der Sozialleistung einen Anreiz zur Arbeit schaffen. Denn obwohl die Ukrainer über das Bürgergeld ans Jobcenter angedockt waren, lag die Erwerbsquote lange Zeit unter der in anderen europäischen Ländern. Inzwischen ist sie etwas gestiegen.
33 Prozent der Ukrainer arbeiten
Im November 2024 lebten 1,26 Millionen Ukrainer in Deutschland, 900.000 von ihnen sind Erwachsene. 296.000 gingen einer Beschäftigung nach, das entspricht knapp 33 Prozent. Während etwa in Polen gilt, dass Ukrainer sofort arbeiten sollen und das in der Regel auch tun, galt in Deutschland lange das Motto: Erst mal zum Sprachkurs. Das Bundesinnenministerium hat das auf den letzten Metern der Ampelkoalition geändert, die Integration in den Arbeitsmarkt sollte jetzt auch mit noch nicht perfekten Deutschkenntnissen versucht werden. Hinter der Vereinbarung im Koalitionsvertrag stehen also mehrere Ziele: Es sollen Anreize geschaffen werden, damit Ukrainer schneller einen Job annehmen. Generell will Deutschland aber weniger attraktiv für Flüchtlinge werden.
Sparen wird der Bund aber wohl nur wenig durch die geringeren Leistungen. Zwar wird er für die Transfers an die neu eingereisten Ukrainer nicht mehr zuständig sein; Asylbewerberleistungen werden von den Ländern und Kommunen übernommen, das Bürgergeld vom Bund. Aber in den viereinhalb Zeilen des Koalitionsvertrages, in denen dieser beachtliche Kurswechsel verhandelt wird, verspricht der Bund, die Mehrkosten für Länder und Kommunen zu übernehmen. Der Städte- und Gemeindebund hatte den jetzt gefundenen Kompromiss gefordert.
Allerdings werden in den viereinhalb Zeilen Koalitionsvertrag nicht alle Fragen geklärt. Denn mit dem Systemwechsel geht nicht nur eine Kürzung des Geldes einher. Es gelten auch sonst andere Regeln, etwa bei der Wahl des Wohnsitzes. Auch hat das Sozialamt keinen Zugriff auf die Instrumente, um Menschen in Arbeit zu bringen – die hat das Jobcenter für die Bürgergeldbezieher.
Es darf den Verhandlern von CDU, CSU und SPD aber unterstellt werden, dass es ihnen vor allem um ein finanzielles Zeichen ging. Ukrainer sollen künftig weniger Geld bekommen, alle anderen Regeln sollen aber vermutlich so bleiben wie bisher.
Wie viele Ukrainer von der Stichtagsregelung betroffen sein werden, ist schwer zu kalkulieren. Im Januar 2025 kamen 15.000 Ukrainer nach Deutschland, die Hälfte von ihnen war weiblich. 6000 Ukrainer verließen Deutschland. Die Massenzustromrichtlinie, die Grundlage auch für die deutsche Regelung ist, läuft im Sommer 2026 aus. Auch von einem eventuellen Friedensabkommen dürfte abhängen, wie die Debatte in Deutschland und Europa sich entwickeln wird.