Gespür für Mathe: Rabenkrähen erkennen geometrische Formen

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Wir Menschen haben uns inzwischen damit abgefunden, nicht die einzige Spezies zu sein, die zählen kann. Schimpansen können souverän Mengen einschätzen. Krähen sind in der Lage, auf Kommando eine bestimmte Anzahl an Rufen zu erzeugen. Sogar Moskitofische schaffen es, große von kleinen Gruppen ihrer Artgenossen zu unterscheiden. Die Intuition für eine andere mathematische Disziplin, die Geometrie, galt bisher hingegen als rein menschliche Eigenschaft. Doch das ist nicht mehr der Fall.

Menschen können auf Anhieb geometrische Formen unterscheiden, etwa bei unterschiedlichen Vierecken: Wir wissen, dass ein Parallelogramm anders ist als ein Quadrat oder ein Trapez, wenn wir sie sehen. Das gilt auch für kleine Kinder.

Selbst Paviane scheitern an der Aufgabe

Der Versuchsaufbau: Mit einfachen Symbolen lernten die Krähen das Prinzip, dann sollten sie verschiedene Vierecke unterscheiden.
Der Versuchsaufbau: Mit einfachen Symbolen lernten die Krähen das Prinzip, dann sollten sie verschiedene Vierecke unterscheiden.Schmidbauer et al., Sci. Adv. 11, eadt3718 (2025)

Nun aber haben Tierphysiologen der Universität Tübingen gezeigt: Krähen können’s. In ihrem Experiment präsentierten sie zwei zehn und elf Jahre alten Rabenkrähen zunächst je sechs Figuren. Eine davon passte nicht zum Rest. Das konnte zum Beispiel ein Mond unter fünf Sternen sein. Damit lernten die Krähen, das „falsche“ Bild zu erkennen.

Nachdem die Tiere das Prinzip kapiert hatten, bekamen sie die Vierecke zu sehen und sollten auch hier auf das deuten, das nicht zum Rest passte. Das konnte etwa ein Trapez zwischen fünf Parallelogrammen sein (Grafik links) oder auch ein Viereck ohne rechten Winkel zwischen fünf Vierecken mit jeweils einem rechten Winkel (Grafik rechts).

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Eine der Krähen hatte bei dem Experiment eine Trefferquote von 48,3 Prozent, die andere lag in 56,7 Prozent der Fälle richtig. Damit waren sie nicht gerade perfekt, aber allemal besser als beim Raten auf gut Glück. Hätten sie einfach drauflosgepickt, wären sie bei einer Trefferquote von 16,7 Prozent gelandet.

Die Forscher analysierten zudem, wie sich die Leistung der Tiere mit der Zeit veränderte. Dabei zeigt sich: Die Krähen wurden nicht besser. Dies deute darauf hin, dass sie die Fähigkeit, geometrische Objekte zu unterscheiden, nicht während des Experiments gelernt haben, sondern sie von Anfang an vorhanden war, schreiben die Studienautoren im Magazin „Science Advances“. Das Verständnis von Geometrie steckt in den Tieren drin.

Für die Forscher ist die Arbeit nicht nur eine bloße Bestandsaufnahme dessen, was Krähen können. Sie erzählt etwas über den Ursprung des Verständnisses von Geometrie, betonen die Wissenschaftler in ihrer Studie: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass geometrische Intuitionen nicht spezifisch für den Menschen sind, sondern tief in der biologischen Evolution verwurzelt sind.“